Kopfschmerz

Einleitung

Chronische - d.h. länger als 6 Monate andauernde bzw. oft wiederkehrende - Kopfschmerzen sind eine sehr verbreitete Erkrankung. Allein an Migräne leiden 15 % der Frauen und 7 % der Männer. In Deutschland sind dies umgerechnet über 7 Millionen Menschen. Trotzdem suchen viele dieser Betroffenen keinen Arzt auf, um ihre Erkrankung zu behandeln. Wenn Sie selbst schon mehrfach Kopfschmerzen hatten, wissen Sie, daß chronische Kopfschmerzen das körperliche und seelische Gleichgewicht stören und die Lebensqualität sehr stark beeinträchtigen. Kopfschmerzen tragen darüber hinaus zu einem großen volkswirtschaftlichen Schaden bei, die krankheitsbedingten Fehltage und Produktivitätsverlust verursachen Jahr für Jahr Kosten in Milliardenhöhe. Mit dieser Information beschränken wir uns auf die wichtigsten und häufigsten Formen der chronischen Kopfschmerzen. [Benötigen sie Informationen zu seltenen Kopfschmerzformen, wenden Sie sich bitte direkt an uns.] Wir wollen Sie auf diesem Weg über die Merkmale dieser häufigen Krankheitsbilder und deren Behandlungsmöglichkeiten informieren.

Kopfschmerzen

Einteilung der Kopfschmerzen

Nach der Klassifikation der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHSS) unterscheidet man folgende Arten:

  1. Kopfschmerzen vom Spannungstyp:
    - episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp, dieser Kopfschmerz tritt wiederholt mit einer Dauer von wenigen Tagen auf.
    - chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp, dieser Kopfschmerz tritt (fast) täglich auf.
  2. Migräne
    - Migräne ohne Aura (gewöhnliche Migräne), hier beginnt die Migräneattacke direkt mit Kopfschmerzen
    - Migräne mit Aura (klassische Migräne), hier ist vor Beginn des Kopfschmerzes (immer) eine Gefühls- oder Wahrnehmungsstörung zu beobachten (häufig Augenflimmern - aber auch andere Störungen).
  3. arzneimittelinduzierter Kopfschmerz
    - Dieser Kopfschmerz ist der durch den Fehlgebrauch von Schmerzmitteln (oder anderen Medikamenten) verursachte Dauerkopfschmerz. Es wird geschätzt, daß in Deutschland zwischen 300 000 und 500 000 Menschen an einem durch Arzneimittel verursachten Kopfschmerz leiden.

Die wichtigsten Merkmale der verschiedenen Kopfschmerztypen finden Sie in Tabelle 1.

Kopfschmerzmerkmale

Migräne

Kopfschmerz vomSpannungstyp

Schmerzmittelkopfschmerz

Dauer

4 bis 72 Stunden

30 Minuten bis 7 Tage

Ohne zeitliche Begrenzung

Stärke

Mäßig bis sehr stark

Leicht bis mittelstark

Leicht bis sehr stark

Charakter

Pulsierend, pochend, klopfend

Drückend, einengend, dumpf

Dumpf, drückend, stechend

Sitz

Überwiegend einseitig, Stirn, Schläfe, Auge

Ganzer Kopf, Scheitelregion, Stirn, Hinterhaupt

Ganzer Kopf

Zeitpunkt

Oft morgens

Am Tage

Morgens

Häufigkeit

1 - 15 mal pro Monat (sehr unterschiedlich)

Episodisch bis chronisch (oft mehr als 15 Tage pro Monat)

Täglich

Begleitbeschwerden

Aura vor dem Kopfschmerz (z.B. Sehstörungen) Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmempfindlichkeit

Selten Übelkeit

Benommenheit, Leistungsminderung

Tabelle 1: Wesentliche Merkmale der häufigsten Kopfschmerzformen

Die Anamnese - oder warum Ihre eigenen Beobachtungen so wichtig sind.
Für die Diagnose bei chronischen oder oft wiederkehrenden Kopfschmerzen sind Ihre Angaben maßgeblich. Je genauer Sie den Schmerz beschreiben - Dauer, Stärke, Charakter, Häufigkeit der Schmerzattacken und so weiter - und je ausführlicher Sie uns über die Begleitumstände und Begleiterscheinungen (sog. Aura) berichten, desto exakter können wir die Diagnose stellen. Die richtige Diagnose ist auch bei diesen Krankheiten die Grundvoraussetzung für eine erfolgversprechende Therapie.

Migräne

Ursache
Zur Zeit stellt man sich die Entstehung eines Migräneanfalls folgendermaßen vor: Im Gehirn des Patienten besteht aufgrund einer (möglicher Weise erblichen) Veranlagung eine Störung der Energiebereitstellung. Die Abschirmmechanismen des Gehirns gegenüber äußeren Auslösefaktoren sind daher mangelhaft. Wenn die Belastbarkeit des Gehirns durch Faktoren wie zum Beispiel Hormonschwankungen Alkohol, Streß und ähnliches überschritten wird, kommt es zu einer vorübergehenden Beeinträchtigung der Hirnfunktion (Sehstörungen, Konzentrationsstörungen). Gleichzeitig werden Schmerz- und Entzündungsstoffe freigesetzt: Der Migräneschmerz beginnt und die Licht- und Lärmempfindlichkeit zwingt den Patienten, seinem Gehirn die dringend benötigte Ruhepause zu gönnen.

Schmerzcharakter
Die Migräne ist gekennzeichnet durch unterschiedlich oft wiederkehrende Kopfschmerzanfälle. Dazwischen gibt es immer wieder beschwerdefreie Zeiten. Der Schmerz ist typischer Weise halbseitig, wobei die Seite von Anfall zu Anfall auch wechseln kann.
Die Häufigkeit der Schmerzanfälle beträgt zwischen 1 pro Monat (oder noch seltener) bis zu 15 (oder sogar noch häufiger) pro Monat. Sie beginnen in vielen Fällen in den frühen Morgenstunden manchmal aus dem Schlaf heraus. Die Dauer beträgt einige Stunden bis zu drei Tagen.
Bei Kindern und Jugendlichen sowie jenseits des 50. Lebensjahres sind die Anfälle kürzer. Der Kopfschmerz ist stark und nimmt bei Kopfbewegung oder körperlicher Belastung zu. Betroffen sind am häufigsten die Stirnregion und der Bereich um das Auge, etwas weniger häufig der Hinterkopf und der Nacken. Die Patienten beschreiben den Schmerz als stark, bohrend und pulsierend oder klopfend, aber auch stechend.

Begleitstörungen
Die Kopfschmerzphase wird oft von allgemeinen Befindlichkeitsstörungen begleitet, wie Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen sowie Hör- und Sehstörungen (wie Lärm- und Lichtempfindlichkeit). Auch gegen starke Gerüche ist der Migränepatient überempfindlich. Ruhige, abgedunkelte Räume helfen daher häufig, die Beschwerden erträglicher zu machen. Vorboten (Aura)
Bei einigen Patienten (10 bis 20 Prozent) geht dem Schmerzanfall eine Phase von neurologischen Erscheinungen voraus, die sogenannte Aura. Am häufigsten handelt es sich dabei um vorübergehende Sehstörungen, wie Flimmern und Blitzen, begleitet von Einschränkungen des Gesichtsfeldes. Aber auch Gefühlsstörungen wie Kribbeln, Taubheitsgefühle und sogar vorübergehende Lähmungen [diese Erscheinungen bilden sich immer vollständig zurück!] kommen vor. Die Aura dauert für gewöhnlich 10 bis 30 Minuten. Erst danach beginnt der Kopfschmerz. Bei manchen Patienten wieder wird der Migräneanfall durch unterschiedliche Vorzeichen ein bis zwei Tage davor angekündigt. Dazu gehören Veränderungen der Stimmungslage und des Verhaltens, Heißhunger, Durchfall und ähnliches. auslösende Faktoren
Viele Faktoren können im Einzelfall einen Migräneanfall auslösen. Sie sollten aber nicht deswegen als die eigentliche Ursache der Migräne mißverstanden werden.

1) Hormone
Bei vielen Frauen ist die Migräne zeitlich an die Periodenblutung gebunden, oder die Anfälle häufen sich vor, während und auch nach der Periode. So muß man davon ausgehen, daß weibliche Geschlechtshormone eine wichtige Rolle als Auslöser von Migräneanfällen spielen. Nach den Wechseljahren werden diese Migräneanfälle in der Regel seltener und leichter.

2) Streß
Streß, Aufregung, und Angst vor einem kommenden Ereignis können Migräneanfälle auslösen. Doch viel häufiger treten Anfälle auf, wenn der Streßhöhepunkt überschritten ist. Eine Migräneattacke, wenn der letzte Gast nach einer Party das Haus verlassen hat, oder auch die sog. "Wochenendmigräne" nach einer sehr anstrengenden Woche sind Beispiele dafür. Streß ist aber trotzdem nicht die Ursache der Migräne.

3) Schlaf
Änderungen des Schlaf-Wach-Rhythmus - zu kurzer oder vor allem auch zu langer Schlaf - können einen Migräneanfall auslösen.

4) Essen und Trinken
Einige Migränepatienten berichten, daß bestimmte Nahrungsmittel gelegentlich Migräneanfälle bei ihnen auslösen können. Am häufigsten werden bestimmte Käsesorten und Schokolade genannt. Weniger häufig fette Speisen, Zitrusfrüchte und andere Nahrungsmittel. Auch alkoholische Getränke, insbesondere Rotwein und bestimme Biersorten sowie übermäßiger Alkoholgenuß können Migräneanfälle auslösen. Diese Beobachtungen können aber nicht verallgemeinert werden.

5) Wetter
Etwa die Hälfte aller Betroffenen berichten, daß Wetterumschwung, Luftdruckabfall und Föhn bei ihnen Migräneanfälle auslösen können. Gesichert ist dieser Zusammenhang nur für Föhneinbrüche in Süddeutschland. Zu dieser Zeit treten etwas vermehrt Migräneanfälle und andere Kopfschmerzen auf. Dagegen spricht, daß kein Unterschied in der Migränehäufigkeit zwischen Süd- und Norddeutschland oder sogar zwischen Deutschland und tropischen Ländern besteht. Diese "Auslöser" sind aber keineswegs die Ursache der Migräne. Das Erkennen möglicher Auslöser und der Versuch, sie zu vermeiden, sind aber ein wichtiger erster Schritt zur Vorbeugung der Migräne. Dabei ist das Führen eines Kopfschmerzkalenders, in dem auch diese möglichen Auslöser festgehalten werden, sehr hilfreich.

6) Vererbung
Die Migräne ist keine Erbkrankheit im engeren Sinne. Eine Voraussage darüber, welcher der Nachkommen eine Migräne entwickeln könnte, ist nicht möglich. Trotzdem ist eine familiäre Häufung nicht zu leugnen. Etwa die Hälfte der Patienten haben Familienangehörige, die unter Migräne leiden. Mutter, Vater und Geschwister der Migränepatienten sind die am häufigsten Betroffenen.

Therapie
Zur Behandlung der Migräne stehen uns heute ein recht breites Spektrum an Medikamenten zur Verfügung (siehe Tabelle 2: Die Empfehlungen der DMKG). Von den einfachen Schmerzmitteln bis hin zu den modernen Spezialpräparaten. Außerdem gibt es Medikamente für eine vorbeugende Behandlung. Diese werden mit dem Ziel verordnet, Häufigkeit, Schweregrad und Dauer der Migräneanfälle zu senken. Neben Medikamenten kommen hier auch andere Behandlungsmethoden zum Einsatz. Ist der Migräneanfall von Übelkeit und Erbrechen begleitet, werden wir auch Medikamente einsetzen, die diese Begleitbeschwerden lindern oder beseitigen. Diese Medikamente normalisieren zusätzlich die Magen- und Darmtätigkeit, wodurch. die Aufnahme der schmerzlindernden Medikamente in vielen Fällen erst ermöglicht werden. Wichtig für den Behandlungserfolg des Migräneanfalls ist die frühzeitige Einnahme der Medikamente. Sie sollte sofort bei Schmerzbeginn erfolgen. Hat sich der Anfall erst einmal voll entwickelt, bleiben viele Medikamente wirkungslos.

1. Stufe leichter Migräneanfall Metoclopramid oder Domperidon,20 Minuten warten, Acetylsalizylsäure oder Paracetamol oder Ibuprofen
2. Stufe schwerer Migräneanfall Metoclopramid oder Domperidon, 20 Minuten warten, Triptane Alternativ: evtl. Ergotamintatrat
Behandlung beim Arzt Metoclopramid i.v. (oder i.m.) sowie Lysinacetylsalicylat i.v.oder Sumatriptan s.c.
i.v. (intravenös): in die Venei.m. (intramuskulär): in den Muskels.c. (subcutan): unter die Haut
Tabelle 2: Medikamentöse Therapie zur Anfallsbehandlung (gemäß Empfehlung der DMKG)

Vorbeugung
Bleibt der Erfolg einer Anfallsbehandlung aus oder ist die Häufigkeit der Migräneanfälle öfter als dreimal pro Monat, sollte eine vorbeugende Behandlung mit Medikamenten in Betracht gezogen werden. Andere Gründe, die für eine Vorbeugung sprechen, sind:

  • Anfälle, die regelmäßig über 48 Stunden andauern, unabhängig von der Häufigkeit;
  • unerträglich schmerzhafte Migräneanfälle;
  • Anfälle, die häufig von langandauernden neurologischen Ausfällen begleitet werden;
  • vorausgegangene Schmerzmittelentzugsbehandlung.

Es gibt verschiedene Medikamente, die sich zur Vorbeugung der Migräne eignen (vgl. Tabelle 3). Wir werden das geeignete Mittel nicht nur nach der Wirkung, sondern auch nach den zu erwartenden Nebenwirkungen wählen. Alter, Geschlecht und Zustand der verschiedenen Organe müssen dabei berücksichtigt werden, um den richtigen Wirkstoff und die richtige Dosis individuell zu bestimmen.

Kopfschmerzkalender
Der Erfolg einer vorbeugenden Migränebehandlung kann nicht vor Ablauf von drei Monaten beurteilt werden. Damit diese Beurteilung so objektiv wie möglich vorgenommen wird, sollten sie einen Kopfschmerzkalender führen. Darin werden der Zeitpunkt, die Dauer und die Schwere der Anfälle eingetragen, die eingenommenen Medikamente nach Art und Dosis notiert sowie Begleiterscheinungen (Streß, Wetterwechsel, Periode und so weiter), die eventuell einen Anfall provoziert haben. Aufgrund dieser Aufzeichnungen kann dann sehr einfach beurteilt werden, ob das Ziel der vorbeugenden Behandlung - Verringerung der Häufigkeit, Schwere und Dauer der Anfälle erreicht worden ist.

Medikamenteder 1. Wahl Betarezeptorenblocker(Metoprolol, Propranolol)
Medikamenteder 2. Wahl Flunarizin
Medikamenteder 3. Wahl Cyclandelat
Medikamenteder 4. Wahl PizotifenMethysergidLisurid
Tabelle 3: Vorbeugende Behandlung(Quelle: DMKG (Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft))

Nicht medikamentöse Verfahren
Zur Vorbeugung der Migräne werden oft zusätzlich nichtmedikamentöse Verfahren zu den Medikamenten auch andere Behandlungsverfahren eingesetzt. Dazu gehören zum Beispiel Akupunktur und progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen. Darüber hinaus ist Ausdauersport wichtig, wie Jogging, Rudern, Schwimmen und Radfahren.

Progressive Muskelrelaxation
Eine Methode der Entspannung ist die progressive Relaxation nach E Jacobsen, die man als "fortschreitende Entspannung" bezeichnen könnte. Hierbei lernt der Patient in sechs aufeinander folgenden Übungen, sich tief zu entspannen. Der Sinn der Methode liegt darin, zu lernen, wie wir unsere willkürliche Muskulatur, zum Beispiel die Arm-, Bein-, Stirn- und Augen- und gesamte Gesichtsmuskulatur, anspannen, um damit eine besonders tiefe Entspannung zu erzielen. Das gegensätzliche Erleben von Anspannung und Entspannung und der Wechsel zwischen beiden Zuständen ist es, worauf es ankommt. Anspannung und Entspannung werden nur mit der jeweils ausgewählten Muskelgruppe durchgeführt. Der restliche Körper bleibt möglichst entspannt. Durch das Beherrschen dieser Übungen ist der Patient in der Lage, Verspannungen zu erkennen und zu lösen.

Biofeedback
Viele werden dieses Wort schon einmal gehört haben, aber was ist das eigentlich? Man könnte Biofeedback vereinfacht als "Rückmeldung" des Körpers bezeichnen. Biofeedback ermöglicht Ihnen Signale des Körpers zu erkennen, die Sie sonst nicht oder kaum wahrnehmen. Die Rückmeldung des Pulses in Form eines Ton- und Lichtsignals wird zum Beispiel eingesetzt, um den eigenen Pulsschlag und auch die Veränderbarkeit des Pulsschlages wahrnehmbar zu machen. Bei der Migräneerkrankung kann durch dieses Vasokonstriktionstraining gelernt werden, die Schlagader im Bereich der Schläfen (bzw. des gesamten Kopfes) enger zu stellen und wieder zu weiten. Auf diese Weise können Migräneanfälle vermindert oder abgekürzt werden. Nach dem heutigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist die Migräne mit Hilfe geeigneter Medikamente sowie anderer Behandlungsverfahren und Verhaltensregeln gut beherrschbar.
Ein Hinweis zum Schluß: Wenn Ihnen "Heilung" versprochen wird, seien Sie immer mißtrauisch. Sie ersparen sich dadurch unnötige, oft gefährliche und immer kostspielige Behandlungsversuche.

Kopfschmerz vom Spannungstyp

Häufigkeit
An gelegentlichen Kopfschmerzen dieses Typs leiden etwa 35 % der Bevölkerung in Deutschland. Ein chronischer Spannungskopfschmerz mit mehr als 15 Kopfschmerztagen im Monat besteht immerhin noch bei 2 - 3 % der Bevölkerung, das heißt bei etwa zwei Millionen Menschen. Frauen im mittleren Lebensalter sind häufiger als Männer betroffen.

Ursachen
Trotz aller Forschungen herrscht über die Ursache der Spannungskopfschmerzen immer noch Unklarheit. Man hat früher angenommen, daß streßbedingte Anspannungen der Stirn- und Nackenmuskeln diese Kopfschmerzen verursachen. Allerdings konnte diese Annahme durch wissenschaftliche Untersuchungen nicht bestätigt werden. Das Wahrscheinlichste ist, daß die Funktion des Schmerzzentrums im Gehirn gestört ist, wodurch die Schmerzschwelle gesenkt wird.

Schmerzcharakter
Im Gegensatz zur Migräne fehlt beim Spannungskopfschmerz der typische, anfallsartige Verlauf mit beschwerdefreien Zwischenzeiten. Es besteht ein beidseitiger leichter bis mittelstarker Schmerz, der gelegentlich, aber auch täglich oder fast täglich auftreten kann. Betroffen ist die Stirn, die Scheitelregion, die Schläfe oder der ganze Kopf. Die Schmerzen setzen langsam im Laufe des Tages ein und sind von einem Benommenheitsgefühl begleitet. Die Patienten beschreiben den Schmerz im allgemeinen als dumpf-drückend, haben aber Schwierigkeiten, die genaue Art der Schmerzen zu schildern. Der Spannungskopfschmerz kann mehrere Stunden aber auch Tage dauern und bei einigen Patienten über einen längeren Zeitraum als Dauerkopfschmerz bestehen bleiben. Begleitsymptome sind meist nicht vorhanden aber in einigen Fällen kann der Spannungskopfschmerz von Übelkeit und Schwindelgefühl begleitet sein.

Kombinationskopfschmerz
Zusätzlich gibt es den Kombinationskopfschmerz: das bedeutet ein Patient kann sowohl unter Spannungskopfschmerzen als auch unter Migräne leiden In solchen Fällen werden bei der Behandlung beide Krankheitsbilder berücksichtigt.

Therapie
Ein gelegentlich auftretender Spannungskopfschmerz kann mit einfachen Schmerzmitteln, die ohne Rezept in der Apotheke erhältlich sind, behandelt werden. Wichtig ist dabei, Medikamenten den Vorzug zu geben, die nur einen Wirkstoff enthalten. Medikamente mit mehreren Wirkstoffen sind nicht unbedingt wirksamer, verursachen aber häufig mehr Nebenwirkungen.

Geeignete Mittel zur Kopfschmerzbehandlung:

  • Paracetamol oder
  • Azetylsalizylsäure (ASS) oder
  • Ibuprofen
  • Naproxen

Diese Wirkstoffe sind nicht nur schmerzlindernd, sondern auch fiebersenkend und entzündungshemmend. Daher werden sie auch bei einer Reihe anderer Erkrankungen wie zum Beispiel dem grippalen Infekt eingesetzt.

Vorbeugung
Tritt Spannungskopfschmerz häufig auf - täglich oder alle zwei Tage -, ist eine vorbeugende Langzeitbehandlung angebracht. Dabei stehen nicht Medikamente im Vordergrund, sondern andere Therapieverfahren. Dazu gehören, wie bei der Migräne; Ausdauersport und Entspannungstechniken. Auch psychotherapeutische Maßnahmen und Biofeedback-Methoden kommen zum Einsatz.

Biofeedback
Die meisten Patienten haben dieses Wort schon einmal gehört, aber was ist das eigentlich? Man könnte Biofeedback vereinfacht als "Rückmeldung" des Körpers bezeichnen. Mit der Methode des Biofeedback kann man Einfluß auf normalerweise unbewußte Vorgänge im Körper nehmen.
Man benötigt bei dieser Methode am Anfang äußere Hilfsmittel in Form von Geräten, um bestimmte körperlich-geistige Zusammenhänge sichtbar zu machen. Auf einem Bildschirm und auch über Kopfhörer können Sie beispielsweise die Anspannung der Muskeln wahrnehmen. Sie können so kontrolliert lernen, wie die Anspannung Ihrer Muskulatur willentlich steuerbar ist. In gleicher Weise können auch andere Körperfunktionen (vgl. Kapitel Migräne) sichtbar gemacht werden. Biofeedback bietet die Möglichkeit, einen Zustand tiefer Entspannung zu erreichen. Sie benötigen tägliche Übungen, um eine anhaltende Wirkung zu erzielen.
Das Erlernen dieser Methode läuft in zwei Schritten ab:
Im ersten Schritt lernt der Patient anhand der Rückmeldungen über das Gerät, seine eigenen veränderten Funktionen zu erleben. Dadurch wird es für viele erst einmal möglich, die eigene Entspannung zu erkennen. Nach einiger Übungszeit können die meisten Patienten im zweiten Schritt diesen Zustand auch ohne Gerät erreichen.

Akupunktur
Die Akupunktur wird häufig eingesetzt, aber ihr Nutzen ist durch kontrollierte Untersuchungen noch nicht nachgewiesen. Die Erfahrung zeigt aber, daß viele Patienten von einer Akupunkturbehandlung oft über Monate profitieren. Neben diesen Maßnahmen können zusätzlich auch Medikamente zur vorbeugenden Langzeitbehandlung eingesetzt werden. An erster Stelle wird Ihr Arzt dabei Medikamente verordnen, die üblicherweise in höherer Dosis zur Behandlung von Depressionen verwendet werden. Sein Ziel es nicht, eine Depression zu behandeln, sondern eine andere Wirkung dieser Medikamente zu nutzen: die Anhebung der Schmerzschwelle im Gehirn.

Kopfschmerzvorbeugung:

  • Amitriptylin
  • Amitriptylinoxid
  • Doxepi
  • Imipramin

Die Kombination dieser Medikamente mit den nichtmedikamentösen Behandlungsverfahren ist wirksamer als die jeweilige Methode allein.

Mischformen
Wenn gleichzeitig Spannungskopfschmerzen und Migräne vorliegen, wird die Migränebehandlung mit der vorbeugenden Langzeitbehandlung der Spannungskopfschmerzen kombiniert.

Dauerkopfschmerz durch Schmerzmittelfehlgebrauch

Entstehung
Bei langjähriger Einnahme von (Kopf-)Schmerzmedikamenten ohne ärztliche Kontrolle besteht die Gefahr einer zunehmenden Dosissteigerung. So kann sich aus einer Migräne oder einem gelegentlich auftretenden Spannungskopfschmerz ein Dauerkopfschmerz durch den Medikamentenfehlgebrauch entwickeln. Die Patienten beschreiben diesen Kopfschmerz als diffus, drückend und pulsierend. Er besteht in der Regel bereits morgens beim Aufwachen. Die Kopfschmerzstärke ändert sich kaum im Laufe des Tages. Viele der Betroffenen jeden Tag Kopfschmerzen.
Da die Patienten die Ursache für den Dauerkopfschmerz nicht kennen, versuchen sie diesen mit Schmerzmitteln zu bekämpfen und verstärken dadurch den Teufelskreis. Oftmals werden auch schon ,,vorbeugend" Schmerzmittel eingenommen. Damit wird der nächsten Kopfschmerzanfall wiederum ausgelöst, obwohl die Patienten versucht haben ihn mit Medikamenten zu beherrschen. Medikamentenbedingte Kopfschmerzen treten bei Frauen 5- bis 10mal häufiger auf als bei Männern.
Es gibt einige Merkmale, bei denen Sie Verdacht auf schmerzmittelbedingten Kopfschmerz schöpfen sollten:

  • Mehr als 20 Kopfschmerztage im Monat.
  • Täglicher Kopfschmerz, der länger als 10 Stunden dauert.
  • Einnahme von Kopfschmerzmitteln an mehr als 20 Tagen pro Monat.
  • Regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln und/oder Migränemedikamenten.
  • Bevorzugte Einnahme von Schmerzmitteln mit mehr als einem Wirkstoff.
  • Zunahme der Stärke und Häufigkeit der Kopfschmerzen beim Absetzen der Medikamente.
  • Fehlender Zusammenhang zwischen ursprünglichen Kopfschmerzen und derzeitigen Kopfschmerzbeschwerden.

Wenn wir die Diagnose "Dauerkopfschmerz durch Schmerzmittelfehlgebrauch" aufgrund Ihrer Angaben und der Ergebnisse unserer Untersuchungen stellen, sind Sie als Patient in der Regel fassungslos. Sie haben ja mit der besten Absicht alles nur mögliche getan, um Ihren Kopfschmerz loszuwerden Viele verfahren auch nach dem Motto "viel hilft viel". Dadurch ist oft schwer für Sie, einzusehen, daß Ihre gutgemeinten Bemühungen, Ihre Schmerzen zu beseitigen, genau das Gegenteil bewirkt haben.

Therapie
Eine erfolgversprechende Behandlung ist nur möglich, wenn Sie den Zusammenhang zwischen Kopfschmerzen und den eingenommenen Mitteln verstehen. Der Begriff "Arzneimittelfehlgebrauch" beinhaltet auch, daß Sie auf keinen Fall das Schuldgefühl bekommen sollen. Nur so werden Sie überzeugt und motiviert bei der Behandlung mitmachen können.

Es gibt nur ein einziges zuverlässiges Mittel gegen diesen Typ von Kopfschmerzen: diese Schmerzmittel sofort und komplett abzusetzen. Sobald Sie den Zusammenhang zwischen Kopfschmerzen und den eingenommenen Präparaten klar erkannt und festgestellt haben, sollte das Absetzen bald erfolgen. Ein Hinausschieben erleichtert Ihnen die Situation nicht. In vielen Fällen ist dieser Entzug als ambulante Behandlung möglich. Die allerwichtigste Voraussetzung ist:

Sie sind von sich aus hochmotiviert, den Entzug durchzuführen und durchzustehen. Beim ambulanten Entzug werden die Schmerz- oder Migränemittel abrupt abgesetzt. Das heißt, Sie dürfen von heute auf morgen keines dieser Medikamente mehr nehmen. Wirklich keine einzige Tablette! So etwas läuft selbstverständlich nicht ohne Beschwerden ab. Wir sind aber in der Lage Ihnen zu helfen. Gegen Übelkeit und Erbrechen werden wir Ihnen entsprechende Medikamente verschreiben, die Sie bei Bedarf einsetzen. Bei sehr starken Kopfschmerzen, die in den ersten Tagen durchaus auftreten können, ist eine (ggf. tägliche) Infusionsbehandlung möglich. In vielen Fällen ist die entspannende Wirkung von Johanniskraut oder bestimmten Antidepressiva hilfreich. Schon mit Beginn der Entzugsbehandlung, werden wir - je nachdem, ob ursprünglich eine Migräne oder chronischer Spannungskopfschmerz bestand -; eine entsprechende vorbeugende Langzeitbehandlung einleiten. Ein "Schmerzbewältigungstraining", in dem Sie Lernen, ein neues Verhaltensrepertoire im Umgang mit den Schmerzen zu erzeugen, ist das "zweite Bein" jeder Entzugsbehandlung. Mißlingt trotz Ihrer hohen Motivation und Ihrer ernsthaften Bemühungen der ambulante Entzug, ist das kein Grund zu verzweifeln. Es besteht immer noch die Möglichkeit, den Entzug unter Aufsicht von Schmerztherapeuten stationär vorzunehmen. Schwierig kann es unter folgenden Voraussetzungen werden:

  • Der Dauerkopfschmerz durch Schmerzmittel besteht länger als 4 Jahre.
  • Die eingenommenen Präparate enthielten Coffein oder Kodein.
  • Es besteht eine zusätzliche Begleitdepression.

Wenn Ihnen jetzt bewußt geworden ist, daß nur durch Ihren konsequenten persönlichen Einsatz der Erfolg der Behandlungsmaßnahmen gewährleistet werden kann, dann hat diese Information ihr Ziel erreicht.