Rückenschmerzen

Einleitung

Fast 80% der Erwachsenen haben im Laufe ihres Lebens ein- oder mehrmals Schmerzen "im Kreuz". Somit stellen Rückenschmerzen daher nicht nur für Sie als Patient und für die behandelnden Ärzte ein großes Problem dar, sondern sie sind auch ein ganz wesentlicher Faktor für die Volksgesundheit. Hinsichtlich der Fehlzeiten am Arbeitsplatz stehen die Rückenschmerzen in Deutschland derzeit bei den Männern an erster und bei den Frauen an zweiter Stelle. Manche Menschen haben (auch wiederholt) kurzzeitige Rückenschmerzen. Der Volksmund spricht gern vom "Hexenschuß". Viele Menschen haben aber ständig Rückenschmerzen - d.h. chronische Rückenschmerzen. Dabei sind sehr häufig auch Personen im jüngeren bis mittleren Lebensalter (24 bis 35 Jahre) betroffen.

Über die wirklichen Ursachen von chronischen Rückenschmerzen und erst über die Gründe, warum diese immer häufiger auftreten, gibt es nur wenig gesicherte Erkenntnisse. Zu einem gewissen Anteil sind Bewegungsmangel und falsches Sitzen, sei es am Arbeitsplatz öder vor dem Fernseher als Ursachen anzusehen. Welchen Anteil verschleißbedingte Erkrankungen der Wirbelsäule wirklich haben, ist nach wie vor sehr unklar. Ganz erstaunlich aber sind neuere Erkenntnisse (vor allem aus den USA) wonach die chronische Unzufriedenheit am Arbeitsplatz eine der wichtigsten Ursachen für chronische Schmerzen im Bewegungsapparat d.h. auch für Rückenschmerzen sind.

Wie entstehen Schmerzen? - was bewirken Schmerzen? - wie verarbeiten wir Schmerzen?

Akute Schmerzen sollen jegliche schädliche Einwirkung von außen oder im Inneren des Körpers melden, um Schaden abzuwehren. Wenn auch immer unangenehm und oft quälend, sind die Schmerzen doch eine der "weisesten" Erfindungen der Natur. Sie sind das Frühwarnsystem des Körpers. Dadurch erfüllen die Schmerzen eine enorm wichtige biologische Aufgabe. Sie können sich leicht vorstellen, wie wehrlos wir unserer Umwelt ausgeliefert wären, wenn zum Beispiel unsere Haut aufhören würde, uns mit Meldungen zu versorgen. Wenn wir Verbrennungen, Unterkühlung, Stiche, Schläge einfach nicht mehr wahrnehmen würden. Überall im Körper z.B. an der Körperoberfläche, das heißt in der Haut, und im Inneren des Körpers, wie am gesamten Bewegungsapparat (Knochen, Gelenke und Muskeln) und an den inneren Organen (Herz, Lunge, Magen, Darm, Harnblase), befinden sich besondere "Fühler" des Nervensystems, die Schmerzsensoren. Ihre Aufgabe ist es, gewebeschädigende Reize zu erfühlen und die Meldung weiterzuleiten. Von den Schmerzsensoren werden die Reize über Nervenfasern zum Rückenmark und durch das Rückenmark weiter zum Gehirn geleitet. Erst im Gehirn erfolgt die bewußte Wahrnehmung des Schmerzereignisses. Schädigungsort und Schädigung werden erkannt. Zum Beispiel nach einem Schlag mit einem Hammer auf den Daumen oder bei einem Krampf im Bein wird über die Art der Abwehrreaktion entschieden und die Information zum ausführenden Organ - zum Beispiel an die Muskeln - weitergeleitet. Dieser Weg der Verarbeitung des Schmerzes ist für manche Schädigungsarten, wie zum Beispiel Verbrennungen, die eine sofortige Abwehrreaktion verlangen, viel zu langsam. In diesen Fällen wird ein anderer Mechanismus in Gang gesetzt. Schon auf der Ebene des Rückenmarks, der ersten Schaltstelle der Reizleitung, erfolgt die unmittelbare Reaktion auf den Schmerzreiz. Die Muskeln werden in Bewegung gesetzt und die Hand oder der Fuß aus der Gefahrenzone entfernt, noch bevor das Schmerzereignis in der Großhirnrinde wahrgenommen und eine Entscheidung über die Art der Abwehrreaktion getroffen wird. Diese unmittelbare Reaktion auf einen Schmerzreiz ist der Schmerzreflex.

Schädigungsort Beispiele von Reizen, die von den Sensoren aufgenommen werden
Haut Mechanische Reize: Druck, Stich, Hitzereize: 43 bis 45° C
Knochen, Gelenke Überbeanspruchung, Überdehnung
Muskeln Krampfartiges Zusammenziehen, Sauerstoffmangel ("Muskelkater")
Herz Sauerstoffmangel ("Angina pectoris")
Darm, Harnblase Wanddehnung, zu Beispiel bei Blähungen beziehungsweise Überfüllung
Tabelle 1: Auf welche Reize reagieren Schmerzsensoren

Auf dem Weg zum Großhirn beeinflußt der Schmerzreiz die Steuerungszentren für Blutkreislauf und Atmung, die im Hirnstamm angesiedelt sind. Starke und ausgedehnte Schmerzreize führen zu einem höheren Blutdruck und zu erhöhter Atemtätigkeit. Schmerzreize führen auch zu erhöhter Aufmerksamkeit mit dem Ziel, weitere schmerzauslösende Aktivitäten oder Verhaltensweisen zu vermeiden. Dieses Verhalten des Körpers wird auch als Schonhaltung bezeichnet. Schmerzreize beeinflussen auch die hormonelle Regulation und die Bereiche des Gehirns, die für die Stimmungslage zuständig sind. Durch diese Verbindung gewinnt der Schmerzreiz Anschluß an unsere Gefühlswelt. Schmerz und Gemüt können sich gegenseitig beeinflussen. Unsere Grundstimmung wird durch Schmerzreize gedrückt, insbesondere wenn es sich um dauerhafte oder oft wiederkehrende, zum Beispiel chronische Rückenschmerzen handelt. Das Schmerzereignis wird vor dem Hintergrund bisheriger Erfahrungen (Gedächtnis) und im Hinblick auf unsere Erwartungen bewertet. In diese Bewertung fließt auch die emotionale Gesamtsituation ein, unter der der Schmerz zum "Leiden" werden kann. So führt auch ständiger Streß am Arbeitsplatz oder familiärer Ärger zu einer verstärkten Empfindung des Schmerzes.

Bei dem "Erleben" von Schmerz ist das gesamte Nervensystem (und damit der ganze MENSCH) beteiligt. An allen Schaltstellen der Schmerzleitung vom Rückenmark bis zum Großhirn gibt es aber auch körpereigene Hemmsysteme. Ihr Ziel ist, "überschießende" Reaktionen des Körpers zu vermeiden, indem sie die Empfindlichkeit und die Reaktionsbereitschaft der schmerzleitenden Nervenverbindungen herabsetzen. Das körpereigene schmerzlindernde System produziert Substanzen, die dem starken Schmerzmittel Morphin ähnlich sind. Man nennt diese Stoffe Endorphine. Ein Mangel an Endorphinen oder eine nachlassende Wirksamkeit dieser Stoffe führt zu einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit und kann das Entstehen chronischer Schmerzen begünstigen.

Schmerzursachen bei Rückenschmerzen

1. Entzündungen
Häufig treten Schmerzen im Zusammenhang mit Entzündungen auf. Ursachen von Entzündungen können Verletzungen oder Infektionen, aber auch Störungen des körpereigenen Abwehrsystems, des Immunsystems, sein. Weiterhin können Umbauvorgänge an der Wirbelsäule oder den Gelenken (Arthrose) Entzündungen verursachen, die durch verschleißbedingte Veränderungen in Gang gesetzt werden. Bei Entzündungen werden durch eine Vielzahl von Reaktionen des körpereigenen Abwehrsystems chemische Stoffe freigesetzt. Man nennt diese Stoffe Entzündungsmediatoren (Botenstoffe). Sie halten die Entzündung in Gang und verstärken sie. Viele dieser Botenstoffe (Prostaglandine, Leukotriene, Zytokine) setzen die Erregungsschwelle der Schmerzsensoren herab. Dadurch können auch schwächere Reize diese Schwelle überwinden und werden als Schmerzreize registriert. Es kommt zu einer Schmerzsensibilisierung. Viele Schmerzmittel, wie die Azetylsalizylsäure und die ähnlich wirkenden kortisonfreien Rheumamittel, sind deswegen schmerzlindernd, weil sie die Entstehung dieser Botenstoffe, insbesondere der Prostaglandine, hemmen. So wird die Schmerzschwelle wieder angehoben und die Sensibilisierung der Schmerzsensoren nimmt ab. Der Schmerz wird gelindert.

2. Nervenschädigungen
"Nervenschmerzen" (sog. neuropathische Schmerzen) entstehen durch direkte Schädigung von Nerven, die außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks verlaufen, den sogenannten peripheren Nerven. Solche Schädigungen können zum Beispiel durch Druck (wie bei einem Bandscheibenvorfall) entstehen. Wird eine Nervenfaser beschädigt, so können an der Schadenstelle mechanische oder chemische Reize, die normalerweise keine Erregung der Nerven auslösen, eine Reizleitung aktivieren. Aufgrund der "fremden" Reize werden falsche Informationen über die Nerven fortgeleitet. Die Fehlinformationen können zu Fehlbewertungen und dadurch zu unnatürlichen Empfindungen und Schmerzen führen.

3. Muskelverspannungen
Störungen der Muskelfunktion können Schmerzen verursachen. Diese Schmerzen entstehen teils durch örtlich begrenzte Beeinträchtigungen der Blutversorgung in den Muskeln (Muskelverhärtungen), teils durch Störungen in der Steuerung der Muskelaktivität.
Beide Ursachen können zu einer vorübergehend oder dauerhaft erhöhten Muskelanspannung führen, die schmerzhaft ist. Schmerzhafte Muskelanspannungen treten insbesondere in den Haltemuskeln der Wirbelsäule auf. Sie sind auf eine gesteigerte Reizaktivität der für das Anspannen der Muskeln zuständigen Nerven zurückzuführen. Nicht selten sind angelernte Fehlhaltungen, zum Beispiel falsches Sitzen am Arbeitsplatz oder beruflicher Streß, dafür verantwortlich. Eine lang anhaltende oder zeitlich begrenzte starke Muskelanspannung kann zu einer Erregung der Schmerzsensoren sowohl im Muskel als auch in den benachbarten Sehnen und Gelenken führen. Zusätzlich kommt es dabei durch den Druck auf die Versorgungsgefäße auch zu Sauerstoffmangel in den betroffenen Muskeln. Als Folge davon entstehen Stoffwechselprodukte, die zur Verstärkung des Schmerzes führen können. Muskelspannung und Muskelschmerz können sich gegenseitig im Sinne eines "Teufelskreises" verstärken. Die Dauererregung der Nervenfasern, die einen Muskel versorgen, führt zur verstärkten Muskelanspannung. Diese wiederum erhöht den Erregungszustand der Schmerzsensoren in dem betroffenen Muskel, den angrenzenden Sehnenansätzen und den dazugehörigen Gelenken.
Wie bereits am Beispiel des Muskelreflexes beschrieben, erzeugt der erhöhte Reizzustand dieser Sensoren eine direkte, von der willentlichen Entscheidung abgekoppelte Muskelantwort auf der Ebene des Rückenmarks. Die Folge ist eine zusätzliche Anspannung, die den "Teufelskreis" eines sich selbst unterhaltenden Muskelschmerzes schließt. Alle therapeutischen Ansätze, die in einem späteren Kapitel besprochen werden, haben das Ziel diesen "Teufelskreis" zu durchbrechen.

4. Streß, Angst, Schmerz
Auch Streß, Angst und psychische "Anspannung" [zum Beispiel die oben erwähnte chronische Unzufriedenheit am Arbeitsplatz] können Muskelschmerzen auslösen. In Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, daß emotionaler Streß eine deutliche Aktivitätssteigerung und Spannungserhöhung der Rückenmuskulatur verursacht. Etwa 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung leiden an Rückenschmerzen. Jährlich erkranken in den westlichen Industrieländern 15 bis 25 Prozent der Bevölkerung neu an Rückenschmerzen. Der Beginn der Beschwerden liegt meist im jüngeren bis mittleren Lebensalter (24 bis 35 Jahre); Frauen und Männer sind gleichermaßen betroffen. Bei etwa 70 Prozent der Patienten kommt es zu wiederholten Rückenschmerzenepisoden. Im Verlauf der Erkrankung dauern die Schmerzattacken länger, und die Stärke nimmt zu. Diese wenigen Zahlen zeigen schon die große Bedeutung der Erkrankung, die mit Rückenschmerzen einher gehen, für die Volksgesundheit auf. Häufig führen sie auch zur dauerhaften Arbeitsunfähigkeit.

Diagnose von Rückenschmerzen

Ziel aller Untersuchungen ist es, die Ursache der Erkrankung zu erkennen, um eine effektive Behandlung zu beginnen. Zunächst haben wir viele Fragen an Sie. Beginn und Auftreten der Rückenschmerzen, Schmerzort, Schmerzqualität und so weiter. Wie Sie aus Tabelle 2 ersehen können, gibt allein die Beantwortung dieser Fragen oft Aufschluß über die Ursache der Rückenschmerzen. Wir fragen Sie aber auch, ob Sie großen körperlichen oder psychischen Belastungen ausgesetzt sind.

Schmerzort Schmerzqualität Schmerzverstärkung Schmerzlinderung wahrscheinliche Ursache
Ein- oder beidseitig, Rücken, Gesäß, Hinterseite der Oberschenkel
Gelegentlich: in der Leiste
Selten: Unterschenkel und Fuß
Dumpf, tiefsitzend, schlecht örtlich einzuordnen, Ausstrahlung möglich; Anlaufschwierigkeiten morgens Lagewechsel, lange eintönige Haltungen, Sitzen, Stehen, im Liegen beim nächtlichen Umdrehen Bewegung Nicht von einer Nervenwurzel ausgehend
Ausstrahlung ins Bein; Schmerzen im Bein stärker als im Rücken Stechend, ziehend, mit Empfindungsstörungen verbunden Bewegung, besonders ungünstig ist das Sitzen Liegen, insbesondere im Stufenbett Von einer Nervenwurzel ausgehend -Bandscheibenschaden
Uneinheitlich Uneinheitlich Zunehmende Schmerzen, teils Taubheitsgefühl und Muskelschwäche nach kurzer Gehstrecke Vorbeugung des Oberkörpers Von einer Nervenwurzel ausgehend 
-knöcherne Einengung des Nervenkanals
Tabelle 2: Der Schmerzcharakter

Nach einem ausführlichen Gespräch über Krankengeschichte werden wir Sie körperlich untersuchen. Wir sehen uns die Haltung die Form Ihrer Wirbelsäule an und suchen nach Schmerz- und Druckpunkten im Rücken. Schließlich prüfen wir die Funktion der Wirbelsäule. Dabei wird die Beweglichkeit der Wirbelsäule untersucht und der Kniescheiben- und Achillessehnenreflexe geprüft. In den meisten Fällen reichen die Krankengeschichte und die klinische Untersuchung aus, die Ursache der Rückenschmerzen zu erkennen und die Behandlungsstrategie festzulegen. In einigen Fällen wird es notwendig sein, Röntgenbilder gezielt anzufertigen (bzw. kürzlich angefertigte Röntgenbilder selbst zu sehen), insbesondere, um andere Ursachen auszuschließen. Laboruntersuchungen sind in den meisten Fällen nicht erforderlich.

Formen von Rückenschmerzen

Die häufigsten Formen von Rückenschmerzen sind:

  • Rückenschmerzen ohne Nervenwurzelreizung
  • Rückenschmerzen mit Nervenwurzelreizung durch
    - Bandscheibenschäden oder
    - knöcherne Einengung des Nervenkanals.

Weitere mögliche Ursachen für Rückenschmerzen sind Erkrankungen des Darmbein-Kreuzbein-Gelenkes und Muskelverspannungen bei unterschiedlicher Beinlänge.

1. Rückenschmerzen ohne Nervenwurzelreizung
Den Hauptanteil der Rückenleiden machen die Beschwerden aus, die nicht von einer Nervenwurzel ausgehen. Wir sprechen dann von funktionellen Störungen. Die Ursachen liegen in Beeinträchtigungen des komplizierten Zusammenspiels von Bandscheiben und Wirbelgelenken sowie den Muskeln und Bändern, die den Halte- und Stützapparat der Wirbelsäule darstellen.
Eine Verminderung des Flüssigkeitsgehalts der Bandscheibe, wie sie mit der normalen Alterung immer auftritt, ist häufig mit einem Verlust der Zwischenwirbelräume verbunden. Dieser beeinflußt aber auch die übrigen Teile der "Wirbelsäule". Die Folge ist oft der Verlust der Stabilität der kleinen Wirbelgelenke. Dieser Stabilitätsverlust muß durch verstärkte Muskelarbeit ausgeglichen werden und kann bei Dauerbelastung zu schmerzhaften Muskelverspannungen führen. Der schon erwähnte Reflexkreis bewirkt dann eine Verstärkung und Selbsterhaltung der Muskelschmerzen. Dadurch wird der Grundstein für den chronischen Verlauf der Rückenschmerzen gelegt. Alle Behandlungsansätze haben das Ziel, dem entgegenzuwirken. Die am häufigsten betroffene Stelle der Wirbelsäule ist die Halswirbelsäule. Der Schmerz wird nicht zwangsläufig nur im Nacken selbst empfunden. Er kann über das ganze Gebiet der Nackenmuskeln auftreten. Von dort strahlt er üblicherweise über die Schulterblätter bis zur Schulterspitze aus. Bei einigen Patienten verursacht die Muskelverspannung Schmerzen, die sich bis zum Oberarm oder sogar bis zum Hinterkopf ausdehnen. Hals- oder Schulterbewegungen, insbesondere Dehnungen oder Drehung des Halses und Drehbewegungen der Schulter können schmerzhaft sein, wodurch die Beweglichkeit eingeschränkt wird. Diese Bewegungen sind oft von knackenden Geräuschen begleitet.
In den betroffenen Muskeln bilden sich oft schmerzhafte Knoten unterschiedlicher Größe. Die tiefer liegenden Muskeln sowie die Muskeln entlang des Rückgrats sind beim Betasten schmerzempfindlich.

Behandlungsmöglichkeiten
1. Dehnung
Die Behandlung solcher Rückenschmerzen ist immer konservativ, das heißt, es sind keine chirurgischen Eingriffe erforderlich. An erster Stelle stehen physiotherapeutische Maßnahmen. Leichte Halsdehnung mit Hilfe einer genau bemessenen Halskrause bringt in der Regel sofortige Linderung. Der Hals wird dabei gerade oder leicht nach vorne geneigt gehalten. Im Bedarfsfall wird eine Dehnung mit Gewichten durchgeführt.

2. Wärme
Schmerz und Muskelkrampf werden durch jede Art von Wärmeanwendung gelindert. Am häufigsten wird ein elektrisches Wärmekissen eingesetzt, das Nacken und Schultern bedeckt. Regelmäßige Anwendung und Vermeidung von Kälte nach der Wärmebehandlung sind dabei erforderlich. 3. Profilkissen
Sie sollten lernen, Aktivitäten zu vermeiden die eine extreme Position des Nackens verlangen. Ein Profilkissen, das überall im Handel erhältlich ist, hindert den Nacken daran, im Schlaf oder beim Ausruhen extreme Positionen nach vorn oder nach hinten einzunehmen. Oft kann es ohne weitere Behandlungsmaßnahmen Linderung bringen.

4. Manuelle Therapie
Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule können zu Blockierungen, das heißt Bewegungseinschränkungen der kleinen Gelenke der Wirbelsäule führen. Ziel der sogenannten manuellen Therapie an der Wirbelsäule ist es, diese Blockierungen zu beseitigen. Spezielle Handgriffe können die Blockierungen lösen und die Beweglichkeit wiederherstellen. In der manuellen Therapie unterscheidet man die Chirotherapie, die nur von einem dazu ausgebildeten Facharzt durchgeführt werden darf, Die Manipulationen werden in erster Linie bei akuten Rückenschmerzen (innerhalb der ersten sechs Wochen) eingesetzt. Andere "sanftere" manualtherapeutische Methoden, wie z.B. nach dem Maitland-Konzept (australischer Physiotherapeut; s. auch http://www.dvmt-maitlandkonzept.de) sind bei chronischen Rückenschmerzen ausgesprochen wirkungsvoll. Wobei diese Behandlung natürlich auch ihre Zeit braucht.
Wichtig ist immer: alle physiotherapeutischen Maßnahmen dürfen nur so eingesetzt werden, daß sie keine zusätzlichen Schmerzen machen, sonst kommt es zu einer reflektorischen Anspannung der Muskeln, die den schmerzhaften Zustand eher verschlimmert.

5. Medikamente
Eine medikamentöse Behandlung wird nur zur Unterstützung der Physiotherapie eingesetzt. Leichte Schmerzmittel wie Paracetamol oder Azetylsalizylsäure bringen in der Regel rasche Schmerzlinderung und tragen zur Entspannung der Muskulatur bei. Muskelentspannende Mittel können die Beseitigung der Muskelkrämpfe beschleunigen. Da diese Mittel auch eine beruhigende Wirkung haben, werden sie üblicherweise abends eingenommen und verbessern zusätzlich die Schlafqualität.

6. Vorbeugung
Zur Vorbeugung weiterer Schmerzepisoden dienen die gleichen Verhaltensregeln wie zu Anfang der Behandlung. Der Patient muß seine Aktivitäten der eingeschränkten Beweglichkeit der Wirbelsäule anpassen. Jede Überbeanspruchung, ob es sich um Biegung, Dehnung oder Streckung handelt, soll vermieden werden, um den "Teufelskreis" von Schmerz-Spannung-Schmerz nicht in Gang zu setzen. Regelmäßige Bewegung und Entspannungsübungen sowie Kräftigung der Muskulatur (zum Beispiel bei Rückenschmerzen) können die Häufigkeit der Schmerzepisoden herabsetzen.

2. Rückenschmerzen durch Bandscheibenvorfall
Die einzelnen Wirbel der Wirbelsäule werden durch die Bandscheiben sowohl knöchern voneinander getrennt als auch elastisch miteinander verbunden. Eine Bandscheibe besteht aus einem äußeren, durch Bindegewebefäden verstärkten Knorpelring und einem gallertartigen inneren Kern. Sinn dieser Konstruktion ist eine elastische Verbindung der Wirbel miteinander, die gleichzeitig eine Stoßdämpferfunktion ausüben kann. Die anhaltende Druckbelastung durch den aufrechten Gang und der verlangsamte Stoffaustausch in den Bandscheiben durch Bewegungsmangel sind die Hauptursachen für das frühzeitige Auftreten von Verschleißerscheinungen. Die Bandscheibe verliert langsam ihre Elastizität. Rißbildungen und Zermürbungserscheinungen am Knorpelring sind die Folge des Verschleißes. Durch den Druck des gallertartigen Kerns kommt es zu Vorwölbungen des Knorpelrings oder sogar zu Brüchen, durch die der Gallertkern nach außen quillt. Diese Massenverschiebungen können die Nervenwurzeln schädigen und zu nachfolgenden entzündlichen Prozessen führen. Die Neigung zum Bandscheibenvorfall besteht hauptsächlich im mittleren Lebensabschnitt. In diesem Alter ist der Wassergehalt und der Quelldruck des Gallertkerns noch gut erhalten, aber der Knorpelring kann bereits spröde und rissig geworden sein. Nach dem sechzigsten Lebensjahr sind die Bandscheiben soweit ausgetrocknet, daß sich das Gewebe verfestigt und keine Neigung zur Verlagerung mehr zeigt. In diesem Altersabschnitt kommt es eher zur Einengung des Nervenwurzelkanals durch knöcherne Verwachsungen an den Wirbelkanten und Wirbelgelenken. Die Beschwerden sind unterschiedlich je nach der Stelle des Bandscheibenvorfalls Es entstehen Schmerzen, Empfindlichkeitsstörungen und Muskelfunktionsstörungen im gesamten Körpergebiet, das von der betroffenen Nervenwurzel versorgt wird. Typisch ist, daß der Schmerz in diesem Bereich stärker ist als im Rücken. Der Schmerz kann abrupt beginnen und sehr stark sein oder aber einschleichend und mit langsam wachsender Intensität erscheinen. Der Schmerz verstärkt sich durch Bewegung, Husten, Lachen, beim Stuhlgang sowie im Sitzen. Bei einem Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelbereich führt das Anheben des gestreckten Beins zu Rückenschmerzen. Wenn der Bandscheibenvorfall nicht seitlich einen Nervenwurzelkanals, sondern, nach hinten gerichtet, den Rückenmarkkanal einengt, können die Beschwerden dramatischer sein. Druck auf den Nackenabschnitt des Rückenmarks kann Lähmungserscheinungen in den Beinen verursachen, Druck auf den Endabschnitt Harnverhaltung oder unfreiwilligen Harnabgang verursachen. Solche Befunde signalisieren eine Situation, die sofortiger Behandlung und engmaschiger Überwachung bedarf.

Behandlungsmöglichkeiten
1. Stufenbett
Bei der ersten Rückenschmerzattacke, die durch einen Bandscheibenvorfall verursacht wurde, wird eine konservative (das heißt nicht chirurgische) Behandlung durchgeführt. Wenn überhaupt ist eine 15tägige Bettruhe: auf dem Rücken liegend, möglichst auf harter Matratze, in den meisten Fällen ausreichend, um kleine Vorwölbungen und Risse des Knorpelrings der Bandscheibe zum Heilen zu bringen. Sehr reich ist die Hochlagerung der Unterschenkel Beispiel auf einem Schaumstoffwürfel, der im Handel erhältlich ist (Stufenbett).

Aber nicht jeder akute Bandscheibenvorfall muß mit Bettruhe behandelt werden!

  • Verringerung des inneren Drucks der Bandscheibe.
  • Erweiterung der Zwischenwirbellöcher
  • Entspannung der Wirbelgelenkkapseln.
  • Abflachung der rückseitigen Bandscheibenvorwölbung.
  • Erweiterung des Wirbelkanals.
  • Entspannung des Ischiasnervs.
  • Entlastung der Kreuzdarmbeingelenke.

Tabelle 3: Wirkungen der Stufenlagerung.

2. Krankengymnastik
Schon nach wenigen Tagen und sobald die akuten Beschwerden abgeklungen sind, wird mit der Krankengymnastik angefangen. Ziel der krankengymnastischen Übungen ist, die normale Stellung der Wirbelkörper zueinander d.h. auch der kleinen Wirbelgelenke wieder herzustellen. Oftmals ist dazu auch ein Training der Muskeln erforderlich, die einzelnen Wirbelkörper untereinander stabilisieren. Diese Krankengymnastik muß auch nach Ende der Bettruhe fortgesetzt werden, die erreichte Wirkung zu stabilisieren.

3. Wärme
Als wohltuend und schmerzlindernd werden in der akuten Phase alle Formen der Wärme (Heizkissen, Fangopackungen, Wärmflasche) empfunden. Falls unter der Wärmeanwendung statt einer Linderung wieder Schmerzen auftreten, muß die Diagnose nochmals überprüft werden. Im Bereich der Lendenwirbelsäule kann in einigen Fällen ein Stützkorsett Erleichterung bringen. Diese Maßnahme darf aber nur unter zwei Voraussetzungen erfolgen: Erstens muß die Indikation fachärztlich und kritisch überprüft und zweitens müssen gleichzeitig muskelkräftigende Übungen im Rahmen der Krankengymnastik verordnet werden. Sonst führt die passive Unterstützung der Lendenwirbelsäule zur Abschwächung der Muskulatur und begünstigt Rückfälle.

4. Medikamente
Die medikamentöse Behandlung hat nur die Aufgabe, die Beschwerden zu lindern und die physiotherapeutischen Maßnahmen zu unterstützen. Medikamente, die die Grunderkrankung beseitigen können, gibt es nicht. Zunächst werden leichte Schmerzmittel wie Paracetamol, Ibuprofen etc. und - bei starkem seelischen Druck - leichte Beruhigungsmittel verordnet. Sie sollen Ihnen helfen, die lange Bettruhe leichter zu ertragen. Da die meisten dieser Mittel Magenbeschwerden verursachen können, werden wir die für Sie verträglichsten auswählen und die Dosis nach dem Motto bemessen:

So viel wie notwendig, so wenig wie möglich!

Besondere Vorsicht ist bei Patienten im höheren Lebensalter geboten, weil bei Ihnen die Nebenwirkungen dieser Schmerzmittel häufiger und schwerwiegender sein können.
Solche Schmerzmittel werden in der Regel nur kurzfristig eingesetzt werden, und zwar nur so lange bis die akuten Beschwerden sich zurückgebildet haben. Jede längere Behandlung vergrößert die Gefahr von unerwünschten Nebenwirkungen. Viele dieser Schmerzmittel, besonders die retardierten Schmerzmittel, entfalten ihre Wirkung innerhalb von 30 bis 45 Minuten, wenn sie als Tablette eingenommen werden. Ihre Verabreichung in Form von Spritzen bringt deswegen keine Vorteile. Sie ist aber potentiell gefährlichen Nebenwirkungen behaftet.

5. Örtliche Betäubung/peridurale Injektionen
Die konservative Therapie kann auch durch gezielte örtliche Spritzenbehandlung (z. B. Injektionen in den Periduralraum) ergänzt werden. Eingesetzt werden dabei örtlich betäubende Medikamente und Schmerzmittel, in einige Fällen auch in Kombination mit Kortison. Die schmerzlindernde Wirkung solcher Injektionen hält oft mehrere Wochen an.

6. Operative Verfahren
Erst wenn die Beschwerden des Patienten auch nach dieser Behandlung bzw. der Behandlung in einer Klinik weiterbestehen und die neurologische Untersuchung entsprechende Symptome zeigt, muß eine Operation in Betracht gezogen werden. Welches Operationsverfahren notwendig ist, hängt vom Zustand des Knorpelrings der Bandscheibe ab. Ist der Ring noch geschlossen, auch wenn nur die äußeren Schichten erhalten sind (Vorfall 1. bis 3. Grades), kommen schonende Verfahren in Frage. Der Gallertkern der Bandscheibe wird durch die Haut, ohne sie zu öffnen, abgetragen oder durch ein Spezialferment aufgelöst und anschließend abgesaugt. Wenn der Bandscheibenring durchbrochen ist, Bruchstücke auf die Wurzel drücken und entsprechende neurologische Symptome vorhanden sind, ist eine offene Operation erforderlich. Diese Operation wird heute in der Mehrzahl der Fälle mit mikrochirurgischen Operationsmethoden durchgeführt. Sie haben den Vorteil, den Patienten weniger zu belasten und nur selten Komplikationen verursachen.

Vorbeugung von Rückenschmerzen

Nach erfolgreicher Behandlung der Rückenschmerzen sind Maßnahmen erforderlich, um Rückfälle zu vermeiden, oder mindestens ihre Häufigkeit zu verringern und die Stärke der Rückenschmerzen zu vermindern.

Günstig Ungünstig
Regelmäßige körperliche Bewegung; Zu langes Stehen und Sitzen
Fahrradfahren, Rückenschwimmen, Skilanglauf, Wandern; Tennis, Squash, Reiten, Kegeln, Skiabfahrtslauf
Rückenkurse Wirbelsäulenbelastung durch extreme Drehbewegungen;
Verhaltensorientierte Maßnahmen: Rücken gerade halten, beim Bücken in die Hocke gehen, keine schweren Gegenstände heben, Lasten verteilen und dicht am Körper halten; Übergewicht
  Rauchen (Bandscheibenvorfall bei Rauchern dreimal häufiger)
Ergonomisch angepaßter Arbeitsplatz (zum Beispiel richtige Tischhöhe, keilförmiges Sitzkissen und so weiter); Schlechte körperliche Kondition
Erlernen von Entspannungstechniken (progressive Muskelrelaxation nach Jocobsen, Biofeedback oder Selbsthypnose) Monotone, als unangenehm erlebte Arbeit
  Arbeiten mit stark vibrierenden Maschinen (zum Beispiel Baumaschinen)
Tabelle 4: Allgemeine Maßnahmen zur Vorbeugung von Rückenschmerzen  

Allgemeine Maßnahmen
Die wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen bestehen in einer Anpassung der Lebensführung des Patienten an sein mehr oder weniger chronisches Leiden. Es gilt, alles, was sich ungünstig auf die Rückenschmerzen auswirkt, zu vermeiden und Verhaltensregeln zu folgen, die einen günstigen Einfluß haben. Hier kann Ihnen ein Schmerzbewältigungstraining helfen, die notwendigen Strategien zu entwickeln.