Der Schatz unter dem Ofen

Jüdisches Märchen

Vier Träume gehen in Erfüllung: Ein Morgentraum, ein Traum, der Traum selbst gedeutet wurde, ein Traum, der sich wiederholt hat, und ein Traum, den ein anderer über ihn träumte. (Brachoth 55) Einmal träumte der arme und bedürftige Rabbi Eisig ben Jekel aus Krakau, dass er nach Prag gehen und dort unter der Brücke, die zum Königspalast führt, graben soll, weil dort für ihn ein großer Schatz bewahrt sei.

Er ging zu Fuß in die böhmische Hauptstadt. Als er zur Brücke angelangt war, sah er dort einen Polizisten auf- und abgehen. In seiner Gegenwart fürchtete er, mit dem Graben zu be­ginnen. Als der Polizist ihn einige Tage auf derselben Stelle herumstreifen sah, hegte er Verdacht und fragte ihn nach dem Grund seines Verhaltens. Der Rabbi erzählte ihm seinen Traum. Da antwortete ihm der Polizist lachend: »Du bist also wegen eines Traumes einen so weiten Weg gegangen?! Das ist also das Los der Leute, die an Träume glauben. Wenn ich solchen Träumen Glauben schenken würde, müsste ich mich schon längst auf die Beine machen, weil mir in meinem Traum geraten wurde, nach der Stadt Krakau zu gehen, in das Haus eines Juden namens Eisig ben Jekel einzutreten, unter dem Ofen zu graben und dort einen teuren Schatz hervorzuholen. Eisig ben Jekel! Ist das eine genaue Angabe? Die eine Hälfte der Juden jener Stadt heißt Eisig und die andere Jekel. Ich hätte also alle Häuser jener Stadt niederreißen müssen.«

So sprach der Polizist und hörte nicht auf zu lachen. Als Eisig ben Jekel seine Worte gehört hatte, verabschiedete er sich von ihm und kehrte nach Hause zurück. Als er dort angelangt war, grub er eine tiefe Grube unter seinem Ofen und entdeckte darin einen wertvollen Schatz. Er baute aus diesen Mitteln eine Synagoge, die noch viele Jahre bestand unter dem Namen »Die Synagoge des Rabbi Eisig ben Jekel«. Und die Moral von der Geschichte? Suche dein Glück nicht in der Ferne. Du wirst es in deiner Stadt, in deinem Hause finden. (Erzählt von R. Simcha Bunim von Pschischa.)