Kurbads

aus Litauen/Lettland

Es war einmal ein Bauer, der hatte keine Kinder. Er selbst machte sich zwar nicht viel daraus, aber seine Frau grämte sich tagaus, tagein. Und als nach fast sieben Jahren ihr Mann starb, da hatte ihr Kummer kein Ende mehr. »Dass mein Mann tot ist«, klagte sie, »ist ja hart, doch das muss ertragen werden, hätte ich nur wenigstens ein Kindchen zum Hätscheln!« Eines Tages erfährt die Witwe, da sei in der Stadt ein armer Mann, dem es gar nicht gut gehe. Er würde deshalb eins seiner neun Kinder anderen Leuten gern in Pflege geben. Auf der Stelle lässt die Bäuerin anspannen und fährt zur Stadt. Aber was nicht werden soll, wird nicht: Der Mann hatte kurz zuvor sein Kind bereits weggegeben. »Verdammt!« ruft der Knecht, »so sind wir umsonst gefahren, Bäuerin.«

Die Bäuerin ist aber so betrübt, dass sie kein Wort der Erwiderung findet. Auf dem Heimweg, kurz bevor sie ihren Bauernhof erreicht haben, bemerken sie bei der Überfahrt über einen Fluss einen großen Fisch, der sich auf das Ufer schnellt. Er zappelt, als könne er nicht wieder zurück. Hurtig springt der Knecht vom Wagen und will den Fisch fangen, aber der gleitet zurück ins Wasser und sagt: »Die Bäuerin selbst soll kommen, dann werde ich mich fangen lassen.« Die Bäuerin geht hin, und wirklich, der Fisch springt wieder ans Ufer und sagt: »Hör zu, Bäuerin: Wenn du mich jetzt fängst und schlachtest, hernach kochst und verspeist, so wird dir die Glücksgöttin Laima einen Sohn bescheren. Nur sieh zu, dass sonst niemand auch nur einen Bissen von mir kostet.«

Die Bäuerin tut, wie ihr gesagt ist, und verbietet der Magd, von der Fischbrühe und dem Fisch zu kosten. Aber die Magd hat natürlich ihren eigenen Willen. Sie möchte doch zu gern wissen, ob der Fisch genügend Salz habe und ob wohl sonst die Bäuerin allemal komme, um am Kochlöffel zu lecken. Sie bricht sich mir nichts, dir nichts ein Stückchen vom Fisch ab - er schmeckt nicht übel, sie kostet von der Brühe - die schmeckt auch nicht übel; die Schuppen und die Eingeweide dagegen machen sich am Herdrand nicht schön, die wirft sie zur Tür hinaus auf den Kehricht. Dorthin tapst eine Stute, die den lieben langen Tag auf dem Hof nur ein paar Grashalme findet, und frisst die Schuppen mitsamt den Eingeweiden. Was soll man da sagen: Wer Hunger hat, dem werden auch Eingeweide zu Leckerbissen! Der Wirt ist tot, der Knecht zeigt sich den ganzen Tag nicht im Hause, da hat der Magen des armen Gauls Feiertag, er knurrt in einem fort. Aber was geschah in der nächsten Nacht: Da gebiert die Bäuerin einen Sohn, die Magd gebiert einen Sohn, und die Stute ebenfalls. Den Sohn der Stute nannten die Leute Kurbads [da, wo Hunger ist],

Die drei Knaben wuchsen zusammen auf, doch Kurbads übertraf die beiden anderen an Mut und Kühnheit. Seine Lieblingsnahrung waren Nusskerne, sein Lieblingsgetränk Stutenmilch und seine liebste Schlafstelle die Ofenbank. In seinem fünften Jahr wich Kurbads, wenn er durch den Wald hüpfte, kleineren Bäumen schon nicht mehr aus, im sechsten Jahr war ihm kein Baum zu groß, und in seinem siebten Jahr fürchtete er sich weder vor einem Wolf noch vor einem Bären. So gewann Kurbads mit den Jahren solche Riesenkräfte, dass ihm alle Hausarbeiten, selbst die schwersten, nur ein Spiel waren. Schweiß auf der Stirn wie andere Menschen kannte er noch gar nicht. Da kam es ihm in den Sinn, irgendein schwieriges Werk zu vollbringen, um wenigstens einmal den Schweiß von der Stirn trocknen zu müssen.

Eines Tages teilte der Starke seinen beiden Pflegebrüdern, dem Sohn der Bäuerin und dem Sohn der Magd, mit, dass er am Abend das neue Haus zu säubern beabsichtige. Dieses neue Wohngebäude hatte der verstorbene Bauer aufgeführt, und es hatte nur einen Fehler: Der Bauer gedachte so wie heute einzuziehen, aber der Böse war ihm schon gestern darin zuvorgekommen. Da war alles umsonst, wohnen konnte man nicht darin, und die bösen Geister vertreiben schon erst recht nicht. Die Pflegebrüder wandten zwar ein, dass sie zu dritt doch unmöglich vollbringen könnten, was das ganze Gesinde zusammen nicht fertig gebracht hätte, aber Kurbads erwiderte: »Wer gebraten und gesotten ist, kann nicht so klug werden wie der, der roh verzehrt ist.« Zuletzt fügten die Pflegebrüder sich und begleiteten ihn in das verhexte Haus.

Mit Einbruch der Dämmerung fingen das Ungeziefer in den Wandritzen und die Fliegen zu sprechen an: »Wollen wir doch mal sehen, ob die nicht wie die Spreu zerstieben werden, wenn unser dreiköpfiger Herr die Brücke überschritten hat.« Kurbads versteht die Unterhaltung, seine Pflegebrüder nicht. Vor Mitternacht sagte Kurbads zum Sohn der Magd: »Du bist der Schwächste unter uns, nimm dein Schwert und bewache die Flussbrücke. Dort wird ein dreiköpfiger Riese kommen, den lass bloß nicht herüber! Er ist von drei Riesen der schwächste, darum besorg du es ihm.«

Aber der Magdsohn erwiderte kurz angebunden: »Das geht mich nichts an, meinetwegen mag kommen, wer will.« »Nun, wenn du dich fürchtest, muss ich wohl selbst gehen. Über die Brücke darf er nicht herüber, sonst hat er die Macht in den Händen. Aber zur Sicherheit will ich hier aufs Fenster eine Waschschüssel stellen. Erscheint in ihr Milch, so geht es mir im Kampf gut. Zeigt sich aber Blut, dann eilt zu meiner Mutter, dass sie mir zu Hilfe kommt. Bleibt wach und denkt an meine Worte.«

Drauf gürtete sich Kurbads sein Schwert um, begab sich ans Flussufer, setzte sich vor der Brücke hin und wartete. Bis Mitternacht war alles still, nur die Frösche im Fluss, die Wildgänse in der Luft und die Schwalben unter der Brücke unterhielten sich miteinander. Die einen im Flusse riefen: »Kurbads, Kurbads«, die anderen in der Luft: »Er verscheucht ihn, scheucht ihn« und die dritten unter der Brücke: »Der große Riese hat drei Köpfe, alle weg.« Da, genau um Mitternacht, hört er, wie die Vorläufer des Riesen kommen: ein Hund mit ständigem Gebelfer, ein Habicht mit Gekreisch durch die Lüfte. Kurbads gürtet sich sein Schwert los, erhebt sich und hält es vor die Brücke. Da erdröhnt die Erde, und der dreiköpfige Riese erscheint, aber vor Kurbads' Schwert macht er halt wie vor einer Mauer. Wohl ruft der Riese: »Kurbads, du Hund, lass mich hinüber!«

Aber Kurbads rührt sich nicht vom Fleck weg und entgegnet: »Ich lass dich nicht.« Dreimal fordert der Riese seinen Gegner auf, zurückzutreten, doch da das alles nichts hilft, schreit er ihn wütend an: »Blas auf die Fläche, damit ich sehe, wie viel Geld du aus der Brückenhöhlung, meinem Geldkasten, hervorblasen kannst.« Kurbads bläst, und es gelingt ihm, ein volles Külmit [zwischen 12 und 24 Liter] Goldgeld hervorzublasen. Der Dreiköpfige dagegen kriegt nur ein halbes Külmit Kupfergeld heraus. Als der Riese das sieht, will er schon umkehren, aber Kurbads lässt ihn nicht, er soll ihm zuerst das Geld zusammensuchen. Der Riese weigert sich.

»Nun, wenn du dich weigerst, dann müssen wir es mit dem Schwert ausmachen.« Ja, das war ein Kampf! Die Brücke dröhnte, die Erde bebte, die Schwerter klirrten, und plitsch, platsch! sanken zuletzt des Riesen Häupter vom Rumpf.

In seiner Siegesfreude lebte Kurbads mit seinen Pflegebrüdern höchst vergnügt, bis der nächste Abend kam. Als die Dämmerung hereinbrach, ließen sie ihr Vergnügen beiseite und eilten ins Haus. Da sprachen das Ungeziefer in den Wandritzen und die Fliegen also: »Nun wart du nur, den Dreiköpfigen hast du wohl überstanden, aber wie wird es mit dem Sechsköpfigen gehen?« Kurbads vernimmt diese Unterhaltung, seine Pflegebrüder nicht. Vor Mitternacht sagte Kurbads zu dem Sohn der Bäuerin: »Geh du heute Nacht die Brücke hüten.«

Der jedoch fürchtete sich ebenso wie der andere und entgegnete: »Was geht es mich an, meinetwegen mag da kommen, wer da will.« »Nun ja, beide habt ihr Furcht, dann muss ich wieder selbst gehen. Über die Brücke darf er nicht kommen, sonst hat er die Macht in den Händen. Aber zur Sicherheit will ich hier aufs Fenster eine Waschschüssel stellen. Erscheint in ihr Milch, so geht es mir im Kampf gut. Zeigt sich aber Blut, dann eilt zu meiner Mutter, dass sie mir zu Hilfe kommt. Bleibt wach und denkt an meine Worte.«

Kurbads begibt sich ans Flussufer. Alles war still, nur die Frösche quaken: »Kurbads, Kurbads«, die Wildgänse schreien: »Er verscheucht ihn, scheucht ihn« und die Schwalben unter der Brücke zwitschern: »Der große Riese hat sechs Köpfe, alle weg.« Da, gerade um Mitternacht, hört er, wie die Vorläufer des Riesen kommen: ein Hund mit ständigem Gebelfer, ein Habicht mit Gekreisch durch die Lüfte. Kurbads erhebt sich und hält sein Schwert vor die Brücke. Da erscheint der sechsköpfige Riese, die Erde erdröhnt, aber der Weg ist ihm versperrt, das Schwert ist im Wege. Wohl brüllt der Riese:

»Kurbads, du Hund, lass mich hinüber!« Aber Kurbads rührt sich nicht vom Fleck weg und entgegnet: »Ich lass dich nicht, um keinen Preis.«

Dreimal fordert der Riese seinen Gegner auf zurückzutreten, doch da das alles nichts hilft, schreit er ihn wütend an: »Blas auf die Fläche, damit ich sehe, wie viel Geld du aus der Brückenhöhlung, meinem Geldkasten, hervorblasen kannst.« Kurbads bläst, und es gelingt ihm, ein volles Lof Goldgeld hervorzublasen. Der Sechsköpfige dagegen kriegt nur ein halbes Lof Kupfergeld heraus. Als der Riese das sieht, will er schon umkehren, aber Kurbads lässt ihn nicht, erst soll er ihm das Gold einsammeln. Der Riese tat es nicht. »Nun, wenn du mir nicht folgst, so müssen wir uns im Schwertkampf messen.«

Das war mal erst ein Kampf! Die Brücke dröhnte, die Erde bebte, die Schwerter klirrten, und plitsch, platsch! sanken zuletzt des Riesen Häupter vom Rumpf. Nun geht Kurbads wohlgemut nach Hause, legt sich aber sogleich zur Ruhe, um sich für den Kampf des folgenden Tages zu stärken. Am dritten Abend waren das Ungeziefer in den Wandritzen und die Fliegen in größter Unruhe, sie summten in einem fort: »Verdammter Kerl! Die beiden hat er überwunden, aber mag er, mit unserem Neunköpfigen wird so ein Wicht sich wohl hüten anzubinden.« Kurbads versteht auch wieder alles, seine Pflegebrüder jedoch nicht. Er stellt die Wasserschüssel ans Fenster, schärft den beiden aufs strengste ein, die Schüssel nicht aus den Augen zu lassen, und eilt zur Brücke. Alles ist ebenso still wie sonst, nur die Frösche quaken: »Kurbads, Kurbads«, die Wildgänse schreien: »Er verscheucht ihn, scheucht ihn« und die Schwalben unter der Brücke zwitschern: »Dem Neunköpfigen geht heute Nacht Kopf um Kopf futsch.«

Genau um Mitternacht hört er die Vorläufer des Riesen kommen: neun Hunde mit ständigem Gebelfer, neun Habichte mit Gekreisch durch die Luft. Kurbads tritt auf die Mitte der Brücke. Der Riese nähert sich und brüllt: »Kurbads, du Hund, lass mich hinüber!« Kurbads erwidert: »Was brüllst du, Traubenkopf, komm lieber kämpfen!«

Gesagt, getan. Kurbads schwingt sein Schwert mit aller Macht. Schon sinkt ein Kopf vom Rumpf, aber sogleich wachsen ans einer Stelle drei neue. Ein zweiter Kopf rollt nieder - drei wachsen an seiner Stelle. Ein dritter Kopf fällt - drei an seiner Stelle. Kurbads sieht, dass er so nicht zum Stich kommt, wirft sein Schwert fort und packt den Riesen mit bloßen Händen ans Genick. Doch der Riese stößt seinen Gegner mit dem ersten Griff bis zu den Knien in die Erde und ein zweites Mal bis zu den Achselhöhlen. Da sagte Kurbads: »Alle Kämpfer verschnaufen sich eine weile, wollen wir uns auch verschnaufen.« Gesagt, getan. Der Riese setzte sich und verschnaufte sich, Kurbads jedoch wartete nur in Sorgen auf die Hilfe seiner Mutter. Aber wie sollte diese wohl daran denken, ihm zu helfen, wenn die Brüder in ihrer Schlafsucht weder die Schüssel beachteten noch ihr eine Nachricht schickten? Er reißt sich also einen Schuh vom Kopf und schleudert ihn direkt in das Fenster des Hauses, wo die Brüder eingeschlafen sind. Diese erwachen und sehen: Die Schüssel ist voller Blut. Jetzt laufen sie wie gebrannt und bringen dem Pferd Nachricht, und dieses ist auch eins, zwei, drei Kurbads zu Hilfe geeilt. Jetzt ging es flink. Wenn der Sohn einen Kopf abgehauen hatte, so schlug die Mutter so kräftig mit den Hufen, dass die hellen Funken sprühten und die Schnittstelle ausbrannten, so dass ein neuer Kopf nicht wachsen konnte. Nach einer kleinen weile lag der Riese wie ein Klotz am Boden.

Nach dem Kampf ging Kurbads in das gesäuberte Haus, um sich auszuschlafen. Doch so bald wollte sich der Schlaf nicht einstellen, und der Schläfer hörte, wie das Ungeziefer in der Wandritze sich mit den Fliegen unterhielt: »So ein Unhold, unsere Männer hat er getötet. Nun meinetwegen, aber wir Frauen, die Hexen, werden uns schon an den Wichten rächen. Wenn sie morgen alle drei ihrer Wege gehen, wirst du, Frau des Dreiköpfigen, dich in ein Bett verwandeln. Dann wird den einen, sobald er das Bett bemerkt, eine solche Schläfrigkeit überkommen, dass er sich sofort hinlegen wird, und damit ist er natürlich in unseren Krallen. Du, das Weib des Sechsköpfigen, wirst dich in eine Quelle verwandeln, und der andere wird, sobald er die Quelle sieht, einen brennenden Durst verspüren und trinken, und dann ist er natürlich in unseren Krallen. Das Weib des Neunköpfigen aber wird bald die Gestalt eines Drachen, bald eines Hundsköpfigen annehmen und den starken Unhold überfallen, bis sie ihren Mann gerächt hat.« Am nächsten Morgen gab Kurbads das zusammengeblasene Geld den Müttern, damit sie reichlich zu leben hätten, dann machte er sich mit den beiden Pflegebrüdern auf den Weg. Am Wegrand entdeckten sie ein hübsches Bett. Den Sohn der Magd überkam eine solche Müdigkeit, dass er gar nicht zu halten war, und er wollte sich schlafen legen. Aber Kurbads ließ es nicht zu. Er gürtete sein Schwert los und zerhieb das Bett überkreuz. Anstelle des Bettes war nur eine Blutpfütze zu sehen, und die Müdigkeit war auch verschwunden. Während sie weitergingen, sahen sie eine klare Quelle. Der Sohn der Bäuerin verspürte einen so unheimlichen Durst, dass er mit Gewalt aus der Quelle trinken wollte. Kurbads ließ es jedoch nicht zu, gürtete sein Schwert erneut los und schlug überkreuz auf die Quelle. An ihrer Stelle war jetzt eine blutige Pfütze zu sehen, und der Durst war auch gleich verschwunden.

Nach dreitägiger Wanderung gelangten die Pflegebrüder in ein wildfremdes Land. Dessen Beherrscher hatte drei Töchter, die, während sie in der Badestube badeten, vom Teufel geraubt worden waren. Der König hatte versprochen, seine jüngste Tochter und das Reich demjenigen zu geben, der sie ihm wiederbrächte. Und was gab es Leichteres für unseren Kurbads: Er bot sogleich an, sie zu suchen. Die Pflegebrüder wollten sie in der weiten Welt suchen, aber Kurbads sagte: »Nein, wo sie verschwunden sind, da muss man mit der Suche beginnen: In der Badestube sind sie verschwunden, so fangen wir in der Badestube auch mit unserer Suche an.«

Am Abend nahm Kurbads eine Keule, ein Schwert, Grütze und einen Kessel. In der Badestube zündete er ein Feuer an und kochte die Grütze. Doch den Pflegebrüdern dauerte das Warten zu lange, sie schliefen ein. Um Mitternacht knarrte die Tür der Badestube. Ein Teufel schlich sich herein und streute Asche in die Grütze. Aber Kurbads packte den Unhold, zwängte ihn in die Tür und bearbeitete dessen Rücken mit seiner Keule. Der Teufel verlegte sich in seinem Schmerz auf Versprechungen: Er wollte ihm ein Pfeifchen geben, mit dem er zehn Erdgeisterchen aus der Erde rufen und sie jederlei Arbeit verrichten lassen könnte. Kurbads nahm das Pfeifchen, schlug aber von neuem darauf los, bis er sagen würde, wo er die drei jungen Frauen gelassen hätte.

Als der Teufel sah, dass es kein Entrinnen gab, gestand er endlich: »Dort, jenseits des Feldes ist ein Sumpf; mitten darin befindet sich auf einem Hügel ein gewaltiger Steinblock. Wälzt man ihn beiseite, so stößt man auf einen tiefen Schacht. Wenn man durch ihn in die Tiefe steigt, so gelangt man zu den Mädchen.«

Diese Auskunft genügte Kurbads. Er ließ den Teufel wieder frei, weckte seine Pflegebrüder und machte sich auf die Suche nach dem Sumpf. Ja, wahrhaftig! Jenseits des Feldes lag ein Sumpf, in seiner Mitte ein Hügel, und auf dem Hügel ein Steinblock so groß wie ein Heuschober. Kurbads bläst die Backen auf und wälzt den Stein in den Sumpf, dass es nur so klatscht. Aber was jetzt? Wie soll er durch das Loch in die Tiefe gelangen? Da kommt er auf den Einfall, auf seinem Pfeifchen zu blasen. Sowie er tüchtig hineinbläst, sind zehn Erdgeisterchen zur Hand, die nach seinen Befehlen fragen. »Ich befehle, dass ihr mir einen so langen Strick bringt, dass ich mit ihm auf den Grund dieses Schachtes gelange.« Sogleich erscheinen ein paar Erdgeisterchen mit dem Strick. Da band Kurbads den Sohn der Magd an den Strick und ließ ihn hinab. Aber der war kaum bis zur halben Tiefe gelangt, als er schon brüllte, man solle ihn hinaufziehen, er habe Angst. Ebenso ging es auch mit dem Sohn der Bäuerin. Nun ließ sich Kurbads selbst hinab. Aber damit seine Pflegebrüder nicht im nassen Sumpf zu liegen brauchten, befahl er den Erdgeistern, für sie ein Haus zu bauen und sie mit Speise und Trank zu versorgen. Im Nu waren die Balken zusammengefügt, die Dachsparren darüber gelegt, das Dach gedeckt und mitten drin ein Tisch hergerichtet. Die Erdgeister verschwanden, und Kurbads ließ sich mit seiner Keule in die Unterwelt hinab.

Auf halbem Wege stellte sich schon der Teufel seinem ehemaligen Gegner von der Badestube her entgegen und rief: »Komm nur, komm, ich will dich zerschmettern.« Aber Kurbads hatte kaum seine Keule erhoben, als der Teufel schon Lunte roch und verschwand. Endlich erreichte er mit seinem Strick den Grund und sah sich auf einer weiten Fläche. Am anderen Ende dieser Fläche erblickte er ein Haus, aus dem Rauch heraufstieg. Kurbads wandte sich dorthin und erreichte das Haus. Das war die Behausung des Teufels. Drinnen kochten gerade die Köche für ihn das Mittagessen. Als sie den Fremden sahen, fragten sie ihn ganz erschrocken: »O weh, wie bist du hierher geraten? Kommt unser Herr, so wird er dir mit einem Finger das Lebenslicht ausblasen.« »Geht, ihr Angsthasen, geht!« erwiderte Kurbads und ließ sich neben dem Kessel nieder. Indes überredeten ihn die Köche, sich lieber hinter dem Ofen zu verstecken, sonst könnte es ihnen selbst übel ergehen, weil sie einen Fremden hereingelassen hätten. Kurbads folgte ihrem Rat.

Bald darauf kehrte der Teufel wirklich heim und fing sofort an zu schnuppern und fragte, was das für ein fremder Geruch sei. Die Köche logen, es sei eben eine Krähe durchgeflogen. Damit beruhigte er sich auch und ging zum Kessel, um das Essen zu prüfen, ob es auch genug Salz habe. Sobald nun der Teufel seinen Kopf in den Kochkessel steckte, sprang Kurbads hinter dem Ofen hervor und hieb ihm mit seinem Schwert so über den Kopf, dass Kopf und Rumpf in den Kessel fielen. Während nun der Teufel schmorte, mussten die Köche von den verlorenen jungen Frauen berichten. Sie sagten, die eine lebe in einem silbernen Schloss und gehöre dem, den er soeben getötet habe. Die zweite lebe in einem goldenen Schloss und gehöre dem Dreiköpfigen. Die dritte und jüngste wohne in einem diamantenen Schloss und gehöre dem Sechsköpfigen. Sobald Kurbads das erfahren hatte, gürtete er sich sein Schwert um und begab sich zum silbernen Schloss. Dort kam ihm ein junges Mädchen entgegen, rang die Hände und sprach erstaunt: »O weh, Jüngling, wie bist du hierher geraten? Wenn mein Herr und Gebieter kommt, wird er dich mit dem kleinen Finger totschlagen.«

»Nun, nun, mein Kind, ob er denn wirklich so furchtbar ist? Ich will dir was sagen: Dein Herr ist schon tot, und ich komme, dich zu befreien.« Als das Mädchen das hörte, sank sie Kurbads zu Füßen und weinte vor Freude. Nun besah sich Kurbads das silberne Schloss, aß und trank und fragte dann das Mädchen nach ihren Schwestern aus. Sie gab ihm, so gut sie konnte, Auskunft und brachte zum Schluss ein eigentümliches Gefäß, das ihr Herr an jenem Morgen an dem Fenster vergessen hatte. Darin waren zweierlei Getränke: auf der rechten Seite das Kraftwasser, auf der linken Seite das Ohnmachtswasser. Trank man von dem Getränk zur Rechten, so gewann man ungeheure Kraft; trank man dagegen das zur Linken, so war die Kraft für ein volles Jahr dahin. Kurbads trank auf der rechten Seite und wurde dadurch so stark, dass er sich selbst wunderte.

In der Frühe des nächsten Tages begab sich Kurbads zur Wohnung des zweiten Teufels, des Dreiköpfigen, und tötete den auch. Jetzt waren bereits zwei Schwestern befreit. Am dritten Tage kam der Sechsköpfige an die Reihe. Doch hier sollte es Kurbads nicht ebenso glücken. Der Sechsköpfige hatte das Essen schon gekostet und verzehrt und begab sich soeben zur dritten Schwester in das diamantene Schloss. »Nun, das hat nichts zu sagen, ich will ihn dort schon kriegen«, brummte Kurbads und begab sich zum Schloss. Dort stand das Gefäß mit dem Trank auf dem Fenster, und der Sechsköpfige hielt seinen Mittagsschlaf, dass von seinem Schnarchen das Haus dröhnte. Kurbads drehte das Gefäß um: das Kraftwasser nach links, das Ohnmachtswasser nach rechts, und sah sich dann nach der jüngsten Schwester um. Er fand sie auch, eine schöne Frau, aber zu Tode betrübt. Als sie den Fremden erblickte, flüsterte sie verwundert: »O weh, Jüngling, wie bist du hierher geraten? Wenn mein Herr und Gebieter aufsteht, wird er dich mit seinem kleinen Finger zerschmettern.«

»Nun, nun, so stark wird er ja nicht sein. Weck ihn lieber auf, damit mein Schwert den Wicht in das Reich des Ungeziefers befördere. Dort ist für solch einen Schinder eine sanftere Ruhestätte als in einem diamantenen Schloss.« Während sie noch so sprachen, erwachte der Sechsköpfige, und indem er sich auf die andere Seite kehrte, krachte das Bett so laut, dass einem im dritten Zimmer die Ohren zufielen. Das Mädchen lief zum Sechsköpfigen hinein und beruhigte ihn, er solle doch schlafen. Aber er schnupperte und fragte, was das denn nur für ein fremder Geruch sei. Das Mädchen redete ihm ein, eine Maus sei soeben über die Diele gelaufen, er solle nur ruhig schlafen. Der Sechsköpfige glaubte es und schlief von neuem ein. Nun wartete Kurbads nicht länger. Er gürtete sich sein Schwert los, öffnete die Tür und führte einen so wuchtigen Hieb, dass drei Köpfe des Teufels sofort niedersanken. Blitzschnell sprang dieser auf und wollte den Krafttrank nehmen, trank aber stattdessen den Ohnmachtstrank.

Kurbads hieb ihm auch noch die übrigen drei Köpfe ab und schleifte den Rumpf mitsamt den Köpfen in eine Pfütze. Die jüngste Schwester fiel Kurbads um den Hals, vergoss Freudentränen und wusste nicht, wie sie ihm danken sollte. Aber Kurbads erklärte ihr kurz angebunden, er habe sie nicht befreit, um sich von ihr danken zu lassen, sondern nur, um die jüngste Schwester zur Frau zu erhalten und die beiden anderen seinen Pflegebrüdern zu geben, die auf der Oberwelt am Eingang des Schachtes zurückgeblieben seien. »Wohlan denn«, sagte die Jungfrau, »so wollen wir die Schwestern holen und mit ihnen zum Fest eilen, um in der Oberwelt Hochzeit zu halten. Denn das darfst du mir glauben: Sobald die Sippe des getöteten Teufels herausbekommen hat, was du mit unseren Herren gemacht hast, werden sie dich von allen Seiten wie Heuschrecken überfallen.«

»Gut, dann brechen wir sofort auf!« Vor dem Tor schaute Kurbads noch einmal nach dem diamantenen Schloss zurück. Das sah die jüngste Königstochter und fragte: »Was schaust du dich so verlangend um?«

»Wenn ich doch als Entgelt für meine Mühe dies diamantene Schloss mitnehmen könnte!« »Das können wir leicht machen. Nimm hier meinen Kranz und trag ihn dreimal rings um das Schloss, so wird es sich in ein diamantenes Ei verwandeln.«

Und so geschah es auch. Er nahm das diamantene Ei mit und eilte zur mittleren Schwester in das goldene Schloss. Vor dem Tor schaute Kurbads wieder zurück. Da fragte die mittlere Schwester: »Was schaust du dich denn so verlangend um?« »Wenn ich doch als Entgelt für meine Mühe dies goldene Schloss mitnehmen könnte.«

»Das können wir leicht machen. Nimm hier meinen Kranz und trag ihn dreimal um das goldene Schloss herum, so wird es sich in ein goldenes Ei verwandeln.« So geschah es. Nun eilten sie alle drei zum silbernen Schloss, zur dritten Schwester. Vor dem Tor blickte Kurbads wieder zurück. Da fragte ihn die älteste Schwester: »Was schaust du dich denn so verlangend um?«

»Wenn ich doch als Entgelt für meine Mühe auch dies silberne Schloss mitnehmen könnte.« »Das können wir leicht machen. Hier, nimm meinen Kranz und trag ihn dreimal um das silberne Schloss herum, so wird er sich in ein silbernes Ei verwandeln.«

So geschah es, und nun eilten alle vier zum Eingang zurück, um wieder auf die Oberwelt zu gelangen. Kurbads band die älteste Schwester an das Seil und zerrte an ihm, damit die Pflegebrüder sie hinaufzögen. Sie zogen erst die älteste Schwester empor, sodann die mittlere, dann die jüngste, und ließen soeben das Seil hinab, um auch Kurbads hinaufzuziehen — da kam die Frau des Riesen, eine Hexe in Gestalt eines Werwolfs, heran: Ritsch! war das Seil durchgerissen, ratsch! rollte es in die Unterwelt. Rutsch! wälzte sich der Felsblock aus dem Sumpf und verschloss die Öffnung. Zuletzt verschwand auch das von den Erdgeistern erbaute Häuschen, und die fünf konnten sich noch glücklich schätzen, dass sie selbst mit heiler Haut heimkehren konnten. Kurbads blieb also in der Unterwelt. Nichts zu machen, er musste seine Keule zur Hand nehmen, sein Schwert umgürten und auf einen Ausweg sinnen. Hätte er sich wenigstens an das Pfeifchen erinnert, das er von den Erdgeistern bekommen hatte, vielleicht hätten die ihm geholfen. Aber so geht es: Hat man seinen Verstand am nötigsten, so ist man wie vernagelt.

So wanderte er immer drauflos, bis er an ein Häuschen kam, vor dessen Tür ein blinder Greis mitten auf dem Hof sein Vieh weiden ließ. »Weshalb lässt du denn dein Vieh hier auf dem Hof darben, während doch ganz in der Nähe die fettesten Weiden sind?« »Ja, das wäre schon recht, aber die Wiesen gehören dem Hundsschnäuzigen, ich darf nicht.«

»Wo lebt denn das Ungeheuer, ist es eben zu Hause?« »Im Augenblick wird es wohl nicht zu Hause sein, aber das ist egal, auch dann darf ich nicht auf seiner Wiese weiden, denn dort im Wald ist sein Wächter, ein Riesenvogel.«

»Ist der denn so schrecklich?« »Er wäre nicht so schrecklich, aber — was soll man da sagen — er ist selbst in der Klemme. Denn ist er nicht wachsam, wird er von dem Hundsschnäuzigen bestraft. So hat er mir im vorvorigen Jahr erlaubt, ein klein wenig auf der Wiese seines Herrn zu weiden, aber sieh da! der Hundsschnäuzige war gleich zur Hand, sog mir meine Augen aus und erschlägt nun jahraus, jahrein die junge Brut des Vogels mit Schloßen. Das Ungeheuer soll wohl im Besitz einer Arznei sein, durch die ich mein Augenlicht wiederbekommen kann, aber wie will einer dazu gelangen?«

»Graukopf, ich wollte dich wohl von deinem Plagegeist befreien, wenn du mir sagen könntest, wie ich wieder an die Oberwelt gelange.« »Wenn du es schaffst, den Hundsschnäuzigen zu bezwingen, so würde der Vogel dich zum Dank an die Oberwelt tragen.«

»So, dann ist alles gut, treib sogleich das Vieh auf die Wiese, damit ich Gelegenheit zum Kampf finde.« Kaum war das Vieh auf der Weide, als auch schon der Hundsschnäuzige erschien und der Streit begann. Kurbads packte ihn an seiner Hundegurgel, drückte ihn mit dem Fuß an den Boden und hieb mit seiner Keule fürchterlich drauflos, dass das Hundevieh vor Schmerz gestand, wo es das Gefäß mit dem Heilwasser hingelegt hatte. Kurbads nagelte das Ungeheuer mit seinem Schwert an den Boden, ging nach dem Heilwasser und benetzte damit die Augen des Alten. Dieser bekam sein Augenlicht wieder.

Aber inzwischen hatte sich das Ungeheuer von dem Schwert losgerissen und fiel über Kurbads her. Kurbads gab ihm einen Schlag mit der Keule - umsonst; einen zweiten - wieder umsonst, nur dass es zu Fall kam. Er versetzte ihm einen dritten Schlag, da streckte das Ungeheuer alle viere von sich. Voller Freude führte nun der Alte seinen Retter eiligst zum Nest des Greifen, da er wusste, dass die jungen Vögel gerade jetzt das Hagelwetter erwarteten. Als Kurbads sich dem Nest näherte, sah er, dass die Jungen - sie waren wohl so groß wie ein stattlicher Heuschober - im Nest lagen, doch waren sie noch nackt. Während jene sie noch bewachten, kam das Hagelwetter sausend und brausend herangezogen. Aber Kurbads deckte die nackten Jungen, so gut er konnte, und schützte sie vor dem Schloßenfall. Sobald das Wetter vorbeigezogen war, kam auch der alte Vogel - er hatte die Größe eines Pferdes - herbeigeflogen und trat Kurbads entgegen, indem er sprach: »Dein Verdienst ist es, wenn meine Jungen auch einmal heranwachsen werden. Wie soll ich dir das vergelten?«

»Ich verlange keinen anderen Dank, als an die Oberwelt zu gelangen.« »Gut, ich will dich hinbringen. Aber der Weg ist lang, und das Meer ist weit, geh deshalb und fang dir drei Unterweltsstiere, die zerhack in Stücke, und wenn ich dann unterwegs den Schnabel aufsperre, so wirf mir jedes Mal ein Stück hinein.«

Kurbads ging, die Stiere einzufangen. Das waren vielleicht Stiere! Von ihrem Gebrüll erzitterte das Gras, und von ihrem Scharren bebte die Erde. Aber Kurbads packte einen bei den Hörnern und hieb ihm den Kopf ab. Er packte einen zweiten und hieb ihm den Kopf ab. Und er packte einen dritten und hieb ihm den Kopf ab. Am folgenden Morgen nahm Kurbads das Fleisch der Stiere, bestieg den Rücken des Vogels und flog auf ihm neun Tage und neun Nächte durch die Lüfte. Am neunten Tag wurde bereits der Rand der Oberwelt sichtbar. Da schaute sich Kurbads um: Das Stierfleisch war zu Ende! Was nun? Wenn er kein Fleisch hatte, so fehlte es dem Vogel an Kraft, ihn zu tragen. Nichts zu machen! Kurbads musste sich mit dem Schwert seine eigene linke Wade abschneiden und mit ihr die Vögel füttern, bis sie das Land erreichten.

Gegen Abend erreichte Kurbads glücklich sein Ziel und fand seine Braut und die Pflegebrüder bei dem alten König. Jene erzählten nun, wie es ihnen mit dem Seil ergangen war, und Kurbads berichtete von seinen Erlebnissen in der Unterwelt. Unterdessen fiel ihm sein diamantenes, goldenes und silbernes Ei ein. Er nahm den Kranz der jüngsten Schwester, trug ihn dreimal um den Platz, auf dem sich das diamantene Schloss erheben sollte, warf das diamantene Ei auf die Erde, und - das diamantene Schloss stand fertig da. Dann nahm er den Kranz der mittleren Schwester, trug ihn dreimal herum, warf das güldene Ei auf die Erde, und - das goldene Schloss stand fertig da. Zuletzt nahm er den Kranz der ältesten Schwester, trug ihn dreimal herum, warf das silberne Ei auf die Erde, und - das silberne Schloss stand fertig da. Nun gab er dem Sohn der Bäuerin und dessen Liebsten das silberne Schloss, und er selbst behielt für sich und seine Liebste das diamantene Schloss. Nach der Hochzeit gedachte Kurbads ruhig in seinem Schloss zu leben und sich von seinen Mühen zu erholen. Aber die Hexen und Zauberer ließen ihm keine Ruhe, weder bei Tag noch bei Nacht. Sie plagten sein Vieh, sie schädigten seine Felder, sie quälten seine Untertanen und sein Gesinde. Kurbads erkannte, dass hier die neunköpfige Hexe ihr Spiel habe, und beschloss, sein Reich zu säubern.

Er lud sich drei Schiffspfund Salz und drei Schiffspfund Salzlake auf die Schultern, ging dann der Drachenhexe entgegen und überlegte: Wenn ich ihr das Salz in den Rachen schütte, so wird sie Wasser saufen wollen. Während sie dann säuft, werde ich an den Strand eilen und ihr dort den Garaus machen.

Nachdem er drei Tage gewandert war, kam der Drache mit Getöse unter lautem Flügelschlag und mit aufgesperrtem Rachen durch die Luft geflogen. Kurbads stellte sich hin und warf ihm drei Schiffspfund Salz in die Gurgel. Der Drache nieste gewaltig und eilte zum Meer, seinen Durst zu löschen. Kurbads hinterher, hatte aber das Meer noch nicht zu Gesicht bekommen, als der Drache sich bereits vollgesoffen hatte und zurückgeflogen kam. Kurbads blieb stehen und goss ihm drei Schiffspfund Salzlake in den Schlund. Jener nieste gewaltig und flog, diesmal auf einem anderen Weg, zum Meer, seinen Durst zu löschen. Kurbads verlor seine Spur. Lange suchte er nach dem Drachen, bis er an das Meer gelangte, wo er eine Schmiede fand. In ihr schmiedete der Himmelsschmied. Der gab Kurbads einen Rat: zu Fuß den Drachen zu verfolgen, sei sinnlos. Er wolle ihm ein Ross schmieden, auf dem er in der Zeit, die eine Handvoll Flachs zum Verbrennen brauche, dreimal um die Welt reiten könne, nur müsse sich der Reiter davor hüten, dass er rückwärts blicke.

Während Kurbads noch mit dem Himmelsschmied verhandelte, hatte sich der Drache schon vollgesoffen und flog über die Schmiede hin. Wohl raffte Kurbads glühende Kohlen auf und schleuderte sie dem Drachen in den Schlund, versengte ihm aber bloß die Zungenspitze. Nun schmiedete der Himmelsschmied ein Ross, das glänzte so hell wie die Sonnen. Kurbads bestieg seinen Rücken und flog hinter dem Drachen her. Das Ross flog mit Windeseile von Meer zu Meer, von Wald zu Wald. Da, horch! Was ist das? Hinter seinem Rücken hörte er ein mächtiges Getöse. Bäume krachen bricks und bracks! Wogen branden schwicks und schwacks! Kurbads schaut sich um, aber im selben Augenblick erdröhnen Donnerschläge, Blitze zucken nieder, und das Ross ist verschwunden. Wohl bedauerte er jetzt sehr, dass er sich umgeschaut und die Warnung des Himmelsschmiedes vergessen hatte. Wohl wurde es ihm alsbald klar, dass die Lärmmacher eben seine Feinde gewesen waren. Doch Wasser, das einmal verschüttet ist, lässt sich nicht mehr einschöpfen.

Kurbads legte sich am Rand eines kleinen Bächleins zur Ruhe und stellte das Kraftwasser neben sich hin. Am Nachmittag wollte er den Trunk zu sich nehmen und dann noch einen Versuch machen, mit Aufgebot aller Kräfte die Drachenhexe zu verfolgen. Doch es kam wieder anders, als er beabsichtigt hatte, denn die Drachenhexe hatte schon um die Mittagszeit mit dem Teufel verabredet, Kurbads zu betrügen und dann zu überwinden. Während er schlief, nahm die Hexe die Gestalt einer Kröte an, kroch zum Gefäß, in dem der Trank enthalten war, und drehte es so, dass das Kraftwasser nach links, das Ohnmachtswasser aber nach rechts zu liegen kam. Kurbads erwachte, wollte das Kraftwasser trinken, trank aber stattdessen das Ohnmachtswasser. Der Ärmste merkte zwar gleich, was geschehen war, aber es war zu spät. Seine Kraft war für ein Jahr hin.

Nun fackelte der Teufel auch nicht länger, hurtig war er da, Kurbads solle sich ihm für ein Jahr als Knecht verdingen oder gleich seine Kraft mit ihm messen. Der Böse dachte: Wart, Alterchen, ich will dich schon mit Arbeiten gehörig plagen, lebend sollst du mir nicht davonkommen. Kurbads nahm das Angebot an, doch unter folgender Bedingung: Wenn einer von beiden sich um der Arbeit willen ärgern sollte, so sollte der andere ihm drei Fleischstreifen aus dem Rücken schneiden dürfen. Dem Teufel war dieser Handel durchaus nach dem Herzen. Am nächsten Morgen befiehlt der Teufel unserem Kurbads, Hasen auf die Weide zu treiben. Aber was es mit diesen Hasen für eine Bewandtnis hatte, sollte der Hüter sofort erfahren: Sobald er sie hinaustrieb, zerstreuten sie sich nach allen Ecken und Enden. Gegen Abend war der Hüter allein auf der Weide, kein Hase war mehr zu sehen. Aber was will das sagen! Mit Sonnenaufgang bläst Kurbads nur auf seinem Pfeifchen, gleich sind zehn Erdgeisterchen da, die suchen und spüren und hetzen und treiben, bis alle Hasen wieder hübsch beisammen sind. Als der Teufel das sah, dachte er: Mit dem ist nicht zu spaßen, über den hat das Ohnmachtswasser keine Gewalt.

Am nächsten Morgen lässt er ihn die Kühe weiden, das solle aber so geschehen, dass sie am Abend vor Feistigkeit wackelten. Sobald die Kühe ausgetrieben waren, waren sie ebenso verschwunden wie tags zuvor die Hasen. Doch auf den Klang der Pfeife sind wieder die zehn Erdgeisterchen zur Stelle und suchen und spüren und hetzen und treiben, bis alle Kühe wieder beisammen sind.

Nun schlägt Kurbads mit seiner Keule jeder Kuh ein Bein ab und treibt sie dann nach Hause, dass sie wackeln. »Hör, du hast ja den Kühen die Beine abgehauen«, brüllt ihn der Teufel, blau vor Wut, an. »Du selbst hast doch heute Morgen gesagt, ich soll sie so weiden, dass sie am Abend wackeln, und jetzt ärgerst du dich noch darüber.«

»Nein, nein, Kurbads, ich ärgere mich nicht.« »Nun, dann ist's gut, gib mir eine andere Arbeit.«

Am nächsten Morgen lässt ihn der Teufel die Pferde weiden, dies solle aber so geschehen, dass sie abends alle grinsten. Die Pferde verschwinden ebenso wie tags zuvor die Kühe. Doch auf den Klang der Pfeife erscheinen des Abends wieder die zehn Erdgeisterchen und suchen und spüren und hetzen und treiben, bis alle beisammen sind. Kurbads schneidet nun mit seinem Schwert jedem Pferd die Oberlippe herunter und treibt sie nach Hause, dass sie nur so grinsen. »Hör, du hast ja den Pferden die Oberlippe abgeschnitten!« »Hast du denn nicht heute früh selbst gesagt, ich soll die Pferde so weiden, dass sie am Abend alle grinsen, und jetzt ärgerst du dich noch darüber?«

»Nun, nein, Kurbads, ich ärgere mich nicht.« »Nun, dann ist es gut, gib mir eine andere Arbeit.«

Am nächsten Morgen ließ ihn der Teufel eine Stute anschirren und im Lauf des Tages das Land soweit aufpflügen, wie die weiße Hündin laufen würde. Kurbads schirrte die Stute so kurz an den Pflug, dass sie sich nicht rühren konnte. Dann fing er die weiße Hündin, schlug sie mit seiner Keule windelweich, stopfte sie unter die Klete [Speicher] und setzte sich dann selbst auf den Pflug, um den Abend zu erwarten. Am Abend kam der Teufel, um nach ihm zu sehen. »weshalb pflügst du denn nicht?«

»Weshalb ich nicht pflüge? Der Hund läuft nicht, die Stute rührt sich nicht, und dann wirst du dich noch darüber ärgern!« »Nein, nein, ich ärgere mich nicht.«

»Nun, dann ist es gut, gib mir eine andere Arbeit.« Am nächsten Tage befahl ihm der Teufel, den Pferdestall auszumisten, der seit Jahr und Tag keine Mistgabel mehr zu sehen bekommen hatte. Kurbads blies auf seinem Pfeifchen, gleich waren die Erdgeister zur Stelle und stachen und warfen und luden und karrten, bis der Stall eins, zwei, drei leer war. Am Abend kam der Teufel, nachzusehen: Ja, da war Nichtszumachen.

Am nächsten Tage ließ der Teufel Kurbads mit Hilfe seiner Frau, die die Gestalt einer Stute angenommen hatte, eine volle Fuhre Holz aus dem Wald einführen. Kurbads belud die Fuhre mit dem Holz, aber - die Stute wollte nicht ziehen. Als Kurbads das sah, kam er mit seiner Keule und maß an der Stute herum. »Was willst du eigentlich an meinen Flanken ausmessen?« forschte die Stute. »Wart, wart, mein Pferdchen, ich will mir aus deinem Fell Lederstreifen für ein Paar Bundschuhe schneiden, damit du die Fuhre leichter heimziehen kannst.«

»Lass das, lass das, es wird auch so gehen.« Glücklich zog die Stute die Fuhre heim. Zu Hause war der Teufel wie rasend, aber die Stute erwiderte: »Du hast ein großes Maul, geh doch und zieh, da wirst du selbst sehen, wie du mit Kurbads fertig wirst.« »Ärgerst du dich?« fragte Kurbads.

»O nein, ich ärgere mich nicht.« »Nun, dann ist es gut, gib mir eine andere Arbeit.«

Am nächsten Tage ließ ihn der Teufel für das Mittagessen ein Schwein schlachten. Kurbads verlangte, er soll ihm angeben, welches er schlachten soll, allein der Teufel erwiderte: »Schlachte das, das nach oben schaut.« Da ging er in den Stall, um das bezeichnete Tier zu suchen, weil aber alle nach oben schauten, schlachtete er alle. Der Teufel tobte, aber Kurbads fragte ihn: »Ärgerst du dich?«

»Nein, nein, ich ärgere mich nicht.« »Dann ist es gut, gib mir eine andere Arbeit.«

Am nächsten Morgen ließ ihn der Teufel zwei Külmit Mehl bringen, woraus Klöße bereitet werden sollten: Ein Külmit Klöße sollte Kurbads verzehren, das andere würde der Teufel essen. Kurbads setzte sich hinter den Rücken des Teufels und stopfte sich die Klöße unter das Hemd. Der Teufel aß, überfraß sich und hatte die ganze Nacht Bauchschmerzen. Des Morgens ließ er dann die Badestube heizen und wollte sich dort durch Abreiben wieder gesund pflegen. Im Bad ächzte und stöhnte der Arme. »Weißt du was, Kurbads, ich habe mich etwas überfressen, wie geht es dir?«

»Mir ist auch nicht so wohl, doch kenne ich ein gutes Mittel. Ich werde mir mit dem Säbel den Bauch aufschlitzen, dass die Klöße heraus- fallen.« Kurbads ging ins Vorhaus, schüttete seine Klöße auf den Boden und sagte zum Teufel: »Jetzt bin ich gesund wie ein Rettich.« Der Teufel versuchte, sich auch den Bauch aufzuschlitzen, aber er brachte es nicht fertig, es tat entsetzlich weh.

Kurbads wälzte sich vor Lachen, aber der Teufel sagte kein Wort, brummte nur ärgerlich: »Über den hat das Ohnmachtswasser keine Gewalt. Der wicht hat eine besondere Natur und eine besondere Kraft.« Nun rieben sich beide im Mondenschein bis Mitternacht. Da plötzlich ergriff der Teufel seine zehn Schiffspfund schwere Axt und sagte zu Kurbads: »Hier ist die Axt, wollen wir uns im Wald eine Eiche holen.« Kurbads ergriff die Axt am Stiel und schaute lange in den Mond. »Was schaust du da, lass uns gehen!«

»Schön, gehen wir! Aber weißt du was? Ich hätte Lust, dem Altvater [gemeint ist Gott] das Fenster einzuwerfen.« »Bist du verrückt? Ich habe nur eine Axt, und die willst du mir durchbringen. Gib die Axt her, lass uns gehen!«

»Na gut, gehen wir.« Sie gingen in den Wald. Der Teufel stieg auf eine Eiche, bog sie zur Erde wie eine Gerte und rief Kurbads zu, er soll den Baum fällen. Doch der lehnte sich an eine dicke Eiche und betrachtete den Mond. »Was schaust du? Hau zu!«

»Ich werde schon hauen, doch habe ich Lust, zuerst die Axt dem Altvater ins Fenster zu werfen, denn ich habe ihn schon lange nicht mehr brummen gehört.« »Bist du bei Sinnen? Lass den Altvater in Ruhe. Gib mir lieber die Axt, ich will hauen, und du steig hinauf und bieg die Eiche.«

Kurbads stieg auf den Wipfel der Eiche. Aber der Baum schnellte zurück und schleuderte Kurbads hinüber, so dass er gerade auf einen Hasen zu fallen kam. Er fing den Hasen und wartete, bis die Eiche fallen würde. Der Teufel hieb immer zu, bis sie fiel, aber verkehrt, den Wipfel gegen das Haus, das dicke Ende gegen den Wald hin. Nun nahm Kurbads den Hasen und ging zum Teufel. »Wo treibst du dich denn herum? Warum biegst du den Baum nicht?«

»Was treibe ich mich herum, ich bin meinem jüngsten Bruder begegnet, und wir haben uns unterhalten, denn wir hatten uns schon lange nicht mehr gesehen.« »Was macht denn dein Bruder?«

»Er ist Läufer von Beruf.« »Dann soll er kommen und mit mir um die Wette laufen.«

»Schön«. Sobald nun Kurbads den Hasen losließ, da lief er, dass sein Schwänzchen wackelte. Auch der Teufel lief los, konnte ihn aber nicht einholen.

»Du treibst ja mit meinem Bruder nur irgendwelche Possen, alles willst du immer, und nichts kannst du.« »Nun, was ist mit der Eiche? Nimm du das dünne Ende, ich will das dicke nehmen, aber haben wir einmal angefasst, dann gibt es natürlich kein Stillstehen, bis die Eiche zu Hause ist.« Der Teufel ergriff das dünne Ende und zog die Eiche rückwärts durch den Wald, dass es nur so krachte. Aber Kurbads setzte sich auf den Stamm und fuhr mit. Zu Hause wischte sich der Teufel den Schweiß von der Stirn, und Kurbads spottete: »Du bist ein schwaches Geschöpf, dass du so schnell zu schwitzen anfängst.«

Am nächsten Morgen befahl ihm der Teufel, die kleinen Teufelchen heimzufahren und gut zu füttern. Kurbads schirrte das Teufelspferd an, fuhr nach den Kindern, packte sie in den Wagen, legte einen tüchtigen Hebebaum darüber, schnürte das Fuder zu und fuhr heim. Aber auf der Fahrt fiel eins der Kinder nach dem ändern heraus und schrie: »Kurbads, ich falle, ich falle!« Da griff Kurbads zu einem anderen Verfahren: Jedem Kind, das heraus fiel, schlug er am Rade knacks! den Schädel ein. Zu Hause angekommen, setzte er die totgeschlagenen Teufelchen im Kreis um den Tisch, stopfte ihnen Essen in den Mund, legte jedem einen Napf mit Essen in den Schoß und ging dann fort, das Pferd los zu schirren. Bald darauf war der Teufel drinnen und brüllte fürchterlich: »Kurbads, du hast j a die Kinder totgeschlagen!«

»Ich soll sie totgeschlagen haben? Nein, überzeug dich selbst. Sie sind an Heißhunger gestorben. Alle haben den Mund voll und die Hände im Speisenapf. Du kannst mir glauben, dass sie im Heißhunger sich verschluckt haben und erstickt sind.« »Was du behauptest! Totgeschlagen hast du sie!«

»Wie, ärgerst du dich?« »Nein, nein, ich ärgere mich nicht.«

»Dann ist es gut, gib mir eine andere Arbeit.« Am nächsten Morgen sprach der Teufel zu Kurbads: »Hör zu, heute Abend werde ich auf eine Hochzeit gehen. Besorg die Stute, mach dich zurecht und komm mir nach. Aber wenn du siehst, dass ich zwischen Braut und Bräutigam sitze, dann wirf mir ein Auge zu.« Kurbads schlug dem Pferd die Augen aus und ging auf die Hochzeit. Kaum hatte sich der Teufel zwischen die Braut und den Bräutigam gesetzt, als Kurbads das eine Pferdeauge nach ihm warf. Da machte der Teufel große Augen. Nach einer Weile warf Kurbads das andere Pferdeauge nach ihm. Da sprang der Teufel auf und, hast du nicht gesehen, war er zur Tür hinaus nach Hause. Dort tobte und brüllte er: »Weshalb hast du dem Pferd die Augen ausgeschlagen?«

»Du selbst hast mir doch gesagt, ich soll dir ein Auge zuwerfen.« »Wer wird denn so etwas sagen.«

»Wie, ärgerst du dich?« »Nein, nein, ich ärgere mich nicht.«

»Dann ist es ja gut, gib mir eine andere Arbeit.« »Die sollst du bekommen.«

In der Nacht, als Kurbads sich zur Ruhe gelegt hatte, hörte er den Teufel mit seiner Frau sprechen. Er wolle sich noch in dieser Nacht leise an Kurbads heranschleichen und ihn mit der Axt erschlagen. Denn wenn er sich nicht damit beeilte, so würde Kurbads ihn zuletzt selbst totschlagen. Auch sei das Jahr bald abgelaufen, wo die Wirkung des Ohnmachtswassers ein Ende habe. Als Kurbads das vernommen hatte, sprang er von seinem Lager auf, legte an das Kopfende ein Butterfass, das er so verhüllte, dass es einem Menschenkopf ähnlich sah, und versteckte sich dann selbst hinter dem Ofen. Um Mitternacht schlich der Teufel auf den Zehenspitzen leise herein und schlug mit voller Wucht auf das Butterfass los, dass es in tausend Stücke zerbarst. Hohnlachend eilte er zu seiner Frau zurück und erzählte: »Dem habe ich eins versetzt! Das Hirn floss nur so übers Genick.« Aber Kurbads lief dem Teufel nach und fragte ihn, warum er denn das Butterfass zertrümmert hätte. Jetzt fingen dem Teufel, als er Kurbads sah, wahrhaftig die Beine zu schlottern an: Der war nicht totzukriegen. Er nahm seine Siebensachen unter einen Arm, seine Frau unter den anderen und lief zu der Hexe, Kurbads Todfeindin. Kurbads indes folgte ihm Schritt für Schritt. Nach einiger Zeit sagte der Teufel zu seiner Frau:

»Jetzt können wir uns etwas ausruhen, meine Last ist doch arg schwer.« »Natürlich, ein wenig verschnaufen könnte man«, rief Kurbads hinter dem Rücken des Teufels.

»Kurbads, bist du auch hier?« »Natürlich, wo du bist, da bin ich auch.«

Der Teufel nahm wieder seine Habseligkeiten und seine Alte und lief bis zum Ufer eines Flusses, wo er sich etwas hinzustrecken und auszuruhen gedachte. Während er sich niederließ, war Kurbads auch schon da. »Kurbads, bist du auch hier?«

»Natürlich, wo du bist, da bin ich auch.« In solch einer Klemme hatte sich der Teufel noch nie befunden; rein, um sein Ende zu kriegen! Weder totschlagen konnte man ihn noch ihm entrinnen. Endlich kam ihm ein neuer Gedanke: Er lagerte seine Frau neben sich, Kurbads aber an der steilen Uferböschung, um ihn, wenn er eingeschlafen wäre, in den Fluss zu stoßen. Aber Kurbads wird doch wohl nicht so dumm sein, neben dem leibhaftigen Teufel einzuschlafen! Er wehrte sich vielmehr nach Kräften gegen den Schlaf, wartete, bis beide eingeschlafen waren, schob dann die Teufelsfrau an seine Stelle, während er sich auf ihren Platz legte, und dann wartete er ab, was sich weiter begeben würde.

Als nun der Teufel erwachte, stieß er den am Abhang liegenden Schläfer in den Fluss hinab. Als er aber bald merkte, dass er seine eigene Frau hinab gestoßen hatte, sprang er am Ufer hin und her, zertrampelte die Erde und rang die Hände. Da fasste Kurbads seine Keule und gab dem Teufel einen solchen Hieb ans Genick, dass er holterdiepolter in die Tiefe hinabstürzte. Als Kurbads sich so von der Knechtschaft des Teufels befreit sah, wandte er sich der Heimat zu, und wie er unterwegs seine Keule schwang, merkte er, dass seine früheren Kräfte wiedergekehrt waren. So ging er weiter, bis er zu einem großen Wald kam. Am Waldesrande saß ein weißhaariger Mann und flocht sich Peitschen.

»Wozu flichtst du Peitschen, Alter?« »O, das sind Hexenpeitschen, denn dieser Wald ist so von Hexen besessen, dass jedermann seine liebe Not mit den Ungetümen hat. Nur mit diesen Peitschen kann man sich ihrer erwehren. Doch wenn sich jemand fände, der mit starker Hand die Behausung der Ungetüme zerstörte, so wäre der Wald für ewige Zeiten rein.« Dazu erklärte sich Kurbads bereit.

Er wartete den Abend ab, wo die Ungetüme in ihrer Behausung versammelt waren, und wälzte einen großen Stein vor den Eingang. Dann ergriff er seine Keule, schob den Stein ein klein wenig zurück, ließ ein Ungetüm heraus und schlug es tot und so fort. Die ganze Nacht war Kurbads an der Arbeit, bis alle tot waren und der Wald hinfort rein war. Am folgenden Tage traf Kurbads jenseits des Waldes einen Menschen, der ein großes Feuer angezündet hatte und dabei unablässig jammerte

: »Mich friert, mich friert!« »Ja, warum wärmst du dich denn nicht, wenn dich friert!«

»Sobald ich mich wärmen wollte, wäre mein Quälgeist, ein Werwolf, da und würde mich verschlingen.« »Nun wärme dich ruhig, deinen Werwolf will ich schon in die Lehre nehmen.«

Und so geschah es auch. Kaum hatte er sich die Hände gewärmt, als der Werwolf erschien und über den Ärmsten herfallen wollte. Doch Kurbads packte ihn zuvor an der Gurgel, zerriss ihn und warf ihn ins Feuer als Frühstücksbraten für die übrigen Hexen. Der Werwolf verbrannte schwelend, das Feuer erlosch, und der Mann fror nicht mehr. Nachdem Kurbads wieder ein Stück gegangen war, erblickte er einen anderen Menschen, der, am Ufer eines Sees sitzend, unaufhörlich schrie:

»Ich habe Durst, ich habe Durst.« »Weshalb trinkst du nicht, wenn du Durst hast?«

»Ja, sobald ich trinken wollte, wäre mein Peiniger, ein Adler, da und würde mich auf der Stelle verschlingen.« »Nun trink man ruhig, den Adler will ich mir schon in die Lehre nehmen.«

Und so geschah es. Kaum hatte der Mann einen tiefen Schluck getan, als sich der Adler mit dem Schnabel klappernd und mit den Flügeln schlagend auf den Armen stürzte. Aber Kurbads schlug ihm den Kopf herunter und warf den Unhold in den See. Sofort trocknete der See aus, und der Mann hatte keinen Durst mehr. Zuletzt gelangte Kurbads nach Hause. Aber dort erwartete ihn neues Unheil. Seine Frau lag, von der Drachenhexe verzaubert, todkrank. Die Arme war durch ihr Leiden so mitgenommen, dass sie ihren Mann nicht einmal wieder erkannte. Doch Kurbads fand auch hier, wie überall, eine Lösung. Er nahm das Heilwasser des Hundsschnäuzigen, mit dem er die Augen des Alten kuriert hatte, und stellte damit auch seine Frau wieder her.

Danach lebte Kurbads manches Jahr glücklich und zufrieden, denn die Drachenhexe durfte sich in seinem Reiche nicht mehr zeigen. Doch behielt sie noch nach Jahren Rachegedanken im Sinn. Da sie Kurbads auf keine andere Weise beikommen konnte, so durchflog sie neun Königreiche und hetzte neun Könige auf, mit ihrer Kriegsmacht Kurbads zu überwältigen. Es sammelte sich eine gewaltige Heeresmacht, und der Thronfolger des dritten Reiches, ein unbezwingbarer Riese, führte sie geradenwegs in Kurbads' Reich. Kurbads sammelte gleichfalls seine Kriegsleute und zog seinen Feinden entgegen. Nun erhob sich ein gewaltiger Kampf. Die Schwerter klirrten, und die Keulen schmetterten. Kurbads hatte den Riesen bereits mit seiner Keule zu Boden geschlagen. Während er aber sein Schwert zog, um dem Riesen das Haupt zu spalten, verwundete ihn dieser mit seinem Schwert an der linken Schulter. Als die Drachenhexe das sah, schwang sie sich, mit den Flügeln schlagend, auf Kurbads' Kopf und spuckte ihre giftige Galle in seine Schulterwunde. Kurbads erhob noch den linken Arm und erwürgte damit die Drachenhexe; den rechten Arm erhob er und spaltete dem Riesen das Haupt. Dann jedoch sank er, vom Drachengift bezwungen, auf seine Keule und starb.