Ein Arzt macht die alten Weiber wieder jung

In der Stadt Heilbronn hatte einst ein Arzt bekannt machen lassen, dass er neben andern Künsten auch die alten Weiber wieder jung machen könne. Kaum, dass solches ruchbar geworden, da hat sich gleich eine große Anzahl der alten Weiber bei diesem Arzt gemeldet. Der Arzt befahl ihnen, dass sie des andern Tages ihre Namen samt dem Alter schriftlich bringen sollten; welches auch geschehen. Da waren zu lesen: Katharina Glöcklin, 101 Jahr alt; Magdalena Stuhlfüßin, 88 Jahre; Ursula Pauselin, 94 Jahre; Veronika Schußinn, 69 Jahre; Regina Storchin, 92 Jahre... Nachdem alle Frauen am dritten Tag wiederum bei dem Arzte erschienen, beklagte er sich, er habe alle ihre Zettel verloren. Ein Bösewicht müsse sie ihm gestohlen haben; daher sei es notwendig, dass jede wieder einen Zettel schreibe. Gleichzeitig sagte er ihnen im voraus, dass die Älteste von ihnen zu Asche verbrannt werden müsse, denn diese Asche tauge für eine Medizin, womit er aus Alten Junge machen könne.

»Holla«, dachte eine jede, »vielleicht bin ich die Älteste; will also we­niger Jahre meines Alters schreiben, damit solcher Aschermittwoch nicht über mich komme.« Wie nun der Arzt die neuen Zettel erhalten hatte, da zog er auch die vorigen Zettel hervor und sagte zu den herumstehenden alten Weibern:

»Ich habe die alten Zettel wiedergefunden, sehe aber einen großen Un­terschied: Auf dem ersten Zettel war Katharina Glöcklin 101 Jahr alt, und auf dem andern steht nur 49. Magdalena Stuhlfüßin zuvor 88 Jahre, ist hier 36. Ursula Pauselin vorher 94 Jahre, jetzt nur 36. Regina Storchin vor zwei Tagen 92 Jahre alt, jetzt aber 32 Jahre. »Wohl an, weil ich euch dann innerhalb von zwei Tagen jünger gemacht habe, wie ihr es selbst mit euren Zetteln beweist, so seid ihr alle vor Gott und der Welt schul­dig, mich dafür zu bezahlen.« Hierauf fing alles an zu lachen, und die junggemachten Weiber mussten in ihrem Pelze wieder heimgehen.