Bruder Lustig

Schwäbisches Volksmärchen

Der Bruder Lustig befand sich einmal auf Reisen und hatte nur noch drei Kreuzer im Sack und ein einziges Brot, dass er sich gekauft hatte. Da begegnete ihm der heilige Petrus und sprach; »Grüß Dich Gott, armer Bruder!«

»Grüß dich Gott!« sagte Bruder Lustig. »Wohin geht die Reise?« sprach Petrus.

»Weiß nicht«, sprach der Bruder Lustig, »wohin mich der Wind noch führen wird.« Sprach der heilige Petrus zu Ihm weiter: »Ach, ich habe Hunger und kein Geld, sei so gut und gib mir ein Almosen!«

»Ich bin zwar selbst ein armer Schlucker«, sagte Bruder Lustig, »und hab nur noch drei Kreuzer und ein Brot im Sack doch wir wollen's teilen«; und darauf gab er dem heiligen Petrus, der als Bettler verkleidet war, einen Kreuzer und ein Vierling Brot. »Vergelt's Gott!« sprach Petrus und ging weiter.

Über eine Weile begegnete ihm abermals der heilige Petrus als Bettler, aber in einer anderen Gestalt als das erste Mal, und sprach: »Grüß dich Gott, Bruder, ein Armer spricht dich um eine Gabe an!« »Grüß dich Gott, armer Bruder!« sprach der Bruder Lustig und gab denn Bettler einer Kreuzer und einen Vierling von seinem Brote.

»Vergelt's Gott!« sprach Petrus und ging weiter. Wieder über eine Weile kam der heilige Petrus zum dritten Male als Bettler in einer anderen Gestalt und bat ihn um eine Gabe, weil er so hungrig sei.

Da sagte Bruder Lustig: »Mit zwei Armen hab ich schon geteilt, was ich hatte; jetzt hab ich grad noch einen Kreuzer und ein halbes Brot, das wollen wir noch einmal teilen.« Sprach der heilige Petrus: »Nun, ich habe auch noch einen Kreuzer, so wollen wir ins Wirtshaus gehen und zu dem Brot ein halbes Bier miteinander trinken.«

Ja, das war dem Bruder Lustig ganz recht, und sie machten es so. Und als sie nun alle beide nichts mehr hatten, so beschlossen sie, daß sie alle beide miteinander weiterreisen wollten. Wie sie nun so eine gute Strecke zusammen marschiert waren, kamen sie in eine Stadt, darin war große Trauer, weil die Tochter des Königs gestorben war. Darauf ließ Petrus sich bei dem König melden als Doktor und versprach, die Prinzessin wieder lebendig zu machen, aber es sollte niemand, dabei sein und zusehen als bloß der Bruder Lustig.

Nun ließ Petrus sich einen Kessel mit kochendem Wasser geben, zerschnitt den Leichnam und kochte das Fleisch in dem Kessel, legte dann die Knochen wieder zusammen, rief die Tote beim Namen und sprach die drei höchsten göttlichen Namen aus und hieß die Jungfrau aufstehen. Da stand sie auf und lebte und war frisch und gesund wie vorher. Der König war außer sich vor Freude und bot dem heiligen Petrus alles an, was er sich nur wünschen möge, und wenn's das halbe Königreich wäre! Aber Petrus schlug alles aus und wollte keinen Lohn.

»Narr«, sprach der Bruder Lustig zu ihm, »du hast selber nichts, so daß du betteln mußt, und willst einem König was schenken!« Petrus aber hörte nicht darauf und ging fort, und Bruder Lustig ließ ihn allein ziehen und blieb in dem Schlosse zurück und ließ sich erst seinen Ranzen mit Geld füllen, soviel er nur tragen konnte. Dann lebte er eine lange Zeit herrlich und in Freuden, bis endlich der Ranzen leicht und leer war. Da trug sich zu, daß der Bruder Lustig in ein Dorf kam und hörte, die Tochter eines reichen Bauern sei todkrank. Da ging er hin; wie er aber hinkam, war sie schon gestorben. Nun erbot er sich, er wolle sie wieder lebendig machen, und machte es grad so, wie er es den heiligen Petrus hatte tun sehen: Er zerschnitt die Leiche, kochte das Fleisch und legte dann die Knochen aneinander.

Aber damit wollte es ihm nicht gelingen, denn er wußte nicht, welche Knochen zusammengehörten, so daß er in die allergrößte Angst und Unruhe geriet und sich gar nicht mehr zu helfen wußte. Da klopfte plötzlich der heilige Petrus ans Fenster, und er ließ ihn sogleich herein. Der aber machte ein böses Gesicht und sprach: »Ei, du schlechter Kerl, glaubst du auch zu können, was ich kann! Das geht ja nimmermehr so! Diesmal will ich dir noch helfen; aber daß du dir's nur nicht einfallen läßt, so etwas noch einmal zu probieren, sonst wird dir's schlecht ge­hen!« Darauf ordnete Petrus die Gebeine, wie sie zusammengehörten und rief das Mägdelein beim Namen und hieß es aufstehen. Da stand es auf und ging zu seinen Eltern. Dann entfernte sich Petrus wieder durch das Fenster, durch das er gekommen war, nachdem er noch dem Bruder Lustig streng anbefohlen hatte, daß er ja keine Belohnung nehmen sollte. Nein, das wollte er auch gewiß nicht, sagte er. Als nun die Bauersleute aus Dankbarkeit Geld und Gut anboten, so schlug er's aus, ließ es aber endlich doch geschehen, weil sie ihn so sehr nötigten, daß sie ihm ein Lamm mit auf den Weg gaben. Das nahm er und trieb es zum Dorfe hinaus. Vor dem Dorfe traf er wieder mit dem heiligen Petrus zusammen, der stellte ihn sogleich zur Rede wegen des Lammes. »Ach«, sprach der Bru­der Lustig, »ich weiß nicht, was ich von dir denken soll, wir sind alle beide arme Hungerleider und sollen nichts von andern Menschen an­nehmen! Komm her wir wollen uns miteinander das Lamm schmecken lassen!«

»Nun, meinetwegen«, sprach Petrus, »so mach es zurecht; ich will unterdessen einen Gang machen; aber du mußt nicht eher anfangen zu essen, bis ich wieder da bin!« »Ei, beileibe!« sprach der Bruder Lustig und schlachtete sogleich das Lamm und machte ein Feuer an und briet es. Da dauerte es nicht lange, da war es fertig und roch so gut, daß der Bruder Lustig nicht widerste­hen konnte und das Herz herausfischte und es aufaß; denn Petrus blieb auch gar zu lange, und er hatte außerdem Hunger.

Endlich kam Petrus zurück und sagte: »Du kannst alles essen, bloß das Herz bitt ich mir aus!« »Ei, Brüderchen, wo denkst du hin?« sprach Bruder Lustig. »Besinn dich doch, ein Lamm hat ja kein Herz!«

Ei, freilich«, sprach Petrus, »ein Lamm muß doch ein Herz haben wie jedes andre Tier.« »Ganz gewiß nicht! Glaub’s nur auf mein Wort! Ein Lamm hat kein Herz!« sprach der Bruder Lustig in einem fort, so daß Petrus ihn zuletzt gewähren ließ und sagte: »So kannst du auch das übrige allein essen!« Darauf ging er fort. Bruder Lustig aber ließ sich den Braten schmecken, und wer auf der Straße daherkam, den lud er ein zum Mitessen, bis das Lamm aufgezehrt war.

Nachdem er sich also gelabt und gesättigt hatte, reiste er weiter und kam an ein Wasser, über das er hinüber mußte. Das Wasser aber war angeschwollen, und wie er eben drin war, stieg es immer höher, daß er nahe dran war zu ertrinken und sich nicht mehr zu helfen wußte. Da rief mit einem Male von dem andern Ufer her Petrus: »Gesteh mir, daß ein Lamm ein Herz hat und daß du es aufgegessen, so will ich dir helfen!«

Bruder Lustig aber antwortete: »Wie kann ich das gestehen und wie kann ich das Herz gegessen haben, da ja ein Lamm, wie jedermann weiß, gar kein Herz im Leibe hat!« Und obwohl Petrus das Wasser immer höher steigen ließ, so daß Bruder Lustig ums Haar hätte ertrinken müssen, so wollte er doch nicht bekennen. Deshalb ließ Petrus, weil er Mitleid hatte mit dem gutmütigen Narren, das Wasser wieder sinken, so daß er hindurchgehen konnte Dann aber sagte Petrus zu ihm: »Du bist nun doch einmal ein rechter Taugenichts; damit du aber nicht wieder so gottlose Streiche machst und Tote erwecken willst ums Geld, so will ich dir da einen Ranzen schenken, in den kannst du dir alles hineinwünschen, was du nur begehrst. Und nun leb wohl!« Mit diesen Worten verließ ihn der heilige Petrus und Bruder Lustig wanderte mit seinem Wunschranzen allein weiter fort.

So kam er nach einiger Zeit einmal in ein Wirtshaus und trank ein Glas Bier. Da sah er zwei gebratene Gänse im Ofen stehen, ach, die rochen gar zu gut, und er hätte wohl ein Stück davon verzehren mögen. Wie er nun wieder draußen war, dachte er: »Ei, du solltest doch einmal den Ranzen probierend und wünschte sich die Gänse hinein. Mit einem Mal fühlte er, daß der Ranzen schwer wurde, und er roch auch sogleich den Duft der gebratenen Gänse und setzte sich nieder und ließ sie sich wohl schmecken.« Derweil kamen zwei Handwerksburschen daher, sie baten um ein Stückchen Fleisch; da gab er ihnen die eine Gans, denn er hatte genug an der andern. Nun traf es sich, daß die beiden Handwerksburschen in dasselbe Wirtshaus kamen, aus welchem Bruder Lustig die Gänse weg gewünscht hatte, und sich daselbst Bier und Brot geben ließen und dann vergnügt ihren Gänsebraten verzehrten. Nach einer Weile wollte die Wirtin ihre Gänse holen; denn sie hatte Gäste am Tische, die sie verzehren, sollten. Aber da hättest du einmal das Gesicht sehen sollen, das sie machte, als sie erfuhr, daß die Gänse fort waren und daß die Handwerksburschen sie aufgegessen hatten. Sie mochten nun sagen, was sie wollten und wieviel sie wollten: es habe jemand draußen vor der Stadt ihnen den Braten ge­schenkt - das half ihnen alles nichts; sie wurden für die Diebe gehalten und wurden ins Gefängnis gesperrt, also daß sie den Braten teuer bezahlen mußten.

Bruder Lustig aber ließ sich’s in der Welt wohl sein und wanderte von einer Stadt zur andern; bis daß er ein alter Mann geworden und er des ewigen Herumziehens müde war. Auch dachte er, sein letztes Stündlein werde nicht mehr gar ferne sein, fragte deshalb einen frommen Einsiedler, was er tun müsse, um in den Himmel zu kommen. Der fromme Mann sagte, er solle Buße tun und fleißig beten, und behielt den Bruder Lustig bei sich und wollte ihn vorbereiten auf den Himmel. Allein es dauerte nicht lange, da konnte es der Bruder Lustig bei dem Einsiedler nicht mehr aushalten, denn er war ihm gar zu ernsthaft; deshalb nahm er alsbald seinen Ranzen auf den Rücken und begab sich wiederum auf die Wanderschaft.

Da war er nun den ganzen Tag lang fortgegangen und hatte nirgends einen Menschen oder ein Haus angetroffen. Endlich, als es schon dunkel wurde und er ganz ermüdet war, kam er in ein Wirtshaus und wollte daselbst übernachten. Da waren aber alle Zimmer schon besetzt, und der Wirt entschuldigte sich, daß er nicht mehr Raum habe. Er habe da wohl noch ein zweites, großes Haus, das stehe leer. Aber er könne keinen Menschen hineinquartieren, denn es sei noch niemand, der es gewagt habe, darin zu schlafen, lebendig wieder hervorgekommen. Bruder Lustig aber sagte, er mußte irgendwo ein Unterkommen haben, der Wirt solle ihn nur in das Haus führen. Das tat er dann auch, weil's der Bruder Lustig so wollte. Der legte sich dann getrost ins Bett und schlief ein. Sein Licht aber hatte er brennen lassen. Wie es nun Mitternacht war und eben zwölf schlug, da wachte Bruder Lustig auf, denn er hörte ein Geräusch, Und alsbald ging die Tür auf, und es traten neun Teufel in sein Schlafzimmer und stellten sich um sein Bett und stierten ihn beständig an. Das war ihm doch nicht angenehm, und weil er müde war und gern weiter fortschlafen wollte, so wünschte er die neun Teufel in seinen Ranzen, und wutsch! waren sie alle verschwunden. Dann schlief er ruhig bis zum andern Morgen; da nahm er seinen Ranzen und ging damit in eine Schmiede und ließ den Schmied und seine Gesellen so lange darauf losschlagen mit den schwersten Hämmern, daß er meinte, von den Teufeln werde wohl keiner sich mehr rühren und regen.

Als er aber den Ranzen aufmachte, war doch noch einer am Leben, und der lief, was er konnte, geradewegs in die Hölle hinein. Niemand aber war jetzt vergnügter als der Wirt. Denn es ließ sich von dem Tage an kein Teufel mehr in dem neuen Hause sehen, und zum Dank dafür behielt er den Bruder Lustig umsonst bei sich, solange er nur bleiben wollte. Es gefiel dem Bruder Lustig auch weit besser in dem Wirtshause als bei dem Einsiedler und deshalb blieb er da bis zu seinem Ende. Als er nun gestorben war und vor das Himmelstor kam und anklopfte, und Petrus ihn erblickte, sprach er »So, du kommst auch und willst in den Himmel? Sieh, dorthin gehörst du!« Und damit wies er ihn zum Höllentor. Wie Bruder Lustig dort ankam, wurde er eingelassen und wollte sogleich mit den Teufeln ein Kartenspiel machen. Sie spielten aber um menschliche Seelen, und es war ausgemacht, daß er die Seelen, die er gewönne, mit herausnehmen dürfe. Da kam aber der eine Teufel dazu, der in den Ranzen so gottsjämmerlich gestopft war, und erkannte sogleich den Bruder Lustig und sagte zu den andern Teufeln: »Fangt nur mit dem Kerl nichts an, sonst sind wir verloren, und er nimmt uns alle Seelen mit fort!« Da jagten sie ihn Hals über Kopf zur Hölle wieder hinaus, und Bruder Lustig wanderte ganz ärgerlich zurück zum Himmelstore und klopfte an. Sowie Petrus aber auftat, warf er flink seinen Ranzen in den Himmel und wünschte sich dann selbst in seinen Ranzen hinein, und so ist er doch noch in den Himmel gekommen, obwohl Petrus ihm die Tür vor der Nase zuschlug.