Wie Eulenspiegel sich für einen Arzt ausgab

nach Dyl Vlenspiegel

Zu Magdeburg war ein Bischof, der hieß Bruno, ein Graf von Querfurt. Der hörte von Eulenspiegels Schelmenstreichen und ließ ihn nach Giebichenstein kommen. Dem Bischof gefielen Eulenspiegels Schwänke gut, und er gab ihm Kleider und Geld. Und die Diener mochten ihn sehr leiden und trieben viel Scherz mit ihm. Nun hatte der Bischof einen Doktor bei sich, der sich recht gelehrt und weise vorkam. Aber des Bischofs Hofgesinde war ihm nicht wohlgesonnen. Und derselbe Doktor hatte es an sich, dass er Toren nicht gern um sich leiden mochte. Also sprach der Doktor zu dem Bischof und seinen Räten, man sollte weise Leute an der Herren Höfe halten, nicht solche Narren, und dies aus mancherlei Gründen. Die Ritter und das Hofgesinde meinten dazu, das wär' keine rechte Meinung von dem Doktor. Denn wer Eulenspiegels Torheiten nicht hören wollte, der brauchte doch nichts mit ihm zu tun haben, es wäre doch niemand zu ihm gezwungen.

Der Doktor entgegnete: »Narren bei Narren und Weise bei Weisen! Hätten die Fürsten weise Leute bei sich, so wären sie voller Weisheit! Und so sie Narren bei sich hielten, so lernten sie Narrheit!« Da sprachen etliche: »Wer sind die Weisen? Die sich dünken, weise zu sein, von denen findet man eine ganze Menge, die von Narren sind betrogen worden. Es steht Herren und Fürsten gut an, allerlei Volk an ihren Höfen zu halten. Denn mit Toren vertreiben sie mancherlei Torheit, und wo die Herren sind, da wollen die Narren gern sein.«

Also kamen die Ritter und Hofleute zu Eulenspiegel und berieten sich mit ihm und baten ihn, dass er sich einen Schwank ausdächte - sie wollten ihm gern dazu verhelfen, desgleichen auch der Bischof ?, damit der Doktor bezahlt würde für seine Weisheit, die er denn selbst gehört hätte. Eulenspiegel sprach: »Ja, ihr Edlen und Ritter, wollt ihr mir dazu verhelfen, dann soll der Doktor wohl bezahlt werden.« Und so waren sie sich in der Sache einig. Darauf zog Eulenspiegel vier Wochen über Feld von dannen und überlegte sich, was er mit dem Doktor anstellen könnte. Nachdem er sich bedacht hatte, kam er wieder nach Giebichenstein, verkleidete sich und gab sich als Arzt aus, da der Doktor bei dem Bischof oft siech war im Leib und viel Arznei dagegen benötigte. Und die Ritter erzählten dem Doktor, es sei ein Doktor in der Medizin gekommen, der sich auf viele Heilkünste verstünde.

Der Doktor kannte Eulenspiegel nicht und begab sich zu ihm in die Herberge. Und nach wenig Rederei nahm er ihn mit sich auf die Burg, und sie sprachen miteinander. Und der Doktor sagte zu dem Arzt, wenn er ihm von der Krankheit helfen könnte, wollte er es ihm gut lohnen. Eulenspiegel antwortete ihm mit Worten, wie die Ärzte pflegen, und spiegelte ihm vor, wie er eine Nacht bei ihm liegen müsste, auf dass er desto besser merken möchte, wie seine Natur beschaffen wäre. »Denn ich möchte Euch gerne etwas geben, bevor Ihr schlafen geht, damit Ihr davon schwitzt.« Und an dem Schweiß wollte er merken, was denn eigentlich seine Krankheit wäre. Der Doktor ließ sich das sagen und meinte, es wär' alles wahr, und ging mit Eulenspiegel zu Bett und meinte nicht anders, als wär' alles wahr, was ihm Eulenspiegel gesagt hatte. Sodann gab Eulenspiegel dem Doktor ein scharfes Abführmittel. Und der Doktor nahm an, er sollte davon schwitzen, und wusste nicht, dass es ein scharfes Abführmittel war. Da ging Eulenspiegel hin und nahm einen hohlen Stein und machte einen Haufen seines Kots hinein und legte den hohlen Stein mit dem Dreck zwischen die Wand und den Doktor auf das Bettbrett. Und zunächst lag der Doktor an der Wand, und Eulenspiegel lag vorn im Bett. So lag der Doktor und hatte sich gegen die Wand gekehrt. Da stank ihm der Dreck in die Augen, der in dem hohlen Stein lag, sodass er sich umkehren musste zu Eulenspiegel hin. Sobald sich aber nun der Doktor umgekehrt hatte, ließ Eulenspiegel stillschweigend einen Furz schleichen, der ganz übel stank. Da wandte sich der Doktor wieder um, aber sofort stank ihn der Dreck im hohlen Stein wieder an. So ärgerte Eulenspiegel den Doktor die ganze Nacht.

Das Abführmittel begann zu treiben und kräftig zu wirken, sodass sich der Doktor ganz und gar unrein machte und es gar übel stank. Da sprach Eulenspiegel zum Doktor: »Wie nun, werter Doktor? Euer Schweiß hat lange sehr gestunken, wie kommt es, dass Ihr solchen "Schweiß ausschwitzet? Es stinkt grässlich.« Der Doktor lag da und dachte: >Das riech' ich wohl auch und er war des Gestankes so voll geworden, dass er kaum reden konnte. Eulenspiegel sprach zu ihm: »Liegt nur still, ich will gehen und ein Licht holen, damit ich sehen kann, was es mit Euch auf sich hat.« Indem Eulenspiegel sich aufrichtete, ließ er noch rasch einen starken Blästerling streichen und sprach: »O weh, mir wird auch schwach. Das habe ich von Eurer Krankheit und Eurem Gestank bekommen.« Der Doktor lag da und war so krank, dass er sein Haupt kaum aufrichten konnte, und dankte dem allmächtigen Gott, dass der Arzt nun von ihm ging. Da bekam er ein wenig Luft, denn wenn der Doktor in der Nacht aufstehen wollte, hatte ihn Eulenspiegel, damit er nicht in die Höhe kommen konnte, festgehalten und beschwichtigt, er solle erst einmal genug schwitzen.

Als nun Eulenspiegel aufgestanden und aus der Kammer herausgekommen war, da lief er hinweg von der Burg. Indem ward es Tag. Da sah der Doktor den hohlen Stein an der Wand stehen mit dem Dreck, und er war so schwach und krank, dass sein Antlitz mit dem Gestank besudelt war. Alsbald nahmen die Ritter und Hofleute den Doktor wahr und entboten ihm einen guten Morgen. Der Doktor redete mit schwacher Stimme und konnte ihnen nicht gut antworten und legte sich in den Saal auf die Bank und auf ein Kissen. Da holten die Hofleute den Bischof dazu und fragten den Doktor, wie es ihm mit dem Arzt gegangen wäre. Der Doktor sprach: »Ich bin beladen gewesen mit einem Schalk. Ich meinte, es wäre ein Doktor der Arznei, aber es war ein Doktor in der Büberei.« Und dann erzählte er ihnen ganz genau, wie es ihm ergangen war. Da fingen der Bischof und die Hofleute an zu lachen und sprachen:

»Es ist ganz geschehen, wie Ihr gemeint habt. Denn Ihr sagtet, man solle sich um Narren nicht bekümmern, denn der Weise würde töricht bei Toren. Aber Ihr habt gesehen, dass einer sehr wohl durch Narren weise gemacht wird. Denn der Arzt ist Eulenspiegel gewesen. Den habt Ihr nicht erkannt und ihm geglaubt. Von ihm seid Ihr betrogen worden. Aber wir, die wir seine Narrheit hinnahmen, kannten ihn sehr wohl, wollten Euch aber nicht warnen, nachdem und weil Ihr so weise sein wolltet. Und niemand ist so weise, er soll auch Toren kennen. Und wenn es keine Narren gäbe, woran wollte man dann die Weisen erkennen?« Also schwieg der Doktor still und durfte hinfort nicht mehr darüber klagen.