Ein Märchen von Bruder und Schwester

Portugiesisches Märchen

Es gab einmal eine Zeit, da waren die Leute noch nicht so wie heute; sie waren — ja, wie soll ich sagen? — sie konnten, was sie wollten, und wenn jemand ans Ende der Welt gehen wollte, er kam hin; und wenn jemand zum Himmel hinaufsteigen wollte, ob ihr es glaubt oder nicht, es gelang ihm, dort anzukommen. Seitdem haben wir verlernt, was unsere Ahnen vermochten, und wir können nur noch davon erzählen. Es waren da einmal ein Mann und eine Frau, die hatten zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Und sie lebten so lange glücklich und zufrieden, bis eines Tages die Frau krank wurde und starb.
Der Mann war nun allein geblieben und dachte nicht mehr daran, sich zu verheiraten. Er war reich, hatte ein Haus mit einem großen und schönen Garten, Pferde und Wagen, und was zu einem guten Leben gehört.
In der Nachbarschaft aber wohnte ein junges Mädchen, das war ebenso hübsch wie verdorben. Sie sah den Besitz und wollte ihn haben. Und was sie wollte, das erreichte sie auch. Wenn seine Tochter, die Maria hieß, oder der Sohn, der den Namen Jose hatte, an ihrem Haus vorbeikamen, so rief sie die Kinder ins Haus, bewirtete und beschenkte sie reichlich, so dass die Kinder meinten, sie sei eine gute junge Frau. Und Maria und Jose erzählten daheim alles ihrem Vater und wie liebevoll jene Nachbarin mit ihnen sei. Und eines Tages lud die Nachbarin die Kinder ein und sagte zu ihnen: »Nächste Woche feiere ich meinen Geburtstag. Wenn ihr es fertig bringt, dass auch euer Vater zum Fest kommt, darf sich jedes von euch im Hause etwas von den Sachen wünschen, was ihr da seht, sei es eine Kette oder ein Tuch, ein Dolch oder ein Zaumzeug.«
Die Kinder waren begeistert von dieser Einladung und dem Angebot der Frau, und sie erzählten es daheim ihrem Vater. Der wollte lange nicht mitgehen, denn seit dem Tode seiner Frau lebte er sehr zurückgezogen; aber er wollte den Kindern ihren Gefallen tun, und so ging auch er dorthin. Man feierte da ein großes Mahl, aß und trank reichlich verschiedene Leckereien. Auch dem Witwer gefiel es dort sehr gut, und er blieb länger, als er eigentlich hatte bleiben wollen.
Am Ende des Festes aber stand der Mann auf und sagte: »Es war sehr schön, aber wir müssen nun nach Hause. « Da sagte die Nachbarin: »Noch einen Augenblick! Ich habe den beiden Kindern etwas versprochen, und das will ich halten. « Und sie stand auf, nahm Jose und Maria bei der Hand, führte sie durch ihr ganzes Haus, damit sie sich ein Geschenk auswählen könnten. Und sie schenkte Maria einen Ring und Jose einen silbernen Dolch. Und als sie in den Saal zurückkamen, wo die Gäste saßen, da öffnete sie eine Lade und schenkte auch dem Vater der Kinder etwas, ein schönes, seidenes Halstuch schenkte sie ihm.
Es verging einige Zeit, und der Vater der Kinder dachte schon nicht mehr an die hübsche Nachbarin, da kam es ihm eines Tages in den Sinn, das Halstuch anzuziehen, und als er es trug, erwachte eine unwiderstehliche Liebe zu jener Frau in ihm. Und er fragte seine Kinder: »Nun, ich sehe, ihr geht öfters zu unserer Nachbarin. Wie gefällt sie euch? « »Vater, sie gefällt uns sehr gut. « »Wollt ihr sie als Mutter haben? « »Ja, das wollen wir. «
Nun, der Mann ging hin, und obwohl ihm die Leute abrieten, heiratete er jene junge Frau.
Am Tag nach der Hochzeit sollte sie in das Haus ihres Mannes übersiedeln. Sie aber ließ die Kinder zu sich kommen, und sagte zu ihnen: »Ist es hier nicht schöner als in eurem alten Haus? Wenn ihr es fertig bringt, dass euer Vater hierherzieht, soll jedes von euch ein eigenes Zimmer haben, und alles, was in dem Zimmer steht, soll euch gehören. « Diesmal war es für Jose und Maria nicht so einfach, ihren Vater umzustimmen, denn er meinte, es gehöre sich nicht, dass der Mann in das Haus seiner Frau zöge. Aber als ihn die Kinder gar so sehr baten, gab er endlich nach, verkaufte sein eigenes Heim und zog in das Haus seiner zweiten Frau. Zunächst ging alles ganz gut. Aber die junge Frau war eine Hexe, und sie hatte nicht aus Liebe geheiratet, sondern weil sie den Besitz des Mannes wollte. Sie hasste den Mann ebenso wie seinen Sohn. Das Mädchen aber mochte sie, und sie wollte aus ihr auch eine Hexe machen.
Eines Tages, was tut sie? Als ihr Mann schlief, berührte sie ihn mit einem Zauberzweig, und im gleichen Augenblick wurde er zu einer Statue aus Holz. Die nahm sie, trug sie hinaus in den Schuppen, wo sie den hölzernen Mann hinter verschiedenen Geräten versteckte.
Dann ging sie in das Zimmer, wo Jose schlief, und sie berührte auch ihn mit der Zaubergerte, und da verwandelte er sich augenblicklich in einen Hund, und diesen Hund trieb sie unter Schlägen aus dem Hause.
Als am nächsten Morgen Maria erwachte, lief sie ins Zimmer ihres Bruders, aber sie fand da niemanden. Ihre Stiefmutter aber war schon aufgestanden und fragte sie: »Maria, wen suchst du? «
»Ich suche meinen Bruder Jose. «
»Ach, dein Bruder und dein Vater sind fortgegangen. Sie wollen eine Wallfahrt machen. «
Maria weinte, denn sie war traurig, dass der Vater und der Bruder sie nicht mitgenommen hatten. Aber schließlich beruhigte sie sich wieder und wartete auf ihre Heimkehr. Maria wartete einen Tag, sie wartete eine Woche, sie wartete einen Monat. Ja, es verging ein Jahr, und weder der Vater noch der Bruder kehrten heim.
Eines Sonntags ging Maria in die Kirche — sie ging immer zusammen mit einer Magd, denn ihre Stiefmutter ging nicht in die Kirche —, und als die Messe aus war, ging die Magd, um noch eine Kerze aufzustecken. Und als Maria allein in der Ecke stand, war ihr, als höre sie eine Stimme: »Maria, komm heute Abend zum Brunnen. « Es war ihr, als habe sie die Stimme ihrer Mutter gehört. Aber als sie sich umsah, erblickte sie niemanden.
Als sie am nächsten Sonntag wieder in der Kirche war, und als die Magd nach vorn ging, um eine Kerze anzuzünden, hörte sie wieder die gleiche Stimme: »Maria, komm heute Abend zum Brunnen! Du musst es unbedingt tun, sonst geschieht dir ein Unheil. « Maria sah sich um, aber sie konnte niemanden sehen. Nun war sie aber doch sehr erschrocken. Am Abend schlich sie leise aus dem Hause und ging zum Brunnen. Dort fand sie keine menschliche Seele, nur ein Hund lag dort. Als Maria kam, stand er auf, wedelte mit dem Schwanz und sagte: »Maria, ich bin Jose, dein Bruder. Die Stiefmutter ist eine böse Hexe, und sie hat unsern Vater getötet, aus mir hat sie einen Hund gemacht, und aus dir soll auch eine Hexe werden. «
»Was soll ich tun? «
»Du musst dir alles gut merken, was ich dir sage. Tust du alles genau so, dann können wir gerettet werden. Sonst sind wir alle drei verloren. Also pass gut auf! «
»Sprich nur! «
Der Hund legte sich hin, auch Maria setzte sich am Brunnen nieder. Und Jose sprach weiter: »Wenn wieder Vollmond ist, dann wird die Hexe nachts das Haus verlassen. Du darfst nicht einschlafen, sondern musst wach bleiben. Sofort, wenn die Hexe weg ist, gehst du in den Schuppen im Garten. Dort findest du in einem Winkel eine hölzerne Figur, das ist unser guter Vater. Du wirst ihn auf die Schulter nehmen und mit dir davontragen. Nimm auch den silbernen Dolch, der in meinem Zimmer liegt, und den Ring, den die Hexe dir geschenkt hat. Wenn du alles beisammen hast, dann komm hierher zum Brunnen. Ich werde hier auf dich warten. Was weiter geschehen muss, weiß ich, und es wird geschehen. Sei aber auf der Hut, weil die Hexe versuchen wird, dich einzuschläfern, ehe sie aus dem Hause geht. «
»Sei unbesorgt, ich will schon aufpassen. « So kam die Zeit, als der Mond voll wurde und die Hexe zum Tanzen gehen wollte. Am Abend brachte sie noch einen Becher voll Milch an das Bett von Maria und sagte: »Mein liebes Mädchen, trink hier diese Milch! Sie ist gesund und wird dir gut tun. Trinke und stärke dich, denn wir wollen bald eine Reise machen. «
»Ja, Mutter, ich will nur noch beten, dann werde ich die Milch trinken und schlafen. «
»So ist 's recht, mein Schätzchen. «
Als die Mutter das Zimmer verlassen hatte, stand Maria auf, goss die Milch in den Nachttopf, und legte sich dann wieder ins Bett, machte die Augen zu und stellte sich so, als ob sie schliefe. Nach einigen Minuten öffnete sich die Tür, die Hexe kam herein, sah nach dem Mädchen und meinte, es schliefe. Da ging sie weg und verließ das Haus.
Kaum hatte Maria vernommen, dass das Tor geschlossen war, da erhob sie sich leise, zog sich an und schlich in den Schuppen. Dort zündete sie eine Kerze an, suchte, und da fand sie wirklich eine hölzerne Figur, die wie ihr Vater aussah. Die staubte sie mit einem Tüchlein ab, nahm sie über die Schulter, trug sie bis zum Haustor, kehrte noch einmal zurück, um aus dem Zimmer von Jose den silbernen Dolch zu holen, den sie in ihren Gürtel steckte.
Als sie alles beisammen hatte — den Ring trug sie bereits am Finger —, öffnete sie leise das Tor, schaute links, schaute rechts — und als sie niemanden sah, lud sie sich die Holzfigur auf und eilte, so schnell sie konnte, zum Brunnen.
Am Brunnen wartete schon der Hund, der — wie ihr wisst — ihr Bruder Jose war. »Nun lauf, so schnell du kannst, hinter mir her! Bis morgen früh müssen wir jenseits des Flusses sein, denn die Hexe wird uns verfolgen, aber sie hat nur diesseits des Flusses Gewalt. Drüben sind wir so stark wie sie. «
Und nun begann ein Lauf, der die arme Maria ganz außer Atem brachte. Aber es wurde gerade langsam hell, da sahen sie den Fluss.
»Was sollen wir machen? Wie kommen wir da hinüber? Es gibt ja weit und breit keine Brücke«, sagte Maria.
»Du musst unsern hölzernen Vater ins Wasser legen und dich an ihm festhalten! Ich werde schwimmen und euch über den Fluss ziehen. «
Und so hat Maria es gemacht. Sie hat die Holzfigur wie ein Brett in den Fluss gelegt und sich daran angeklammert. Der Hund aber ist ins Wasser gesprungen, hat die Figur mit seinen Zähnen an den Füßen gefasst und seinen Vater und seine Schwester über den Fluss gezogen.
Am anderen Ufer sind alle nass aus dem Wasser gestiegen, Maria hat sich wieder die Figur aufgeladen, und der Hund ist ihr vorausgesprungen, bis sie zu einem Wald gekommen sind. Dort haben sie Rast gemacht.
In der Zwischenzeit war die Hexe heimgekommen, und bevor sie sich zu Bett legte, wollte sie noch nach Maria schauen. Sie öffnete leise die Türe zu dem Zimmer des Mädchens: Nichts! Ganz erschreckt läuft die Hexe durchs Haus, durchsucht alle Räume. Nichts! Maria ist nicht zu finden.
»O, diese Verräterin! Sie muss die Milch weggeschüttet haben! « Dann rennt die Hexe in den Schuppen.
»Nun werde ich den Alten endlich verbrennen! Warum habe ich es nicht schon längst getan? « Aber die Holzfigur ist verschwunden!
»O diese Verräterin! Und ich habe sie gehalten wie eine eigene Tochter! Sie soll mir aber nicht entkommen. «
Die Hexe hat sich die Nase mit einer Zaubersalbe eingerieben, um die Spur von Maria aufnehmen zu können, und sie ist wie ein Pferd gelaufen. Erst zum Brunnen, dann zum Dorf hinaus, und weiter bis zum Fluss. Aber da war es mit ihrer Kunst aus. Sie hat die Spur verloren, und den Fluss konnte sie nicht überqueren.
Lassen wir die Hexe am Fluss, und sehen wir, was Maria gemacht hat!
Als Maria und der Hund, ihr Bruder Jose, sich genügend ausgeruht hatten, nahm das Mädchen die hölzerne Figur ihres Vaters wieder auf die Schulter, und sie wanderten in die Berge hinein. Am Abend, als es finster wurde, kamen sie gerade zu der Klause eines Einsiedlers, der an einer Quelle am Rande eines Wäldchens wohnte. Dort stand ein Kirchlein, und daran war ein winziges Hüttchen gebaut, das nur aus einem Raum bestand.
Maria klopfte dort an: »Guten Abend. «
»Ave Maria«, antwortete der Klausner, »was willst du noch hier so spät am Abend? «
»Ich bin ein armes Mädchen, das auf der Flucht vor einer Hexe ist. «
»So komm herein! «
Das Mädchen ging hinein und erzählte dem Einsiedler ihre Geschichte. Der fromme Mann dachte lange nach, und dann sagte er: »Für das erste kannst du hier bleiben. Hier bist du sicher. Freilich musst du dich damit abfinden, auf der Empore in der Kirche zu schlafen, wie es die Pilger tun, denn hier ist kein Platz, und es schickt sich nicht. «
So schlief das Mädchen in dem Kirchlein, vor dessen Türe sich der Hund niederlegte, und in den Vorraum hatte es die hölzerne Figur des Vaters abgestellt.
Nach einigen Tagen sagte der Alte: »Ich habe in meinen Büchern nachgelesen, und nun weiß ich, was ich machen muss. Ich weiß auch, wie dein Vater und dein Bruder wieder erlöst werden können. Ich werde die hölzerne Figur deines Vaters verbrennen; die Asche aber muss ich zu einem bestimmten, heiligen Teich tragen und mit dem Lehm dort vermischen. Dein Bruder Jose kann mich begleiten. Du aber musst hierbleiben. Und nun pass auf: du weißt nicht, dass der Ring von der Hexe ein Zauberring ist. Mit ihm kann man jede beliebige Gestalt annehmen. Stecke ihn gleich an deinen Mittelfinger und sag: >Mach mich zum Einsiedler! «
Maria holte den Ring heraus, steckte ihn an den Mittelfinger und sagte: »Mach mich zum Einsiedler! «
Und sogleich verwandelte sie sich in eine Gestalt, die dem Eremiten gleichsah wie ein Ei dem andern, oder besser: wie ein Zwillingsbruder seinem Zwillingsbruder.
Dann sagte der Alte: »Während ich auf dem Wege bin, wird die Hexe hierherkommen. Sie wird dich fragen, ob du ein Mädchen mit einem Hund und einer hölzernen Figur gesehen hast. Dann wirst du antworten und sagen: >Ja, ich habe sie gesehen. < Dann wird die Hexe fragen: >Wohin sind sie gegangen? < Und du wirst erwidern:
Das Mädchen und der Hund
waren hier wohl manche Stund.
Sie gingen zum heiligen Teich.
Mir ist das Ganze gleich.
Dann wird die Hexe dorthin gehen, wo wir sein werden, aber sie wird uns nicht begegnen, weil wir einen andern Heimweg nehmen. «
Und damit schulterte der Alte die hölzerne Figur von Marias Vater, rief den Hund Jose und wanderte davon. Maria aber ging in der Gestalt eines Klausners und läutete die Glocke, denn es war gerade Zeit. Und kaum hatte sie die Glocke geläutet und ihr Gebet zu Ende gesprochen, da kam die Hexe an.
Die Hexe erkannte Maria nicht, wohl aber erkannte Maria sogleich ihre Stiefmutter wieder.
»He, Alter«, sagte die Hexe, »hast du nicht ein Mädchen mit einer hölzernen Figur und mit einem Hund gesehen? «
»O doch, ich habe sie gesehen, und ich habe sie einige Tage hier beherbergt. «
»Und wohin ist sie gegangen? «
»Du musst mir Zeit lassen, denn ich muss erst beten, und wenn ich fertig bin, werde ich nachdenken und es dir vielleicht sagen können. «
Der Klausner betete und betete, die Hexe aber strich draußen vor der Kirche unruhig auf und ab. Und nach einer Weile rief sie zur Tür hinein: »Bist du noch nicht fertig? «
»Nein, ich bin noch nicht fertig. Aber gleich. «
Und nachdem die Hexe längere Zeit so gewartet hatte und es inzwischen Abend geworden war, kam Maria in der Gestalt des Eremiten aus der Kirche heraus und sagte: »Also, jetzt bin ich fertig. Und so wie ich mich erinnern kann, wollte das Mädchen zu einem heiligen See oder Teich oder Tümpel gehen. Ganz genau weiß ich es aber nicht mehr. «
»Nun, das werde ich schon herausfinden. Aber für heute ist es schon zu spät. Kann ich hier bei dir übernachten? «
»Du kannst, wenn du willst, in meiner Hütte schlafen. Ich selbst werde dann in der Kirche bleiben. « Am nächsten Morgen machte sich die Hexe auf den Weg, ohne sich bei dem Einsiedler zu bedanken, und sie rannte und rannte, aber Maria und den Hund fand sie nicht. Am Abend kam die Hexe wieder zu der Hütte des Einsiedlers, und fragte: »Ist das Mädchen mit dem Hund noch nicht zurück? «
Und der Einsiedler antwortete:
»Das Mädchen und der Hund
waren hier wohl manche Stund.
Sie gingen zum heiligen Teich.
Mir ist das Ganze gleich. «
»Das glaube ich schon, dass dir das Ganze gleich ist«, rief die Hexe wütend, »aber mir nicht! «
Am nächsten Morgen nahm sie wieder die Spur auf, rannte bis zum heiligen Teich und kam am Abend wieder: »He, Mann! Ist das Mädchen mit dem Hund noch nicht zurück? « Und der Einsiedler antwortete wieder:
»Das Mädchen und der Hund
waren hier wohl manche Stund.
Sie gingen zum heiligen Teich.
Mir ist das Ganze gleich. «
»Und wenn es dir tausendmal gleich ist«, schrie die Hexe, »mir nicht! Und ich werde das Mädchen und den Hund schon noch erwischen. «
Am nächsten Tag gegen die Mittagszeit kam der richtige Einsiedler mit dem Vater von Jose und Maria, der nun wieder lebendig war, zurück. Und der Eremit sagte zu Maria, nachdem sie ihren Vater begrüßt hatte: »Nun gib einmal den Zaubrerin deinem Vater, denn wir wollen aus ihm auch einen Eremiten machen. « Maria zog also den Ring von ihrem Finger, gab ihn dem Vater, und der steckte ihn an und sagte: »Mach mich zum Einsiedler! « Und so geschah es. Dann aber sagte der richtige Klausner: »Den Hund müssen wir in der Kirche verstecken. Nun wohl, ich weiß, Hunde dürfen ja eigentlich nicht in die Kirche. Aber dieser Hund ist ja eigentlich ein guter Christ. Lauf also und versteck dich dort! « Und Jose machte es so.
Als die Hexe gegen Abend kam, läutete gerade die Glocke, und aus der Kirche hörte man einen schönen und frommen Gesang: drei Mönche sangen dort die Vesper. Die Hexe konnte nichts machen, als warten. Endlich waren die Mönche drinnen fertig. Als sie herauskamen, staunte die Hexe über ihre so große Ähnlichkeit.
»Wie gibt es das? « fragte sie.
»Ihr seht euch so ähnlich, dass ich nicht mehr sagen kann, mit wem von euch ich bisher gesprochen habe! «
»Das kommt davon, dass wir Brüder sind. «
»Und wie steht es nun mit dem Mädchen und ihrem Hund? «
»Ach, lass uns endlich mit deinem Mädchen und deinem Hund zufrieden! Uns interessieren weder Mädchen noch Hunde, denn wir haben etwas anderes zu tun. «
Die Hexe aber wollte nicht gehen. Da sagte zu ihr der richtige Einsiedler: »Du kannst hier nicht jede Nacht zubringen. Nun sind meine Brüder da, und wir brauchen die Hütte selbst. Such dir anderswo ein Nachtquartier!«
Er wusste aber, dass die Hexe in der Nacht wiederkommen würde, und er nahm den silbernen Dolch, den die Hexe dem Jose geschenkt hatte, und befestigte ihn so am Fensterbrett des Hüttchens, dass die Spitze nach oben zeigte.
In der Nacht, als es ganz finster war und alle schliefen, öffnete die Hexe leise den Fensterladen und wollte durchs Fenster in das Hüttchen hineinsteigen. Aber als sie sich dort anlehnte, drang ihr der Dolch in die Brust und zerschnitt ihr das Herz.
Am nächsten Morgen trugen die drei sie in den Wald und verscharrten sie dort. Dann verwandelten sich Maria und ihr Vater mit Hilfe des Zauberringes in ihre alte Gestalt zurück. Und auf den Rat des Einsiedlers gaben sie dem Hund den Ring in das Maul. Kaum hatte er den Ring verschluckt, da erhielt auch er seine menschliche Gestalt zurück. So endete alles gut, und Maria und Jose besuchten viele Jahre hindurch den alten Einsiedler, der sogar noch ihre Kinder taufte.
Und jetzt ist die Geschichte zu Ende.
Es bleibt aber die alte Weisheit bestehen:
»Madrasta nem de pasta!«
(Stiefmutter    gar kein Futter!)