Pfefferling

Märchen aus Bosnien-Herzegowina

Es waren einmal drei Brüder und drei Schwestern. Sie waren alle schon erwachsen und groß und hatten Vater und Mutter. Eines Tages erkrankte ganz plötzlich ihr Vater, und da er sah, er müsse sterben, rief er seine Frau, seine Söhne und Töchter zu sich, um sich von ihnen zu verabschieden und um sie zu segnen. Den Söhnen trug er folgendes auf: Wer als erster kommt und die Schwestern freit, dem mögen sie sie geben und sich nicht zieren. Dann starb der Vater. Es verging ein Jahr nach des Vaters Tod, als eines Abends jemand an die Tür pochte. Die Brüder öffneten. Da trat ein Mann ein, den sie weder kannten noch erkannten, und dieser begehrte die älteste Schwester. Die Brüder erinnerten sich des Letzten Willens ihres Vaters und gaben ihm wortlos die älteste Schwester. Dieser führte sie von dannen, und die Brüder wussten weder wohin noch wie weit sie ging. Am anderen Abend kam abermals ein Mann und freite die zweite Schwester. Die Brüder gaben auch sie hin, obwohl sie ihren Schwager nicht kannten. Und am dritten Abend kam einer und freite die jüngste Schwester. Auch sie verließ das Haus, ohne dass die Brüder wussten, mit wem und wohin sie ging. Danach verstrich ein volles Jahr, ohne dass sie von den Schwestern etwas hörten; auch wussten sie noch immer nicht, wo sie sich befanden. Länger hielten sie es nicht mehr aus. Sie rüsteten sich und brachen auf, die Schwestern zu suchen und zu besuchen. Sie wanderten lange und kamen in ein großes Waldgebirge. Inmitten dieses Gebirges standen herrliche Schlösser. Sie traten ein, aber da konnten sie etwas sehen! Ihre drei Schwestern waren darin. Sie fielen ihnen um den Hals, küssten sich und erkundigten sich nach dem Wohlergehen. Danach ließen sie sich nieder, um sich auszuruhen. Sie fragten die Schwestern, auf welche Weise sie hierhergelangt seien, und jene erzählten ihnen, sie seien mit Riesen verheiratet. Kaum hatten sie das gesagt, da fiel auch schon ein Streitkolben vor dem Schlosstor nieder. »Was ist das? « fragten die Brüder erschrocken. » Nichts, ein Riese kehrt von der Jagd zurück. « Da erschien auch schon der Riese, und da er jene drei erblickte, war er sehr erstaunt. Doch als die Frauen ihm sagten, es seien ihre Brüder, die sie, die Schwestern, besuchen, gab er sich zufrieden. Sodann wandte sich der Riese den Brüdern zu und sprach: »Wer von euch wird das Feuer unterhalten und wer auf die Jagd gehen? «
Die Brüder entgegneten, sie wollten das Feuer unterhalten; er aber, der Riese, möge auf die Jagd gehen. Darauf erwiderte der Riese:
»So ich eher von der Jagd zurückkehre, als ihr das Feuer entfacht habt, wisset, ich werde euch an jene Säule schmieden. Sollte aber euer Feuer eher brennen, als ich zurück bin, so dürft ihr mich anschmieden. «
Danach gab er ihnen eine Keule aus Blei; einen Zünder aus Stahl und einen Klumpen Blei statt eines Feuersteins und ging auf die Jagd.
Die armen Brüder quälten und quälten sich, und es kam nichts dabei heraus. Wer könnte schon aus Blei Feuer schlagen! Da kam auch schon der Riese von der Jagd. Da er sah, dass noch kein Feuer entfacht war, warf er die Beute hin, fassten die Brüder und schmiedete sie alle drei an die Säule, die inmitten des Hauses stand. Nun konnten sie sich überhaupt nicht bewegen. Die Schwestern nahmen sich ihrer an, nährten sie, wuschen sie und hielten sie rein.
So vergingen drei volle Jahre. Die arme Mutter verzweifelte schon vor lauter Warten; jedoch die Söhne kamen nicht. Sie hatte keine Kunde von ihnen gehört und auch keine Spur erfahren, geradeso, als wären sie im Wasser versunken. Der Alten war es ungemütlich so allein, und eines Tages sah sie ein Pfefferkorn vor sich liegen und dachte so bei sich: >Möge Gott mir doch einen Nachkommen schenken, selbst wenn dieser auch nur so klein wie dieses Pfefferkorn wäre. Nur damit ich jemanden hätte, mit dem ich mich unterhalten könnte. < Gott erhörte ihr Gebet. Als die Zeit herannahte, gebar sie ein Kind, das so klein wie ein Pfefferkorn war. Kaum war das Knäblein geboren, so sprach es schon; und je dunkler es am Abend wurde, umso mehr leuchtete es und erstrahlte. Der Mutter war es lieb, einen Sohn zu haben, und sie hütete ihn wie ihre eigenen Augen und nannte ihn Pfefferling. Aber eines Tages, als Pfefferling schon älter wurde, fragte er seine Mutter:
»Bei Gott, Mutter, warum hast du niemanden mehr außer mir? « Und die Mutter antwortete ihm:
»Jetzt habe ich niemanden außer dir; doch vor dir hatte ich drei Söhne und drei Töchter. «
Sodann erzählte sie ihm alles, auch von den Söhnen, dass diese in die Welt zogen, um ihre Schwestern zu suchen. Daraufhin sprach Pfefferling zu seiner Mutter, er wolle ausziehen und die Brüder und die Schwestern suchen. Die Mutter versuchte ihn davon abzuhalten und bat ihn, nicht zu gehen; aber vergeblich.
Pfefferling rüstete sich und machte sich auf den Weg. Er wanderte lange und fand schließlich zwölf Büffel in einem Gebirge, die eine riesige Eisenstange hinter sich her schleiften; daher konnte niemand die Büffel davontreiben. Sie waren in einen Zacken geraten und konnten sich kaum von der Stelle rühren. Pfefferling sprang hinzu, nahm die Stange auf den Rücken und trug sie auf den Berg. Als er sich umsah, waren weder Leute noch Büffel zu sehen; alles war verschwunden. Pfefferling trug das Eisen zu einem Schmied und ließ sich daraus eine Keule machen. Der Schmied machte ihm einen riesigen Morgenstern. Diesen nahm Pfefferling, warf ihn in die Wolken, hielt seinen Rücken hin und wartete den Morgenstern ab. Der Morgenstern schlug ihm aufs Kreuz, doch ihm kam es so vor, als hätte ihn ein Floh gestochen, und er dachte bei sich: >Das ist aber ein leichtes Ding! <
Dann kehrte er nach Hause und fragte seine Mutter, ob sein Vater noch irgendein Stück Eisen auf dem Boden zurückgelassen habe. Die Mutter entgegnete ihm: »Auf dem Boden liegt noch allerlei. « Pfefferling freute sich, sprang auf, ging hin und fand so an die zwei- bis dreihundert Oka Eisen. Er trug alles zu jenem Schmied und befahl diesem, ihm einen neuen Morgenstern zu schmieden. Der Schmied wunderte sich darüber, was der Kleine mit einem so großen Morgenstern anfangen wolle, und fragte: »Möchtest du davon nicht auch ein Schwert haben, oder alles nur als Morgenstern? « »Ach nein! Ich brauche kein Schwert, wenn der Morgenstern so ist, wie es sich gehört«, entgegnete Pfefferling. Als der Schmied den Morgenstern fertig hatte, ergriff Pfefferling ihn, warf ihn in die Wolken und wartete ihn mit dem Rücken ab. Da sauste der Morgenstern aus einer riesigen Höhe nieder, schlug ihm ins Kreuz, und Pfefferling zuckte in den Knien zusammen. >Jawohl, so ist er richtige dachte er für sich und zog weiter.
Er wanderte lange und gelangte in ein großes Waldgebirge. Inmitten des Gebirges fand er viele Schlösser vor und kehrte ein. Da wunderte er sich, als er drei Burschen, die angeschmiedet waren, sah, die von drei Frauen gespeist wurden. Kaum hatte er sich niedergelassen, um sich auszuruhen, da fiel ein Streitkolben vor dem Schlosstor nieder. Pfefferling packte ihn und schleuderte ihn dem Riesen zurück. Wieder warf ihn der Riese vor das Schlosstor, und Pfefferling schleuderte ihn abermals zurück. So verfuhren sie dreimal.
Da wunderte sich der Riese, denn nun wusste er, jemand war zu Hause bei ihm. Das war ihm sehr unangenehm, denn er hatte gemerkt, dass jener ein besserer Held ist als er. Aber was sollte er tun? Er hob seinen Streitkolben auf, legte ihn auf die Schulter und ging nach Hause. Als er jenen zu Hause erblickte, rief er: »Mein lieber Pfefferling, bist du's? « »Jawohl, Liebster, ich persönlich mit Kopf und Bart«, entgegnete Pfefferling.
»Nun, Pfefferling, wenn ich meine Sache eher erledigt habe als du, dann werde ich dich wie jene drei dort anschmieden; bist du eher fertig, so kannst du mich anschmieden. « Und so kamen sie überein. Pfefferling blieb zu Hause, um ein Feuer zu entfachen, und der Riese ging auf die Jagd. Auch ihm hinterließ der Riese eine Keule aus Blei, einen Zünder aus Stahl und einen Bleiklumpen statt eines Feuersteins. Pfefferling begann zu reiben und zu schlagen, und als er sah, es führt zu nichts, zog er, so schnell er konnte, seinen Zünder hinter dem Gürtel hervor, und im Nu knisterte das Feuer, noch ehe der Riese zurück war.
Das Feuer flammte schon hoch auf, da erschien der Riese und brachte drei Rehe mit. Wie versteinert stand er da, als er das Feuer erblickte. Er hatte gerade das Haus betreten und den Mund geöffnet, um etwas zu sagen, da schlug ihm Pfefferling mit dem Griff seines Morgensterns auf den Schädel.
»Aber«, stöhnte der Riese, »laß mich doch am Leben! Ich will dir von nun an für alle Zeit untenan sein. « Pfefferling schenkte ihm das Leben und machte ihn zu seinem Diener. Am anderen Tag gingen beide auf die Jagd. Kaum hatten sie den Wald betreten, da erspähte Pfefferling einen zweiköpfigen Riesen. Dieser hatte sich Mühlsteine an die Beine gebunden und rannte, was er konnte. Pfefferling fragte ihn, wohin er eile, und der Riese antwortete:
»Irnich, ich habe gehört, ein Held namens Pfefferling sei erschienen und hat meinen Bruder gefangengesetzt; nun eile ich, um ihn zu zermalmen. « Pfefferling entgegnete ihm: »Der bin ich, was willst du? «
Der Riese stürzte sich wie ein Schafbock auf ihn. Pfefferling indes tippte ihm mit dem Griff seines Morgensterns auf die Köpfe, und schon flehte der Riese:
»Aber Pfefferling, laß mich, bitte, am Leben! Ich will dir von nun an allezeit dienen. «
Pfefferling ließ ihn am Leben, nahm ihn in sein Gefolge auf und sie begaben sich zusammen auf die Jagd. Kaum hatte sich Pfefferling ein wenig von diesem Riesen gelöst, da erblickte er schon wieder einen anderen; dieser hatte drei Köpfe. Er trug eine Lanze in der Hand, die so groß wie eine Fichte war, und rannte immerzu. Pfefferling fragte ihn, wohin er eile. Dieser antwortete ihm:
»Ich habe gehört, ein Held namens Pfefferling sei im Schloss erschienen und hat meine beiden Brüder gefangengesetzt. Nun eile ich hin, um ihn zu zermalmen. « Pfefferling entgegnete ihm: »Der bin ich, was willst du? «
Da stürzte sich der Riese wie ein Schafbock auf ihn. Pfefferling jedoch tippte ihm mit dem Griff seines Morgensterns auf die Köpfe, und schon flehte ihn der Riese an:
»Pfefferling, schenk mir nur das Leben! Ich will dir von nun an allezeit dienen. «
Pfefferling ließ ihn am Leben und nahm ihn in sein Gefolge auf, auf dass sie gemeinsam jagen.
So jagten alle vier gemeinsam im Gebirge. Sie erlegten vier Rehe, entfachten ein Feuer und ließen einen Riesen zurück, der den Braten am Spieß zubereiten sollte, während die anderen weiterjagten. Der Riese schnitzte einen Spieß und begann ihn zu drehen. Eins nach dem anderen, so briet er alle vier Rehe und lehnte sie an eine Fichte. Kaum war er fertig, da erschien ein Bartloser und kam direkt auf ihn zu. »Los, laß uns essen, wenn du schon alles so schön gebraten hast«, rief jener Bartlose aus.
»Geh mir aus den Augen! Das werden schon andere essen, nicht du«, entgegnete ihm der Riese. Aber der Bartlose sprang hinzu und versetzte dem Riesen solche Ohrfeigen, dass sich der Riese einige Male überschlug. Der Bartlose schnappte alle vier Rehe, und husch, husch aß er sie auf. Dann machte er sich aus dem Staub.
Der Riese hatte kaum die Besinnung wiedererlangt, da kamen auch jene drei zurück; sie brachten noch vier Rehe. »Wo ist denn der Braten, Kerl? « fragten sie ihn. Der Riese erzählte ihnen, wie es war, und dass der Bartlose alles verzehrt habe.
Nun blieb der zweite Riese zurück, um jene vier Rehe zu braten, und die anderen drei zogen wiederum aus, um zu jagen. Als der Riese den vierten Braten gerade beiseite gelegt hatte, da erschien wieder jener Bartlose.
»Laß uns essen, wenn du schon alles so fein gebraten hast«, sagte er.
»Scher dich zum Teufel! Ich habe das nicht für dich gebraten! Das werden schon andere essen, nicht du«, entgegnete ihm der Riese. Der Bartlose sprang hinzu und versetzte dem Riesen Ohrfeigen. Der Riese überschlug sich. Indes nahm der Bartlose den Braten, und husch, husch verzehrte er alles. Der Riese war soeben wieder zur Besinnung gekommen, da erschienen schon jene drei; sie brachten noch drei Rehe und waren hungrig wie die Wölfe.
»Wo ist der Braten, Ärmster? Hat auch dir der Bartlose ihn verspeist? « fragten sie ihn. Und der Riese erzählte alles, wie es war.
Nunmehr blieb der dritte Riese zurück, um einen Braten zuzubereiten. Aber auch ihm verspeiste der Bartlose alles. Geradeso wie jenen beiden anderen. Als jene von der Jagd zurückkehrten, sahen sie die Bescherung, und der Hunger hatte sie so in seiner Gewalt, dass sie kaum noch gehen konnten. Da war nun die Reihe an Pfefferling, beim Braten zu bleiben. Die Riesen begaben sich auf die Jagd. Er briet alle vier Rehe, die sie gejagt hatten. Gerade als er dabei war, das vierte an eine Fichte zu lehnen, da tauchte jener Bartlose auf.
»Laß uns essen, wenn du schon alles so schön gebraten hast«, rief er.
»Scher dich zum Teufel! Du hast schon genug verzehrt! Nun wirst du nichts mehr erwischen, mein Lieber! « Der Bartlose stürzte sich auf Pfefferling, doch dieser fasste ihn, hob ihn auf die Schulter und schleppte ihn bis zu einer Buche. Er spaltete die Buche auf, klemmte den Bart des Bartlosen in jenen Spalt ein und ließ ihn so zappeln. Sodann kehrte er zu seinem Braten zurück. In dem gleichen Augen-blick kamen auch die Riesen an; jeder trug ein Reh. Da wunderten sie sich, als sie den Braten sahen, und da sie sehr hungrig waren, ließen sie sich sogleich nieder, ohne erst zu fragen, wie es ihm ergangen sei.
Nachdem sie sich ein wenig gesättigt hatten, erzählte ihnen Pfefferling, was er mit dem Bartlosen gemacht hat. Da brachen alle auf der Stelle auf, um den Bartlosen zu sehen. Doch als sie an die Buche kamen, war der Bartlose verschwunden; nur der Bart stak noch in der Buche, und die Buche war schon ganz krumm, so sehr hatte der Bartlose gezappelt. Sie erkannten die Blutspur, wohin er entflohen war, und gingen daher dieser nach, um ihn zu suchen. Immerzu, immerzu gingen sie so der Spur nach und kamen an einen großen Ab-grund. Hier hörte die Blutspur auf. >Der Kerl ist bestimmt hinabgestiegen^ dachten alle und begannen zu beraten, wer von ihnen in den Abgrund hinabsteigen sollte. Von den Riesen wagte sich keiner hinunter, und Pfefferling sagte sodann:
»Ich würde hinabsteigen, doch befürchte ich, ihr könntet mir einen Streich spielen. «
»Wir werden das nicht tun, bei Gott und unserer Seele«, schwuren die Riesen und ließen sofort Pfefferling in den Abgrund hinab. Als Pfefferling unten anlangte, fand er ein großes, geräumiges Feld vor. Auf dem Felde erblickte er ein
Haus und ging darauf zu. Als er in das Haus eintrat, sah er vier Gemächer, eins neben dem anderen. Er öffnete das erste, darin war ein Mädchen. Laß beiden Augen freies Walten, damit sie sich an ihr satt sehen! Sie saß da an einem goldenen Webstuhl und webte goldenes Tuch. Sodann öffnete er das zweite Gemach, darin saß ein noch viel schöneres Mädchen und vor ihm eine goldene Henne und Küken. Danach öffnete er das dritte Gemach, darin war ein noch viel jüngeres und schöneres Mädchen und vor ihm eine goldene Herde. Sodann öffnete er das vierte Gemach, darin war das jüngste und schönste Mädchen; es saß vor einem goldenen Stickrahmen und stickte mit Goldfäden. Pfefferling dachte so für sich: >Dies ist fürwahr die meinige, und jene anderen drei werde ich für meine drei Diener mitnehmen. <
Das jüngste Mädchen fragte ihn, wer und woher er ist. Pfefferling erzählte ihr, er sei von der Oberwelt gekommen, um den Bartlosen zu suchen.
»Aber das ist doch unser Bruder. Wenn du ihn töten willst, so nimm jenen hölzernen Säbel; mit ihm kannst du ihn entzweischlagen und noch sieben Fuß tief in die Erde. Er aber liegt draußen im Garten und schläft. «
Pfefferling betrachtete das Säbelchen und dachte: >Ob ich es nehme oder nicht? < Und so wie zum Spaß nahm er den hölzernen Säbel.
Als er in den Garten kam, fand er den Bartlosen schlafend vor. Er stellte sich oberhalb seiner hin, nahm seinen Säbel und jenen hölzernen, holte mit beiden zu gleicher Zeit aus, um ihn im Schlaf zu töten. Doch dann überlegte er es sich: es ist doch eine Schande, auf einen schlafenden Helden einzuschlagen. Vielmehr geziemt es sich, diesen zu wecken, auf dass er wisse, durch wen er ums Leben kommen wird. Und so weckte er rasch den Bartlosen auf. Während jener aufsprang und seinen Säbel zog, schlug ihn Pfefferling mit beiden Säbeln nieder. Welch ein Wunder! Sein Säbel hatte ihn nicht einmal gekratzt, doch jener hölzerne schnitt ihn entzwei und drang noch sieben Fuß tief in die Erde. Dann kehrte Pfefferling in das Schloss zurück, nahm alle vier Schwestern und begab sich wieder an jenes Loch, durch das ihn die Riesen hinabgelassen hatten. Zuerst ließ er die Mädchen hinaufziehen, und er kam als letzter an die Reihe.
So zogen die Riesen ein Mädchen, dann das zweite und das dritte hinauf. Als die Reihe an die Jüngste kam, sprach sie:
»Los, geh du voran; denn wenn sie mich hochgezogen haben, werden sie dich unten lassen. «
Aber Pfefferling wollte nicht hören und sagte, sie hätten ihm geschworen, ihm keinen Streich zu spielen. Und so zogen die Riesen auch das jüngste Mädchen hoch. Danach jedoch warfen sie das Seil hinab und gingen mit den Mädchen nach Hause. Pfefferling aber überließen sie sich selbst, auf dass er sich rette und dem Abgrund entrinne, so gut er könne.
Als Pfefferling erkannte, wie es um ihn stand, war er sehr überrascht und begann sogleich zu überlegen, was zu tun sei. Da bereute er ^s, dem Mädchen nicht gehorcht zu haben. Aber was sollte er tun, wo es doch gewiss so bestimmt war? Er brach auf und ging über das Feld, immerzu, bis er eine Stadt erblickte. Er ging schnurstracks drauflos, um in die Stadt zu gelangen. Als er nahe der Stadt war, erblickte er einen Berg,* und darauf leuchtete etwas Schwarzes. Er kam näher; doch da konnte er etwas sehen: ein Mädchen, mit einem schwarzen Tuch um das Haupt, saß auf dem Berg. Das Tuch war ganz durchtränkt von Tränen. Unterhalb des Berges war eine riesige Menschenmenge versammelt. Alle hatten große kupferne Wasserkrüge, kupferne Waschkannen und andere Gefäße. Pfefferling trat vor das Mädchen hin. Er grüßte und fragte sie, weshalb sie weine. Das Mädchen antwortete ihm: »Flieh von hier, du unbekannter Held, ehe auch du hier umkommst, genauso, wie ich arme junge Frau hier schmachte. Flieh, damit nicht auch du dein Leben verlierst, wenn ich schon meins aus Unglück lassen muss. «
Pfefferling schaute sie verwundert an und fragte sie, weshalb und durch wen sie ihr Leben lassen müsse. Sodann begann das Mädchen zu erzählen:
»Hier in der Nähe gibt es einen Drachen. Dieser hat das Wasser gesperrt und lässt niemand welches holt, ehe er nicht ein Pfand, und das heißt jeden Tag ein Mädchen, erhält. Erst dann gibt er das Wasser frei, und deshalb auch hat sich, wie du siehst, so viel Volk mit Gefäßen versammelt und wartet darauf, Wasser holen zu können. Durch die ganze Stadt ging nun schon die Reihe um, und jedes Haus gab ihm ein Pfand. Heute aber ist die Reihe an der Zarentochter, und siehe, ich warte auf den Augenblick des Schicksals, da mich der Drache verschlingen wird. Flieh, sag ich dir, ehe dir hier etwas widerfahren ist. «
Pfefferling lächelte und sprach zu ihr, dass er zwar nicht den Tod, wohl aber ein schlechtes Leben fürchte, und ließ sich sodann neben ihr nieder, um sich mit ihr zu unterhalten. Seinen Morgenstern rückte er dabei näher an sich heran. Nun legte er seinen Kopf in des Mädchens Schoß und bat sie, ihn zu lausen. Das Mädchen begann ihn zu lausen, und Pfefferling fing an zu schnarchen und zu röcheln, so als wäre ihm die Kehle durchschnitten. Während sie ihn so lauste, flocht sie ihren Siegelring in seinen Federbusch. Doch auf einmal begann sich der Berg zu erheben. Das Mädchen dachte immerzu an das bevorstehende Unheil und fing an zu weinen. Ihre Tränen kollerten dem schlafenden Pfefferling aufs Gesicht. Auf einmal fuhr er hoch und fragte sie, was geschehen sei.
»Siehst du denn nicht«, sagte das Mädchen und wies auf den Drachen.
Pfefferling ergriff sogleich seinen Morgenstern. Schon sperrte der Drache seinen Rachen auf, um sie zu verschlingen. Doch so leicht ging es nicht! Da streckte er noch seinen zweiten und seinen dritten Kopf hervor; aber Pfefferling nahm den Morgenstern und zwängte ihm ihn ins Gebiss. Sodann nahm er seinen Säbel und hieb ihm alle drei Köpfe ab. Danach schnitt er ihm die Ohren von den Köpfen ab und steckte sie in die Tasche.
In diesem Augenblick stürzte von irgendwoher ein Mohr hinzu, raffte alle drei Drachenköpfe zusammen und brachte sie dem Zaren als Beweis dafür, dass er den Drachen getötet und die Zarentochter gerettet hat. Da freute sich der Zar und befahl sogleich, in der ganzen Stadt ein Freudenfest zu veranstalten, und versprach dem Mohren seine Tochter als Frau. Pfefferling indes verlief sich unter dem Volk, ging aber dann in die Stadt und kehrte in einer Schenke ein. Vor der Schenke angekommen, warf er den Morgenstern hin, trat ein und ließ sich nieder. Nachdem er sich ausgeruht hatte, ging er in das Schloss des Zaren und meldete diesem, dass er den Drachen getötet und die Zarentochter gerettet habe. Nun befand sich der Zar in einer seltsamen Lage. Er betrachtete sich Pfefferling und sprach zu ihm:
»Der Künder der freudigen Nachricht und Retter meiner Tochter war schon vor dir da«, und wies dabei auf den Mohren. Daraufhin beeilte sich der Mohr und sagte: »Wie kann es überhaupt sein, dass dieser winzige Kerl einen solchen Drachen tötet? Man sieht doch, dass er gar keine Waffe besitzt. «
Doch Pfefferling antwortete darauf:
»Meine Waffe ist vor jener Schenke geblieben. Wenn du es nicht glaubst, so geh hin und bring sie her! « Der Mohr sprang auf und ging in die Schenke. Er schnüffelte in der Schenke umher, dahin, dorthin: nirgends war eine Waffe zu sehen; den Morgenstern vor der Schenke hatte er gar nicht beachtet. Voller Freude eilte er zum Zaren und berichtete, er habe keine Waffe gefunden. So er nun keine habe, dann bedeutet das, dass er überhaupt keine hatte. »Doch nun sollst du sehen«, sagte Pfefferling, lief vor die Schenke, nahm seinen Morgenstern und trat vor den Zaren. Da wunderte sich der Zar über die Kraft des Kleinen und über dessen Morgenstern und wandte sich wiederum an ihn, »Damit schlägt man keinem Drachen die Köpfe ab. Wo hast du nun den Beweis, dass du die Köpfe abgehauen hast, die der Mohr mir gebracht hat? «
»Was hat der Mohr gebracht? « fragte Pfefferling, und als man ihm die Köpfe zeigte, fuhr Pfefferling mit der Hand in die Tasche, zog alle sechs Ohren heraus und warf sie vor den Zaren hin.
»Hier sind die Ohren zu diesen Köpfen. Sprich nun, wer hat den Drachen getötet? «
In diesem Augenblick trat die Zarentochter herein, und da sie den Federbusch des tapferen Pfefferlings musterte, fand sie in ihm ihren Siegelring und ließ den Zaren wissen, dass dieser der Held ist, der sie vom Tode gerettet hat. Nun glaubte es auch der Zar, und er ließ den Mohren beseitigen. Dem wackeren Kleinen aber fiel er um den Hals und küsste ihn wie seinen leiblichen Sohn.
Daraufhin bot der Zar Pfefferling seine Tochter zur Frau an. Doch dieser dankte ihm und sagte, er wünsche keine andere Belohnung, als dass er ihn auf die Oberwelt hinaufbringe. Da war der Zar erstaunt und sagte:
»Verlange etwas anderes, was du willst. Nur das allein kann ich dir nicht erfüllen. «
Pfefferling bekannte, er wünsche sich nichts anderes. Da wurde der Zar nachdenklich und sprach: »Ungefähr zwei Stunden von hier entfernt lebt ein Vogel, der so groß ist wie ein Drache; dieser hat in jedem Jahr zwei Junge, wie zwei Büffel so groß, doch er kann sie nie ernähren.
Ein Drache stiehlt ihm die Jungen, ohne dass er selbst wüsste, was mit ihnen geschieht. Geh hin und bewache die Jungen. So er dich nicht auf die Oberwelt hinaufträgt, ich wüsste nicht, wer es sonst könnte. Aber geh sogleich und werde mit ihm einig. Was immer er verlangt, komm hierher und laß mich es wissen, ich will es dir geben. «
Pfefferling brach auf und nahm seinen Morgenstern mit. Als er an jenen Ort kam, fand er eine riesige Weide vor und darauf ein Nest, das so groß wie zwei Tennen war. Im Nest kauerten zwei große Junge, so groß wie die beiden größten Büffel. Sie waren ohne Mutter, die irgendwohin geflogen war und die Jungen allein ließ. Als die Jungen Pfefferling erblickten, schrien sie auf, so als ob sie jemand schlachten wollte, und flohen an das andere Ende des Nestes. Es dauerte eine Weile, da bäumte sich die Weide, und die Jungen stürzten sich auf Pfefferling. Nun sah er genau hin und konnte etwas sehen! Ein riesiger Drache schob seinen Kopf hervor und wollte die Jungen verschlingen. Er streckte schon seine Zunge heraus, aber er erreichte sie nicht. Nun stieß er noch den anderen Kopf vor und rollte die Zunge, doch es nützte nichts. Dann aber streckte er den dritten Kopf hervor. Er holte tief Luft und sog sowohl die Weide als auch die Jungen in seinen Rachen hinein. Selbst Pfefferling wurde von dem Luftstrom erfasst, griff aber rasch nach seinem Morgenstern und zwängte ihm diesen zwischen die Zähne. Eilig fasste er seinen Säbel und hieb dem Drachen alle drei Köpfe ab. Das Blut rann dahin wie ein Fluss, und der Himmel verfinsterte sich. Die Jungen umschwirrten Pfefferling und beschützten ihn mit ihren Flügeln.
Es dauerte nicht lange, da tauchte jener Riesenvogel auf. Als er sich dem Nest näherte, krächzte er; indes die Jungen rührten sich nicht. Da krächzte er das zweite und dann das dritte Mal. Erst jetzt eilten die Jungen ihm entgegen. Der Regenvogel erblickte Pfefferling und sprach:
»Ha, ha, Schlaufuchs! Nun bist du mir in die Falle gegangen!
Du bist also der, der meine Jungen umbringt! «
Da fingen die Jungen an zu erzählen, wie und was geschehen war.
Wie freute sich der Riesenvogel, als er dies vernahm! Er sprach zu Pfefferling:
»Verlange von mir, was du willst. Ich werde es dir geben, weil du meine Kinder gerettet hast. «
Pfefferling antwortete ihm, er wolle nichts ander.es, als dass ihn der Riesenvogel auf die Oberwelt bringe. Da schaute ihn der Riesenvogel mit unglücklichen Augen an und meinte: »Dich könnte ich schon noch hinauf schaffen, aber deinen Morgenstern kann ich nicht tragen. «
»Ich aber wiederum kann ohne meinen Morgenstern nirgends hin«, entgegnete Pfefferling. Daraufhin sagte der Riesenvogel:
»Ich benötige vierzig Tage, um mich gut zu ernähren. Während dieser vierzig Tage muss ich jeden Tag einen Widder haben. Ehe ich mich auf den Weg begebe, benötige ich außerdem noch vierzig Widder, vierzig Kuchen und vierzig Bälge mit Wasser. Dann kannst du den Morgenstern mir auf den Rücken legen, dich auf den Morgenstern setzen, und wir wollen in Gottes Namen auf die Oberwelt fliegen. So ich mich unterwegs nach rechts wende, wirst du mir einen Widder und einen Kuchen reichen; schaue ich nach links, dann gib mir einen Balg mit Wasser. Wenn es dir gelingt, dies alles herbeizuschaffen, könnten wir uns noch einmal über die Reise unterhalten. «
Pfefferling versprach, alles zu besorgen, was der Riesenvogel verlangte, und begab sich sofort zu dem Zaren und erzählte ihm alles. Als vierzig Tage um waren, bereitete er noch vierzig Widder, vierzig Kuchen und vierzig Bälge mit Wasser vor. All dies lud er auf den Vogel, legte darauf seinen Morgenstern und setzte sich selbst obenauf. So flog der Rie¬senvogel in Gottes Namen davon.
Wenn sich der Riesenvogel nach rechts wandte, gab er ihm einen Kuchen und einen Widder; blickte er nach links, gab er ihm einen Balg mit Wasser.
Nach und nach war alles aufgezehrt, und der Riesenvogel war noch nicht auf der Oberwelt angelangt. Da wandte er sich zum letzten Male nach rechts und weil Pfefferling nichts mehr hatte, was er ihm hätte geben können, schnitt er sich ein Stück Fleisch aus seinem Oberschenkel und reichte es dem Riesenvogel. Dieser packte hungrig zu und nahm es in den Schnabel. Weil er aber bemerkte, was es war, fraß er es nicht, sondern verbarg es unter der Zunge. Nunmehr sammelte er seine ganze Kraft und flog mit einem letzten Ruck nach oben. Als Pfefferling die obere Welt erblickte, freute er sich sehr. Der Riesenvogel setzte ihn ab. Aber siehe da! Pfefferling konn4^ nicht auf dem Bein stehen, von dem er sich ein so großes Stück Fleisch abgeschnitten hatte. Nun lag er sieben Tage lang da. Während dieser Zeit ruhte sich der Riesenvogel aus. Schließlich sprach der Riesenvogel zu ihm: »Es ist Zeit, Abschied zu nehmen. Ich bitte dich, schreibe mir einen Bericht, dass ich dich gesund hierhergebracht habe, denn ohne Schreiben darf ich nicht vor dem Zaren erscheinen. «
Pfefferling gab ihm ein Schreiben.
Danach sagte der Vogel zu ihm, er könne hingehen, wohin er wolle.
»Ich kann mich doch nicht auf dem Bein halten; ich bin noch so furchtbar müde«, antwortete Pfefferling. Der Riesenvogel ahnte den wahren Grund und fragte ihn, was es war, das er ihm zuletzt gereicht hatte. Pfefferling versuchte bald so, bald anders auszuweichen. Schließlich gestand er seine Tat. »Deshalb wohl kannst du dich nicht auf dem Bein halten«, sprach der Vogel, nahm jenes Stück Fleisch unter der Zunge hervor und spuckte es ihm an den Oberschenkel, wo die Wunde war. Kaum war dies geschehen, sprang Pfefferling wie ein junges Reh auf, verabschiedete sich vom Riesenvogel und zog in den Wald. Er wanderte und gelangte an das Haus der Riesen. Als die Riesen ihn erblickten, rannten sie ihm entgegen, um sich auf ihn zu stürzen, aber da fielen sie auch schon mausetot um.
Nunmehr befreite Pfefferling die angeschmiedeten Menschen und zog mit ihnen sowie den Frauen der Riesen und jenen Mädchen nach Hause. Wie freute sich da seine Mutter, als sie alle Söhne und Töchter erblickte! Sie eilte ihnen entgegen und fiel den älteren Söhnen um den Hals. Da wunderte sich Pfefferling darüber, was seine Mutter tat, und sagte zu ihr: »Gott möge dir beistehen, Mutter! Du fällst fremden Menschen um den Hals und vergisst den leiblichen Sohn. « Aber seine Mutter antwortete ihm:
»Das sind doch meine älteren Söhne und diese hier meine Töchter, deine leiblichen Brüder und Schwestern! Weißt du denn das nicht? Du bist doch ausgezogen, um sie zu suchen. « Da freute sich Pfefferling sehr, und es tat ihm gar nicht leid, dass er sich so sehr in der Welt herumgeschlagen hatte, wo er nun doch seine Brüder und seine Schwestern gefunden hatte. Sodann erzählte er seiner Mutter alles: wohin er gezogen und mit wem er gekämpft hatte. Er erzählte ihr auch von den Riesen, von dem Bartlosen und dessen vier Schwestern; und er gab jedem der Brüder eine zur Frau und sich behielt er die Jüngste. Sie heirateten und blieben alle zusammen, lebten in Zufriedenheit und waren glücklich.