Der wundertätige Anno zu Siegburg

aus dem Rheinland

Als eines Tages der im Jahre 1083 heilig gesprochene Erzbischof Anno von Köln zu Siegburg war, ward einer der dortigen Mönche sehr krank. Da nun weder Hilfe noch ein Mittel zur Stelle war, welches dem Kranken hätte Hoffnung auf Genesung geben können, so sandte der Erzbischof einen schnellen Läufer nach Köln, mit dem Auftrag, ihm den Arm des Märtyrers St. Georg ohne Verzug herüberzubringen, indem er versicherte, dem Kranken werde gewisslich geholfen sein, wenn er etwas von dem Öl, in dem die Reliquie bewahrt werde, zu sich nehme.

Es geschah, wie er geboten, und als ihm die Kapsel mit dem Arm gebracht wurde, fragte er nach dem Schlüssel, um sie zu öffnen. Dem Boten fiel aber nun zu seinem großen Verdrusse ein, dass er ihn, da niemand daran gedacht hatte, zu Köln gelassen. Als der Erzbischof aber darauf, wie zum Versuch, mit zwei Fingern das Schloss leicht erschütterte, hörten die Anwesenden bei der ersten Berührung innen einen klirrenden Ton, wie er durch ein scharfes Drehen eines Schlüssels hervorgebracht zu werden pflegt, wobei die Riegel des Schlosses sogleich aufsprangen. Da sie dies aufs deutlichste mit ihren Ohren vernommen, waren sie nicht wenig erstaunt, den heiligen Mann also die Dienste des Schlüssels bis zur Öffnung selbst verrichten zu sehen. Wie es scheint, war es jener von ihm ausgehende Zug, der hier waltete und der Elastizität der Feder entgegenwirkend den Riegel zurückgeschoben hatte, wie man etwa mittels eines starken Magneten, wie einer Springwurzel sich bedienend, Schlösser öffnen konnte.