Die treue Frau

Spanisches Märchen – Katalonien

Es war einmal vor langer, langer Zeit ein schönes junges Mädchen, das hieß Teresa. Sie war die Tochter eines Fürsten, und alle mochten sie gut leiden, weil sie nicht nur sehr hübsch, sondern auch sehr gut war. Als sie herangewachsen war, nahm sie ihr Vater einmal in eine benachbarte Stadt mit zu einem Feste, und als sie dort die Sardana tanzte, sah sie der Sohn des dortigen Fürsten. Er hieß Florind, und im gleichen Augenblick, da er das Mädchen schaute, verliebte er sich in Teresa. Die beiden Väter waren es zufrieden, und bald wurde eine glänzende Hochzeit gefeiert.

Das Glück der beiden Liebenden dauerte jedoch nicht lange, denn es brach ein Krieg aus mit dem König der Mauren, und Florind musste mit seinem Vater und Schwiegervater ins Feld ziehen. Teresa trauerte sehr um ihren jungen Gatten, der nun in der Ferne weilte, und um sich über seine Abwesenheit hin-wegzutrösten, nahm sie sich umso mehr der Armen an. Nicht genug damit, ging sie auch ins Hospital, um die Kranken zu pflegen. Dort fand sie in einem elenden Raum ganz allein einen kranken Mann, der hatte den Aussatz. Da seine Krankheit einen so üblen Geruch verbreitete, hatte man ihn einzeln gelegt, und niemand wollte sich seiner annehmen, seine Wunden verbinden und ihm zu essen geben. Teresas Herz wurde von Mitleid gerührt, und sie pflegte den armen Kranken, als ob es ihr eigener Bruder wäre. Langsam besserte sich das Übel, und eines Tages war er ganz geheilt. Da lobte er Gott, und um sich dankbar für seine Genesung zu erweisen, ging er In den Wald und wurde ein frommer Einsiedler. Indessen kam ein maurischer Prinz mit seinem Heer in die Nähe der Stadt, in der Teresa lebte. Er belagerte sie und erstürmte sie nach kurzem Widerstand, denn es waren nur die Greise zurückgeblieben. Der Prinz betrat das Schloss und sah Teresa. Eine solche Schönheit hatte er noch nie erblickt! Schnell hatte er sich verliebt und fragte, ob sie ihn nicht hei-raten wolle. Sie sei schon vermählt, entgegnete Teresa. Der Mohr aber bedrängte die junge Frau immer mehr, sie solle die Seine werden. »Wer weiß«, sprach er, »ob dein Gatte überhaupt noch am Leben ist. Wenn du aber meine Frau wirst, so werde ich dir mehr Reichtümer zu Füßen legen, als dein Gatte überhaupt je besessen hat. « Teresa aber blieb standhaft und wies den Prinzen immer wieder ab.

Der Mohr ergrimmte zuletzt und beschloss, Teresa mit Gewalt gefügig zu machen. Er ließ sie in einen hohen Turm sperren und gab ihr nur gesalzenen Fisch zu essen, brachte ihr aber nichts zu trinken. Die arme Teresa drohte zu verschmachten, aber sie gab nicht nach, sondern leckte am Morgen immer den Tau von den Wänden des Turmgemachs. Als der Prinz sah, dass er auch mit der Folter sie nicht gefügig machen konnte, wollte er sie mit roher Kraft überwältigen. Doch als er ihr Zimmer betrat, war ihr Gesicht vom Aussatz entstellt, und er wich angeekelt zurück. Da gab er seinen Versuch auf und kümmerte sich in Zukunft nicht mehr um die junge Frau. Die aber erholte sich wieder und ward noch schöner als je zuvor.

Der Teufel hatte das alles gesehen, und er wurde zornig, als er sah, dass Teresa so viel Gutes tat und durch keine Versuchung zu Fall zu bringen war. Da verwünschte er das Kind, das sie in ihrem Leibe trug, so dass es ganz schwarz wurde. Florind hatte in der Zwischenzeit wacker gekämpft und zusammen mit seinem Vater und Schwiegervater das Heer der Mauren besiegt. Siegreich kehrte er zurück, und der Mauren¬prinz musste über Nacht die Stadt verlassen und fliehen. So waren die beiden Liebenden wieder vereint, aber das alte Glück wollte sich nicht wieder einstellen, denn böse und neidische Zungen hatten Florind eingeflüstert, dass sich Teresa in den maurischen Prinzen verliebt habe. Zwar wollte er den bösen Worten nicht glauben, doch blieb ein Stachel in seinem Herzen zurück.

Nun kam die Zeit, da Teresa gebären sollte, und sie brachte ein Kind zur Welt, das war ganz schwarz und glich in nichts Florind. Als der es sah, wollte er gleich zuerst das Kind und dann seine Frau töten, denn er glaubte sich betrogen. Da fiel ihm sein Vater in den Arm und sagte: »Warte ein wenig und handle nicht voreilig. Ich habe von einem frommen Eremiten gehört, der wohnt im Walde und ist sehr weise. Ihn wollen wir erst befragen. « Da machten sich beide auf den Weg und gingen hinaus in den Wald. Ohne sich zu erkennen zu geben, erzählten sie dem Einsiedler die ganze Geschichte. Der fragte: »Habt ihr den flüchtigen Mauren gefangen? « — »Wir haben ihn und werden ihm den Kopf abschlagen. « — »So führt ihn nach der Messe in die Kirche, dann soll Euer Weib kommen, und sie soll das Kind auf dem Arme mit sich tragen. Dann fragt das Kind: >Sage mir, so wahr es einen Gott gibt, wer dein Vater ist! < Und nach wessen Seite das Kind die Hände ausstreckt, der ist sein Vater. «

Florind und sein Vater taten, wie sie der Einsiedler geheißen. Sie ließen den gefangenen Maurenprinzen rufen und führten ihn in die Kirche. Dann musste Teresa kommen, und sie trug das arme schwarze Kind auf den Armen. Nach der Messe aber stellte sich Florind auf die rechte Seite Teresas, zur linken stellte man den Mohren. Dann sagte Florinds Vater:

»Kind, suche deinen Vater, so wahr es einen Gott gibt! « Da streckte das Kindchen seine Arme zu Florind, und obwohl es erst drei Tage zählte, rief es laut: »Da steht mein Väterchen. « Da warf sich Florind seiner Gemahlin zu Füßen und erflehte unter Tränen ihre Verzeihung. Dann umarmte er seinen kleinen schwarzen Sohn. Der alte Fürst hatte inzwischen den Priester geholt, und als der den Kleinen taufte, wich der Bann des Teufels, und das Kind wurde so weiß wie Schnee und so schön wie eine Lilie. Da dankten alle Gott und feierten ein frohes Fest. Florind vergaß auch nicht, den Einsiedler zu rufen. Er machte ihn zum Schlosskaplan, und alle lebten lange glücklich und in Frieden.