Vom König und seinen drei Söhnen

Litauisches Märchen

Ein König hatte drei Söhne, von denen waren zwei ganz klug, und einer war dumm. Einst ließ der König verkünden, - daß alle Zigeuner sein Land zu räumen hätten; nach Verlauf von vier Wochen werde er herumreisen, und da wollte er keinen mehr sehen. Als sich nun der Herr und König auf die Reise begab, da kam er nach Litauen und begegnete einem alten Zigeuner, der mit einem Karren her­gefahren kam, und auf dem Karren hatte er ein wenig Erde.

Der König sagte: »Na, Zigeuner, bist du noch da? Weißt du denn nicht, daß du mein Land zu verlassen hast?« Der Zigeuner stellte sich auf dem Karren auf die Erde und sagte: »Ich stehe auf meiner Erde. Mein Herr und König, ich will Euch eine große Neuigkeit verkünden.«

»Wovon denn, mein lieber Zigeuner?« »Lieber König, wenn ein Jahr und ein Tag verflossen sein wird, da werdet Ihr erblinden.«

Der König sagte: »Da setz dich zu mir in den Wagen«, und sie fuhren nach Hause. Der Zigeuner aber bekam beim Könige zu essen und zu trinken, bis ein Jahr und ein Tag verstrichen war. Das Jahr ging dahin, und es kam der Tag, und es war ein sehr sonniger Tag. Als es nun nachmittags vier Uhr geworden, sagte der König zu sei­nen Dienern: »Bedeckt sich denn der Himmel mit Wolken?«

»Es ist nichts davon zu sehen«, antworteten sie, »Herr und König, al­les ist voller Sonnenschein.« Nicht lange danach, als es fünf Uhr war, sagte der König wieder: »Ist's denn schon Abend?«

»Ei, wo denn«, sagten die Diener, »es ist ja erst fünf Uhr.« Nach einer kleinen Weile konnte der König schon nichts mehr sehen, da ließ er den Zigeuner rufen. »Nun, Zigeuner, wenn du wußtest, daß ich erblinden würde, so mußt du auch wissen, wo man solche Mittel findet, die mir mein Augenlicht wiedergeben können.«

»Jawohl, lieber König, das weiß ich auch, nur bin ich schon zu alt, um die Reise dahin zu machen, denn der Weg führt durch drei verwünschte Länder.« Der König sagte: »Ich habe drei Söhne, die werden doch hinreisen können?«

»Jawohl, die könnten«, sagte der Zigeuner. Da machten sich die zwei Ältesten auf die Reise. Nachdem sie zwei Tagesreisen zurückgelegt hatten, kamen sie zu einer sehr schönen Stadt mit Namen Schönheit, und am Tor der Stadt stand geschrieben: »Wer in die Stadt geht und sich nur drei Stunden dort aufhält, der braucht nichts zu bezahlen, aber wer länger bleibt, der muß für die Stunden einen Taler geben.«

Als beide in der Stadt waren, vergaßen sie die Worte des Vaters. Der Vater, der vergeblich auf ihre Rückkehr wartete, sagte zum dritten: »Be­gib du dich auf die Reise, mein lieber Sohn: Wer weiß, wo jene beiden hingeraten sind.« Da machte er sich auf den Weg, und wie er an dieselbe Stadt kam und die Inschrift fand, da ging er in die Stadt hinein, sah sich um und ging wieder heraus. Nun setzte er sich in sein Schiff und setzte seine Reise fort. Als er mit dem günstigsten Wind eine Tagesreise zurückgelegt hatte, sah er gegen Abend eine Insel in der Ferne. Er machte mit seinem Schiff halt, stieg in einen Kahn und ruderte ans Ufer; denn er wollte wis­sen, was auf der Insel sei.

Als er hinkam, fand er einen kleinen Backofen. Er ging an dessen Tür, sah durch ein Löchlein hinein und erblickte drinnen einen Wolf. Da er­schrak er, aber er klopfte doch an die Tür und lief schnell in seinen Kahn; der Wolf aber war aufgesprungen, setzte ihm nach und rief, er sollte warten. Der Prinz, als er in seinem Kahn saß, dachte: »Sollst du gehen oder nicht?« Aber er entschloß sich doch und kehrte zum Wolf zurück.

Der Wolf sagte zu ihm: »O Mensch, was hast du mir getan! Ich kniete hier schon neunundzwanzig Jahre, aber jetzt muß ich wieder neunundzwanzig Jahre knien; wärst du nicht gekommen, so hätte ich nur noch ein Jahr zu knien gehabt und wäre dann erlöst gewesen.« Der Prinz erzählte ihm seine ganze Angelegenheit, wie er in das und das Land reise, um ein Mittel für die Augen zu holen.

»Nun, lieber Prinz, was ist zu tun? Jetzt wirst du zunächst meinen Bruder treffen, der ist ein Bär; gib acht, daß du vor Schreck nicht nie­derstürzt, wenn er anfängt zu brüllen. Ich will dir aber ein Zettelchen geben, und wenn du meinst, du könntest ihm nicht entfliehen, so wirf ihm den Zettel hin, in den wird er hineinsehen, und so kannst du ent­fliehen.« So reiste denn der Prinz wieder weiter. Der Wind blies günstig und stark genug, und so sah er denn wieder gegen Abend eine Insel in der Ferne schimmern. Er machte mit seinem Schiff halt, stieg in einen Kahn und ruderte ans Ufer. Als er hinkam, sah er abermals einen kleinen Backofen, und als er durch ein Löchlein hineinsah, sah er drinnen einen Bären knien. Jetzt dachte er: »Sollst du klopfen oder nicht«; aber er meinte, mag daraus werden was da will, ich werde klopfen. Er tat einen Schlag an die Tür und lief hastig auf seinen Kahn zu. Als aber der Bär aufsprang und zu brüllen anhob, da dachte der Prinz, er könnte nicht mehr entfliehen, und warf das Briefchen hin, das er vom Wolf erhalten hatte. Der Bär sah den Zettel, und der Prinz nutzte die günstige Gelegenheit und sprang in seinen Nachen.

Der Bär rief: »Prinz, komm mal her! Es ist nicht gut, daß du hierher kamst; ich habe nun schon neunundzwanzig Jahre gekniet, und nun muß ich noch einmal so lange knien; aber was ist zu tun? Gott helfe dir! Aber jetzt wirst du noch zu meinem Bruder, dem Löwen, kommen; nimm dich in acht, daß er dich nicht zerreißt und daß du, wenn er an­fängt zu brüllen, vor Schreck über seine Stimme nicht zur Erde stürzt. Ich will dir ein Briefchen geben, wenn du dann meinst, du könntest ihm nicht entfliehen, so wirf's ihm hin; er wird hineinsehen, und du wirst entkommen.« Der Prinz reiste sodann weiter. Als er den ganzen Tag gefahren war, sah er gegen Abend wieder eine Insel in der Ferne schimmern. Er machte mit seinem Schiff halt, bestieg einen Nachen und ruderte ans Land. Hier schaute er sich um und sah wieder einen kleinen Ofen stehen. Als er durch ein Löchlein hineinsah, da erblickte er einen knienden Löwen. Jetzt dachte er: »Sollst du klopfen oder nicht«; aber er klopfte dennoch an. Als aber der Löwe aufschrie, da lief der Prinz zurück und der Löwe hinter ihm her. Da erinnerte der Prinz sich des Briefchens und warf es hin; der Löwe griff rasch danach und las es und rief, der Prinz sollte um­kehren.

Da ging der Prinz zurück zu dem Löwen, der sagte zu ihm: »Na, Prinz, es ist nicht gut, daß du hergekommen bist; mit meinem Elend wär's nun bald ein Ende gewesen, und nun muß ich noch einmal so lang im Elend zubringen. Aber was ist zu tun? Vielleicht wird noch alles gut. Du reist in das Land nach Kräutern für die Augen. Ich will dir sagen, wie du sie bekommen wirst. Wenn du zur Stadt kommen wirst, dann mußt du zwischen elf und zwölf Uhr hineingehen, denn da schläft alles, was nur Leben hat; gib also ja recht acht darauf, daß du weder zu früh noch zu spät hineingehst. Und in der Stunde mußt du in das und das Haus hineingehen, da wirst du die Kräuter auf dem Fenster finden; nimm sie weg und mach, daß du wieder zurückkehrst.« So belehrt reiste der Prinz weiter. Als er zur Stadt kam, machte er halt, sah nach seiner Uhr, es war zehn; so wartete er denn bis um elf. Sowie es elf Uhr schlug, ging er in die Stadt und in das ihm bezeichnete Haus. Auf dem Fenster fand er eine Flasche mit den Augenmitteln und eine andere Flasche ganz reinen Wassers, die Flasche aber konnte man nicht ausleeren, sie war immer voll, und auf dem Tisch lag ein Laib Brot. Sodann ging er in eine andere Stube und sieh! Da fand er eine schlafende Prinzessin; zu der legte er sich hin, weckte sie aber nicht auf.

Sodann stand er auf und schrieb auf die untere Seite eines Tisches, daß ein Prinz aus dem und dem Lande bei ihr zu der und der Zeit gelegen. Er nahm nun den Brotlaib und die Flasche mit dem Wasser sowie die Fla­sche mit den Heilmitteln, ging in seinen Nachen und machte, daß er so schnell wie möglich den Rückweg antrat. Als aber der Drache, der Herr der Stadt, angeflogen kam und fand, daß ein Fremder dagewesen, zerbarst er vor Wut, und nun war alles sei­nen Krallen entgangen. Die Länder, die vorher verwünscht waren, der Löwe, der Wolf, der Bär, alle wurden erlöst, und der Prinz reiste nun nicht zu Schiff, sondern zu Wagen zurück. Er ließ sich deshalb einige Wagen machen und fuhr nach Hause. Seinen ganzen Reisebedarf an Speise führte er mit sich.

Als er nicht weit mehr von der Stadt war, deren König zuvor ein Löwe gewesen war, da kam der König mit seinen Soldaten und mit großer Mu­sik ihm zu Ehren entgegen. Als man sich zu Tisch gesetzt, kam beim Es­sen und Trinken die Rede auf dies und das, und der Prinz sagte: »Bei uns ist's Sitte, daß wir, wenn wir irgendeine Speise genießen, grobes Brot dazu beißen.« Der König sagte: »Aber bei uns gibt es solches Brot nicht.«

Der Prinz sagte: »Geht in meinen Wagen, bringt den Brotlaib und be­stellt einen starken Mann!« Da lachten all die vornehmen Herren über ihn, weil er nur einen Laib Brot habe und noch dazu einen starken Mann zu bestellen angeordnet.

Jetzt befahl er, Brot abzuschneiden; als man aber bis zur Hälfte ge­schnitten, da war der Laib wieder ganz. Der König sagte: »Würdest du mir den Laib wohl verkaufen?«

»Nein«, sagte der Prinz, »verkaufen kann ich ihn nicht, aber verset­zen, so lange du willst.« Darauf ging der König ein und gab ihm drei Fässer voll Gold. Das packte er sich ein und reiste von dem König zu dem anderen, der vorher in einen Bären verwandelt war. Als er nicht mehr weit von der Stadt war, empfing ihn auch dieser König mit großen Ehren, mit Soldaten und großer Musik, und lud ihn zum Mittagessen ein.

Als man gespeist hatte, sagte der Prinz: »Bei uns hat man die Gewohn­heit, nach dem Essen reines klares Wasser zu trinken.« Der König sagte: »Wir haben aber kein solches Wasser.«

Da schickte der Prinz seinen Diener nach der Flasche und einem großen Zuber; die Herren aber lachten über ihn, daß er aus der einen Flasche einen großen Zuber zu füllen gedenke. Aber als er die Flasche auszuschütten begann, da goß er den ganzen Zuber voll, und die Flasche ward doch nicht leer. Da sagte der König: »Würdest du wohl die Flasche verkaufen?«

»Nein«, sagte der Prinz, »verkaufen kann ich sie nicht, aber für drei Faß Gold will ich sie dir leihen.« So ließ er denn die Flasche da, lud sein Gold auf und reiste weiter. Das dritte Land, dessen König in einen Wolf verwandelt war, besuchte er gar nicht, sondern reiste geradewegs in die Stadt Schönheit, wo er in einer schönen Schenke, in einem schönen Gasthof abstieg. Nach dem Essen sah er, daß sehr viele Menschen in der Straße gingen. Da fragte er den Wirt nach der Ursache und ob vielleicht etwas zu sehen sei.

»O ja«, antwortete der, »es werden zwei gehängt.« »Könnte ich das wohl auch mit ansehen?«

»Na, warum denn nicht!« So ging er denn auch auf den Platz hin. Als er die zwei Verurteilten er­blickte, erkannte er in ihnen sogleich seine Brüder. Er meldete sich des­halb bei der Obrigkeit, ob er sie nicht befreien könne.

»Ei ja, aber es kostet viel Geld; wenn einer vier Faß Gold gibt, dann werden sie freigegeben.« Da ließ der Prinz vier Faß Gold bringen und nahm die zwei armen Sünder mit nach Hause in seinen Gasthof, ließ ihnen Essen und Trinken bereiten, kleidete sie gut und gab sich ihnen als ihr Bruder zu erkennen.

Sie verweilten nicht lange mehr und begaben sich auf die Reise. Als sie ein gutes Ende Weges zurückgelegt, da dachten die zwei Brüder: »Was wird nun geschehen, wenn wir zum Vater kommen? Der Dumme hat die Arzneikräuter und hat uns noch dazu vom Galgen erlöst; wir werden beim Vater nur mit großer Schande bestehen.« So faßten sie denn folgenden Beschluß: »Nicht weit von hier ist eine Hexe, gehen wir zu ihr und lassen wir uns von ihr solche Kräuter geben, von denen der Mensch, wenn er sie auf die Augen streicht, erblindet, und die hinterlegen wir dem Bruder, dann hat er die nichtsehenden Kräuter, und wir nehmen die sehenden.« Sie verschafften sich auch wirklich solche Kräuter und reisten weiter. Auf der Reise schlief der Bruder vor Erschöpfung ein, und während er schlief, vertauschten sie die Heilkräuter.

Als sie nun zum Vater nach Hause gekommen, da fragte der Vater: »Wie, meine Kinder, habt ihr die Kräuter mitgebracht?«

»Ja, Vater, wir haben sie.« »Nun, da streicht einmal auf.«

Die beiden nahmen ihre Kräuter und strichen auf, und der König öff­nete die Augen. Jetzt schloß aber der König die Augen wieder, als sei er blind, und sagte zum dritten Sohne: »Na, mein Sohn, streich einmal von deinen Kräutern etwas auf.« Als dieser es tat, sah der König nichts mehr. Da sagte der König: »Nun streicht ihr beide wieder von euren Kräutern auf!«

Und sobald sie aufgestrichen, konnte der König wieder sehen. Der König ergrimmte nun so über seinen Sohn, weil er ihm solche Kräuter gebracht hatte, daß er befahl, ihn sofort zu erschießen. Wie aber der Jä­ger mit ihm ritt und ihn von hinten erschießen wollte, da versagte ihm das Gewehr. Der Prinz sagte: »Was wolltest du da eben tun?«

Der Jäger sagte: »Lieber Prinz, der König hat befohlen, ich soll dich erschießen und Herz, Leber und Lunge mit zurückbringen.« »Na, wenn das so ist«, sagte der Prinz, »sieh, da ist ein Hund, erschieß den Hund, nimm sein Herz, Leber und Lunge heraus, brings nach Hause und wirf's in den Ofen, so ist die Sache abgetan; ich werde nicht mehr in die Heimat zurückkehren, auch wenn man meine Hilfe einst benötigen wird: Ich gehe zu dem Müller da und lerne als Müller.«

Der Jäger tat das, brachte die Sachen und zeigte sie dem König; der sagte: »Wirf's in den Ofen, dann kann's verbrennen.« Zu der Zeit gebar die Prinzessin jenes Landes, aus welchem der Prinz die Kräuter mitgebracht, einen Sohn. Nachdem sieben Jahre verflossen waren und der Junge herangewachsen, sprag er einmal in der Stube umher und kroch unter einen Tisch; er sah in die Höhe und sah da etwas schimmern.

»Mutter«, sagte der Knabe, »sieh doch einmal her, was da so flim­mert.« Die Mutter kam, sah unter den Tisch, aber sie konnte nicht verstehen, was da geschrieben stand. Da ließ sie sich vier Männer mit verbundenen Augen bringen, um die Schrift zu lesen, und als sie sie gelesen, verband man ihnen die Augen wieder und führte sie hinweg. Aus der Schrift er­fuhr aber die Prinzessin, daß ein Prinz aus dem und dem Lande bei ihr gewesen sei und die Arzneikräuter, den Brotlaib und die Wasserflasche mitgenommen habe. Sodann rüstete sich die Prinzessin zur Reise mit ei­ner großen Schar Soldaten, und eine große Menge Schießpulver nahm sie mit und zog zu jenem König hin und machte eine viertel Meile von des Königs Stadt halt. Den Weg von ihr bis zur Stadt ließ sie mit rotem Scharlach belegen, die Stadt mit Pulver umschütten und dem König sa­gen, er sollte in vierundzwanzig Stunden den zu ihr schicken, der von ihr die Kräuter gebracht hätte, sonst ließe sie die Stadt mit Pulver gen Himmel sprengen.

Da sandte der König sofort den ältesten Sohn zu Pferde zu ihr; als er hingeritten, fragte sie ihn: »Hast du die Kräuter gebracht?« »Ja«, sagte der Prinz

. »Und was weiter?« »Nichts«

. Da sagte die Prinzessin: »Reit du nach Hause und sag deinem Vater, er soll in vierundzwanzig Stunden den herbeischaffen, der die Kräuter ge­bracht.« Der Prinz ritt nach Hause und sagte es seinem Vater. Da sagte der Va­ter zum zweiten: »Nun, mein Sohn, du hast doch die Kräuter gebracht?«

»Ja«, sagte der Sohn. »Nun so eile und reite du zu ihr hin.«

Und da ritt auch er hin. Als das Kind der Prinzessin ihn heranreiten sah, sagte es zu seiner Mutter: »Der da geritten kommt, ist mein Vater nicht; der schont den Weg, und der hat auch dich geschont.« Das sagte der Prinz nämlich deshalb, weil er neben dem belegten Weg hergeritten kam. Als der Prinz in die Nähe gekommen, fragte ihn die Prinzessin: »Hast du die Kräuter gebracht?«

»Ja«, sagte der Prinz. »Und was weiter?« »Nichts.«

Die Prinzessin sagte: »Reit du nach Hause, und wenn in vierundzwanzig Stunden der nicht zur Stelle kommt, der die Kräuter gebracht hat, so fliegt die Stadt gen Himmel.« Der Prinz ritt nach Hause und sagte es seinem Vater; da wußte der König vor Sorgen nicht, wo er bleiben sollte. Jenen Sohn hatte er er­schießen lassen; wie sollte er nun den finden, der die Kräuter gebracht? In tiefster Betrübnis ging er auf dem Hofe auf und ab; da erblickte ihn der Jäger, den er abgesandt hatte, um seinen Sohn zu erschießen; und er fragte den König, warum er so betrübt im Hofe auf- und abgehe.

»Ja, lieber Jäger, ich ließ meinen Sohn von dir erschießen, und jetzt soll ich ihn schaffen, sonst werden wir alle verbrannt.« »Ja, lieber König, vielleicht ist er noch am Leben; Ihr habt mir zwar befohlen, ihn zu erschießen, aber er bat so sehr um sein Leben, daß ich ihn leben ließ; er ging zu dem Müller da in die Lehre, und da wird er wohl noch sein.«

Sogleich ließ der König ihm sagen, er sollte zu ihm kommen. Der Prinz aber ließ ausrichten: »Der König hat so weit zu mir wie ich zu ihm; wenn der König mit vier Rappen wird gefahren kommen, so werde ich mitfahren.« Der König ließ sofort vier Rappen anspannen und fuhr zu seinem Sohne hin; da setzte sich der Prinz in den Wagen und fuhr mit seinem Vater nach Hause. Sodann ließ sich der Prinz ein Pferd scharf beschla­gen, stieg auf und ritt mitten auf dem Wege so gewaltig einher, daß die Fetzen davonflogen.

Als der Knabe ihn heranreiten sah, sagte er. »Na, Mütterchen, da kommt mein Vater hergeritten, der schont den Weg nicht, der hat auch dich nicht geschont.« Als der da geritten kam, fragte ihn die Prinzessin: »Hat du die Kräuter gebracht?«

»Ja«, sagte der Prinz. »Und was weiter?«

»Einen Laib Brot, den konnte man bis zur Hälfte schneiden, da ward er wieder ganz; eine Flasche mit Wasser, aus der konnte man schütten und schütten, und sie war doch stets voll.« »Gut«, sagte die Prinzessin, »komm her zu mir in mein Zelt!«

Nachher ließ er seine Brüder von Ochsen zerreißen, den König ließ er das Pulver zusammenschöpfen, und beide reisten miteinander in das Land der Prinzessin. Unterwegs nahmen sie den Brotlaib und die Was­serflasche mit und hielten, als sie nach Hause gekommen, Hochzeit und lebten glücklich miteinander bis zu ihrem Tode.