Ein böses Weib

Serbisches Märchen

Einst reiste ein Mann mit seinem Weibe irgendwohin, und als sie unter Wegs an einer kürzlich abgemähten Wiese vorbei kamen, sprach der Mann: »Ei Weib, sieh, wie schön diese Wiese abgemäht ist.« Das Weib aber entgegnete: »Bist du denn mit Blindheit geschlagen, und siehst nicht, dass das nicht gemäht sondern geschoren ist?« Worauf der Mann sprach: »Gott sei mit dir, Weib, wie wird man eine Wiese scheren? Das ist ja gemäht, da siehst du ja die Mahd.« Und als in dieser Weise der Mann zu beweisen fortfuhr dass die Wiese gemäht, das Weib seinerseits, dass sie geschoren sei, gerieten sie in Streit und der Mann schlug auf das Weib, und schrie in einem fort, sie möge schweigen. Das Weib aber, neben dem Wege an der Seite des Mannes hergehend, hörte, indem sie zwei ihrer Finger ihm unter die Augen hielt, und mit selben die Bewegung einer Schere nachahmte, nicht auf zu schreien: »Geschoren, geschoren, geschoren!« So neben dem Wege fortschreitend, und nicht vor sich, sondern auf die Augen ihres Mannes und ihre Scheren blickend, kam sie an eine Grube, die oben mit gemähtem Gras bedeckt war, und stürzte hinein. Als der Mann sah, wie sie in die Grube hinein plumpste und versank, sprach er: »Ah, so ists recht für dich!« und ging seines Weges, ohne weiter in die Grube zu schauen.
Nach einigen Tagen aber tat es ihm doch leid um seine Frau und er sprach bei sich: »Ich will sie herausziehen, wenn sie noch am Leben ist! Sie ist nun einmal nicht anders und vielleicht wird sie sich künftig bessern,« darauf ging er mit einem Strick an die Grube, ließ ihn hinab und rief, sie solle den Strick fassen, er wolle sie herausziehen. Sobald er merkte, dass er verstanden worden war, zog er nach Kräften herauf. Als er aber den Strick beinahe schon ganz zu sich emporgezogen hatte, was musste er sehen? Statt seines Weibes hielt sich ein Teufel an dem Stricke fest, der war auf einer Seite weiß wie ein Schaf, und auf der andern schwarz wie er in Wirklichkeit ist. Der Mann erschrak und wollte schon den Strick fahren lassen, da schrie der Teufel: »Halt ein! Und sei mir ein Bruder, Gott zu Liebe! Zieh mich heraus und töte mich, wenn du mir das Leben nicht schenken willst, errette mich nur aus dieser Grube!« Der Mann erbarmte sich des Teufels Gott zu Liebe und zog ihn heraus. Nun fragte der Teufel sogleich den Mann, welch ein Glück ihn hieher bringe, um ihn zu retten, und was er in dieser Grube gesucht habe; als ihm der Mann hierauf sagte, dass ihm vor einigen Tagen sein Weib hineingefallen und er jetzt gekommen sei, sie herauszuziehen, rief der Teufel: »Was Bundesbruder, so du Gott erkennst! Das ist dein Weib, und du konntest mit ihr leben, und bist wieder gekommen, sie herauszuziehen? Sieh ich war vor einiger Zeit auch in diese Grube gefallen. Anfangs wars mir, in Wahrheit, schwer zu ertragen, aber später habe ich mich so leidlich daran gewöhnt; wie aber dieses verfluchte Weib zu mir kam, fehlte wenig, dass ich nicht in diesen paar Tagen umgekommen wäre; sie hatte mich ganz in eine Ecke gedrängt und da sieh nur, wie ich an der Seite, die ihr zugewendet war, von ihrer Bosheit ergraut bin. Steh ab davon sie herauszuziehen, so du an Gott glaubst und lass sie da, wo sie ist, ich aber will dich dafür, dass du mich von ihr erlöst hast, glücklich machen,« und damit riss der Teufel ein Kräutlein aus der Erde, und sprach es dem Manne hinhaltend: »hier nimm das Kraut und bewahre es, ich will hingehen und in die Tochter dieses und dieses Kaisers fahren; aus dem ganzen Reiche werden Ärzte, Priester und Mönche kommen, um sie zu heilen und mich auszutreiben, aber ich will nicht eher aus ihr weichen als, bis du kommst. Du aber stelle dich, als ob du ein Arzt wärest, und komme auch hin um sie zu heilen, du brauchst sie bloß mit diesem Kraute zu beräuchern, und alsbald will ich von ihr lassen; hierauf wird dir der Kaiser seine Tochter geben und dich zum Mitregenten erheben.« Der Mann empfing das Kraut, legte es in sein Ränzel, nahm Abschied von seinem Bundesbruder, und also trennten sie sich. Einige Tage nachher verbreitete sich das Gerücht, die Tochter des Kaisers sei krank und vom Teufel besessen. Aus dem ganzen Reiche strömten Ärzte, Priester und Mönche zusammen, aber vergeblich war all ihr Bemühen, alles, was sie anwendeten, blieb ohne Erfolg, keiner vermochte ihr zu helfen. Da nahm der Mann sein Ränzel mit dem Kraute, hing es um den Hals, nahm einen Stock zur Hand, und eilte zu Fuß in die Residenz des Kaisers, gerade zu in den kaiserlichen Hof. Als er in die Nähe der Gemächer kam, wo die Tochter des Kaisers krank lag, sah er Ärzte und heilkundige Weiber hin und her eilen, Priester, Mönche und Bischöfe lasen Beschwörungsgebete, weihten Öl, hielten Vigilien und beschworen den Teufel, dass er ausfahre, der Teufel aber schrie in einem fort aus dem Mädchen heraus und spottete ihrer. Nun wollte sich der Mann mit seinem Ränzel auch nähern, allein man ließ ihn nicht hinein, da ging er gerade in die Gemächer der Kaiserin, sagte ihr, dass er ein Arzt sei und ein Kraut besitze, mit dem er schon mehrere Teufel zum Weichen gebracht habe. Die Kaiserin hatte, wie wohl jede Mutter an ihrer Stelle getan haben würde, nichts Eiligeres zu tun, als ihn in das Zimmer und zu dem Mädchen zu führen. Wie der Teufel seiner ansichtig wurde, sprach er zu ihm: »Bist du da, Bundesbruder?« »Ja, da bin ich.« »Gut, so tue das Deinige und ich will abziehen, aber folge mir nicht nach, wenn ich anderswo von mir hören lasse, denn sonst würde es nicht gut gehen.« Das sprachen sie aber so miteinander, dass außer ihnen niemand weder etwas davon hörte noch verstand. Hierauf zog der Mann sein Kraut aus dem Ränzel, beräucherte damit das Mädchen, alsbald wich der Teufel von ihm, und es ward gesund wie von der Mutter geboren. Beschämt gingen alle übrigen Ärzte von dannen und zerstreuten sich von wo sie gekommen waren, den Mann aber umarmten Kaiser und Kaiserin als ihren Sohn und führten ihn in die Schatzkammer, kleideten ihn auf das köstlichste, und gaben ihm ihre einzige Tochter, und der Kaiser schenkte ihm die Hälfte seines Reiches.
Nach einiger Zeit ging derselbe Teufel hin und fuhr in die Tochter eines noch mächtigeren Kaisers, der des Ersteren Nachbar war. Im ganzen Reiche ward für sie Heilung gesucht, als aber keine zu finden war, erfuhr man, dass die Tochter jenes Kaisers gleichfalls an einer solchen Krankheit gelitten hatte, und von einem Arzte, der jetzt Schwiegersohn des Kaisers sei, geheilt worden wäre. Da schrieb der Kaiser seinem Nachbar einen Brief und bat ihn, ihm den Arzt, der seine Tochter geheilt hatte, zu senden, damit er auch seine Tochter von der Krankheit heile, er wolle ihm dafür gern, was er nur fordere, geben. Als dies der Kaiser seinem Schwiegersohne mitteilte, erinnerte sich dieser, was ihm sein Bundesbruder beim Abschiede gesagt hatte, und getraute sich nicht hinzugehen, sondern hub an Ausflüchte zu machen, indem er vorgab, dass er das Heilen aufgegeben hätte und dass er davon nichts mehr verstände.
Als dies dem andern Kaiser gemeldet wurde, schickte er einen zweiten Brief, in dem er drohte, wenn ihm der Kaiser seinen Arzt nicht sende, mit einem Heer sein Land zu überziehen. Auf diese erhaltene Nachricht sprach er zu seinem Schwiegersohn, nun müsse er hingehen, es gebe keinen andern Ausweg. Als des Kaisers Schwiegersohn sich so bedrängt sah, machte er sich auf und ging hin. Kaum war er bei der Tochter des Kaisers angekommen, so rief ihm der Teufel ganz verwundert entgegen: »Aber Bundesbruder, was willst du denn hier? Habe ich dir nicht gesagt, dass du mir nicht folgen sollst?« »Ei, mein Bruder!« erwiderte des Kaisers Schwiegersohn, »ich komme gar nicht um dich aus des Kaisers Tochter auszutreiben, sondern um zu fragen, was wir nun anfangen sollen, indem mein Weib aus der Grube heraus gekommen ist. Dass sie mich suchte, ginge noch an, allein sie sucht dich! Der du mir nicht gestattet hast, sie aus der Grube heraus zu ziehen.« »Was zum Henker, dein Weib ist heraus!« rief der Teufel, und aus der Tochter des Kaisers fahrend flüchtete er tief hinein ins blaue Meer und kehrte nimmer wieder unter die Menschen.