Der Wundervogel


Rumänisches Märchen

Es war einmal, wie's keinmal war, wäre es nicht gewesen, würde es nicht erzählt.
  Es war einmal ein guter, frommer Kaiser, der hatte drei Söhne. Außer vielen anderen Wohltaten, die er den Bewohnern seines Kaiserreichs erwies, erbaute er auch eine Klosterkirche, von der Wunder erzählt wurden. Er schmückte sie mit Gold und kostbaren Steinen und mit all dem, was die Bauleute jenes Landes für wertvoll und schön hielten. Eine Menge von Marmorsäulen und Vergoldungen waren in der Kirche und vor ihr. Die kostbarsten Malereien, Kronleuchter aus Silber mit Vergoldung, Ampeln, groß wie Kannen, aus dem allerschönsten Silber, die ausgewähltesten Bücher bildeten die Ausstattung dieser Klosterkirche. Je mehr der Kaiser sich über ihre Schönheit freute, je mehr betrübte er sich, dass er sie nicht ganz vollenden konnte, denn der Thurm fiel immer ein!
  »Wie ist es möglich«, sagte der Kaiser, »dass diese heilige Kirche nicht vollendet werden kann? Nun habe ich mein ganzes Vermögen darauf ausgegeben, und sie ist doch nicht fertig.« Und er ließ im Lande verkünden, dass der Meister, der ihm den Thurm der Kirche erbauen könnte, von ihm große Gaben und Ehren empfangen würde. Außer diesem Befehl gab er noch einen Zweiten, dass in allen Kirchen Gebete gelesen und nächtliche Gottesdienste abgehalten würden, damit der gnädige Gott sich seiner erbarmen und ihm einen guten Meister sende.
  In der dritten Nacht aber träumte der Kaiser, dass, wenn jemand den Wundervogel von den jenseitigen Gestaden hole und sein Nest in den Thurm setzte, das Kloster vollendet werden könnte.
  Er teilte seinen Söhnen diesen Traum mit; sie überboten sich, wer von ihnen zuerst aufbrechen und sich dem Dienste seines kaiserlichen Vaters weihen sollte. Darauf sprach der Kaiser zu ihnen:
  »Ich sehe, meine Söhne, dass Ihr alle den Wunsch habt, Eure Pflicht dem Herrgott gegenüber zu erfüllen! Ihr könnt aber nicht alle Drei auf einmal gehen. Zuerst soll mein ältester Sohn ausziehen, wenn es ihm aber nicht gelingt, die Aufgabe zu erfüllen, der Folgende, und so fort, bis Gott uns sein Erbarmen zeigt.«
  Die Kinder schwiegen und unterwarfen sich; der älteste Sohn des Kaisers aber traf seine Reisevorbereitungen. Er ging, was er konnte, und als er die Grenzen seines Vaters Reich überschritten hatte, befand er sich in einem schönen Hain. Nachdem er Feuer angemacht, stand er da und wartete, bis sein Essen fertig sei. Plötzlich sah er einen Fuchs vor sich, der bat ihn, seinen Windhund festzubinden, ihm ein Krüstchen Brot und ein Glas Wein zu geben und zu gestatten, dass er sich auch am Feuer erwärme. Anstatt seine Bitten zu erfüllen, ließ der Kaisersohn den Windhund los, der ihm auch gleich nachsetzte. Darauf verwandelte der Fuchs ihn durch ein Zauberzeichen in einen Steinblock.
  Als der Kaiser sah, dass sein großer Sohn nicht heimkehrte, erhörte er die Bitten seines zweiten Sohnes und gab ihm die Erlaubnis, auch auszuziehen, um den Wundervogel zu finden. Nachdem er seine Vorbereitungen getroffen und Zehrung mit auf den Weg genommen, brach auch dieser Prinz auf. An der Stelle, wo sein Bruder versteinert worden war, geschah ihm dasselbe, weil er den Bitten des Fuchses nicht Gehör geschenkt hatte, sondern ihn fangen wollte, um sein Fell abzuziehen.
  Der Kaiser wurde gedankenschwer, als er sah, dass nach so bitter langer Zeit seine Söhne weder mit dem Wundervogel noch ohne ihn zurückgekehrt waren. Da sprach sein, jüngster Sohn zu ihm:
  »Vater, sieh, jetzt ist genug bittere Zeit vergangen, seit meine Brüder nach dem Wundervogel ausgegangen sind, und sie sind noch nicht heimgekehrt; gib mir zu der Reise Geld und Kleidung, die den Weg aushält, damit ich auch mein Glück versuche. Und wenn es mir gelingt, wirst Du Deine Freude haben, Vater, weil Dein Traum sich erfüllt, wenn aber nicht, hast Du auch keine Demütigung davon.«
  »Deine großen Brüder«, sagte der Kaiser, »haben, wie es scheint, nichts tun können, um diesen Wundervogel herzubringen, vielleicht haben sie sogar ihren Kopf eingebüßt, da sie beide schon so lange ausgeblieben sind. Ich bin alt, wenn Du auch fortgehst, wer soll mir bei den Mühen der Regierung helfen; wenn ich aber sterbe, wer soll den Kaiserthron besteigen außer Dir, mein Sohn! Bleib hier, Vaters liebes Kind, geh' nicht fort.«
  »Deine Herrlichkeit, Vater, weiß sehr wohl, dass ich nie, auch nur ein Haarbreit Deine Befehle übertreten habe; und wenn ich jetzt wage, auf meiner Bitte zu bestehen, ist es nur, weil ich, wenn es möglich ist, einen Wunsch erfüllen möchte, der Dir keine Ruhe lässt, den Du schon seit so vielen Jahren hast und mit großen Kosten Dir Mühe gibst zu verwirklichen.«
  Nach vielen Bitten gab der Kaiser nach. Er suchte sich ein Pferd aus dem kaiserlichen Stall, das ihm gefiel, einen Windhund, um einen Gefährten zu haben, nahm genügende Zehrung mit und reiste ab.
  Nachdem einige Zeit vergangen war, langten plötzlich die beiden ältesten Söhne des Kaisers mit dem Wundervogel und einer Magd, die zur Hühnermagd gemacht wurde, an. Alle wunderten sich über die Schönheit dieses Vogels, dessen Gefieder in tausend Farben strahlte, dessen Federn wie die Sonne glänzten; der Thurm der Kirche aber fiel nicht mehr ein, seit der Vogel und sein Nest in ihn gesetzt worden waren. Einen Umstand bemerkte man aber: Der Vogel schien stumm zu sein, denn er gab keinen Ton von sich, und alle, die ihn sahen, bedauerten, dass ein so schöner, stolzer Vogel keinen Sang habe; selbst der Kaiser, trotz aller Freude, die er an der Kirche und an ihrem Thurm hatte, war betrübt, dass der Vogel nicht sang.
  Die Leute fingen an, den jüngsten Kaisersohn zu vergessen, so groß war ihre Freude über den Vogel, der den Thurm vor dem Einstürzen zu bewahren schien, und so konnte die Kirche ganz beendet werden; nur der Kaiser war traurig, dass sein jüngster Sohn nicht da war, um die Freude seines Volkes zu teilen. Eines Tages kam die Hühnermagd zu ihm und sagte:
  »Großer Kaiser, möge Dein Antlitz leuchten, die ganze Stadt wundert sich über den Gesang des Wundervogels: Ein Hirt ist heute früh in die Kirche getreten, allsogleich hat der Vogel gesungen, als wollte seine Kehle zerspringen, und ist so wohlgemut, dass ihn sein Nest kaum noch fasst. Das geschieht heute zum zweiten Mal, sowie der Hirt in die Kirche tritt, hört der Vogel nicht mehr zu singen auf, geht er aber fort, schweigt er.«
  »Man soll den Hirten vor mich führen und zwar sogleich.«
  »Hoheit, wie es scheint, ist der Hirt ein Fremdling, denn niemand hier kennt ihn. Die Söhne Deiner Hoheit haben, so hörte ich, Wächter aufgestellt, um ihn zu fangen.«
  »Schweig«, sagte der Kaiser, »sprich nicht von meinen Söhnen, denn es schickt sich nicht für Dich, dass Du gegen sie redest.«
  Der Kaiser schickte auch einige Bedienstete ab, die heimlich aufpassen sollten und den Hirten, sowie er in die Kirche träte und der Vogel sänge, ergreifen und vor ihn bringen sollten.
  Damit gab er sich aber noch nicht zufrieden, sondern ging selbst am nächstfolgenden Feiertage in die Kirche, um mit eigenen Ohren den wunderbaren Gesang des Vogels zu hören und mit eigenen Augen den jungen Hirten zu sehen. Wenn er nicht zugegen gewesen wäre, würde ein heftiger Kampf entbrannt sein zwischen seinen Leuten und den von seinen Söhnen zum Aufpassen hingeschickten, denn die wollten absichtlich Hand an den Hirten legen. Darauf gab der Kaiser den Befehl, ihm diesen Schäfer gutwillig in seinen Palast zu bringen, denn er fühlte, ich weiß nicht was, im Herzen, als er den jungen, schüchternen Jüngling mit der heldenhaften Gestalt sah.
  Als er aus der Kirche trat, ging der Kaiser straks in den Palast, denn sein Herz sagte ihm, dass es mit dem Hirten irgendeine besondere Bewandtnis haben müsse. Als der Kaiser ihn erblickte, sagte er:
  »So sag' mir doch, mein Sohn, aus welchem Teil des Landes bist Du? Hast Du Eltern und wie bist Du hierher gelangt?«
  »Meine Geschichte, erlauchter Kaiser, ist lang. Eltern habe ich, auch Brüder. Um Dir zu berichten, wie ich hierher gekommen bin, brauche ich mehr Zeit. Aber wenn Deine Hoheit es wünscht, bin ich bereit, mich dem zu unterwerfen. Morgen schon in der Frühe werde ich darum zu Deiner Hoheit kommen, heute ist es spät!«
  »Gut, mein Braver, morgen beim Tagesgrauen erwarte ich Dich!«
  Am nächsten Tage in der Früh kam der Hirt und erwartete den Befehl des Kaisers; als der Kaiser aber erfuhr, dass der betreffende Schäfer gekommen sei, rief er ihn zu sich.
  »So sag mir doch, mein Sohn, was ist der Grund, dass der Wundervogel singt, sowie Du den Fuß in die Kirche setzt und schweigt, sowie Du heraustrittst?«
  »Um das und anderes zu erfahren, erlauchter Kaiser, lass mich Dir meine ganze Geschichte erzählen!«
  »Ich höre Dir zu, erzähle mir alles, was Du willst«
  Darauf begann der Hirt:
  »Ich habe einen Vater und Brüder. Ich bin aus dem väterlichen Hause aufgebrochen, um etwas zu vollbringen, was den Vater erfreuen sollte, denn er war traurig, weil sein Wunsch ihm nicht erfüllt werden konnte.« Nach einer Reise von einigen Tagen gelangte ich auf eine schöne Flur, von der aus sich mehrere Wege erschlossen. Dort habe ich mir eine Lagerstätte machen wollen, habe mir ein helles Feuer angezündet, mir von der Reisezehrung etwas herausgenommen, und wie ich mich nun zum Mahl niederlassen will, sehe ich plötzlich einen Fuchs neben mir. Ich wusste weder woher noch woraus er gekommen war, denn ich hatte ihn nicht gesehen, es war, als wäre er aus der Erde gestampft worden.
  »Sei so gut, ich bitte Dich«, sagte er mir, »gestatte mir, mich an Deinem Feuer zu erwärmen, denn schau, ich friere, dass ich mit den Zähnen klappere. Gib mir auch ein Stück Brot und ein Glas Wein, dass ich mir den ärgsten Hunger und Durst vertreibe. Und damit ich in Ruhe essen und mich ohne Bange wärmen kann, binde Deinen Windhund an.«
  »Schon gut«, sagte ich ihm, »bitte, erwärme Dich, hier sind meine Esswaren und meine Feldflasche, iss und trink soviel Dir schmeckt.«
  Darauf habe ich den Windhund angebunden, und wir haben uns um das Feuer gesetzt und uns etwas erzählt. So unter Anderm erzählte ich ihm auch, wohin ich ginge, bat ihn sogar, wenn er etwas davon verstünde, mir zu sagen, wie ich es machen und anstellen solle, um das zu verrichten, was ich mich aus freien Stücken anheischig gemacht hatte auszuführen.
  »Was das anbelangt«, sagte mir der Fuchs, »sei ganz beruhigt. Morgen früh brechen wir zusammen auf, und wenn ich Dir nicht zum Ziel verhelfe, nenne mich nicht mehr mit Namen.«
  Wir saßen am Feuer und schmausten wie ein Paar Freunde, dann wünschte der Fuchs mir Gute Nacht und verschwand wie ein Schatten. Ich wunderte mich so bei mir selbst, wie es möglich gewesen war, dass ich nicht gesehen hatte, welche Richtung er eingeschlagen, und indem ich mir den Kopf darüber zerbrach, wie er unbemerkt hatte kommen und gehen können, schlief ich ein.
  Als er am nächsten Morgen bei Tagesanbruch kam, fand er mich in der Verwunderung über mehrere Steinblöcke, die zwei Menschen, zwei Pferde und zwei Windhunde darstellten. Sowie ich ihn erblickte, machten wir uns reisefertig.
  Der Fuchs überschlug sich dreimal und wurde plötzlich zu einem Helden, so einem von denen, die man gerne anschaut. Unterwegs sagte er mir, dass der Ort, auf dem ich die Nacht zugebracht habe, zu seinem Besitztum gehöre, dass er verheiratet sei und Kinder habe, dass er verdammt gewesen sei, die Gestalt eines Fuchses zu tragen, bis ein Mensch sich seiner erbarmen und ihn aufnehmen würde, damit er sich an demselben Feuer mit ihm erwärme, ihm ein Stück Brot und ein Glas Wein reiche; dass ich dieser Mensch gewesen, er jetzt von dem Fluch erlöst sei und darum mit mir gehen und mich nicht allein lassen würde, bis ich meinen Zweck erreicht hätte.
  Ich freute mich dieses Vorfalls und wir gingen und gingen, den lieben langen Sommertag bis zur späten Nacht, worauf wir an eine Gebirgswiese kamen, wo wir übernachteten. Mein Reisegefährte sagte mir, dass wir am folgenden Tage die Grenzen des Reichs mehrerer Drachen zu überschreiten hätten, und dass er glaube, dort würden wir das finden, was wir suchten.
  Am nächsten Tage sind wir in das Besitztum der Drachen eingedrungen, aber immer etwas bänglich, und so um Mittag gelangten wir an die Drachenpaläste. Die Herrlichkeiten, die wir dort gesehen haben, lassen sich nicht beschreiben. Gärten mit allerlei Blumen und Früchten, Zimmer, die wie in Silber eingehüllt waren, sodass sie in der Sonne wie Spiegel glänzten, die Wände mit Bildern und gemeißelten Blumen geschmückt, die Ecken aber alle vergoldet, dazu Brunnen, die Wasser in die Höhe warfen. Wir hatten das Glück, dass die Drachen nicht zu Hause waren, als wir dorthin gelangten. Auf der Türschwelle trat uns ein wunderschönes Mädchen entgegen, die sah aus, als sei sie aus Zucker gemacht, und sie gab uns den Rath, in Abwesenheit der Drachen nicht in den Hof einzutreten, sonst würde es uns schlecht ergehen. Dann weinte sie vor Freude, noch einmal Menschen zu erblicken aus dem Gebiet, aus dem die Drachen sie geraubt hatten.
  Als wir sie um das fragten, was wir suchten, sagte sie, dass es sich bei andern Drachen befände, Verwandten derjenigen, auf deren Besitztum wir wären.
  »Gehet hin«, sagte sie uns, »denn mit Gottes Hülfe hoffe ich, dass Ihr Erfolg haben werdet, und wenn Ihr zurückkehrt, nehmt mich auch mit.«
  Nachdem sie uns mitgeteilt hatte, wie wir in den Hof der Drachen gelangen könnten, und wie wir vorgehen sollten, schwor ich bei dem, was ich Teuerstes auf der Welt habe, bei meinem Vater, dass ich sie nicht bei den Drachen lassen wollte, sondern sie mitnehmen würde. Darauf sind wir davon gegangen. Um wahr zu sein, mir hatte sie gleich gefallen, sowie ich sie gesehen.
  Als wir an die Grenze des andern Drachenreichs gelangten, hielten wir an, um uns auszuruhen. Bei Morgengrauen aber haben wir das Gebiet derselben überschritten und kamen so gegen Mittag an ihre Paläste, die noch schöner waren als die der ersten Drachen. Sowie ich vom Pferde gestiegen war, ging ich in den Stall, mein Genosse aber kehrte zurück, denn so hatte das Mädchen es uns geraten.
   Die Pferde waren an der Krippe. Eins von ihnen drehte den Kopf um und schaute mich an. Ich streichelte es um die Augen, zog es an den Ohren, spornte es an und warf ihm die Zügel über den Hals. Dann habe ich's bestiegen und im Vorbeireiten den Käfig mit dem Wundervogel, der im Hausflur hing, mitgenommen.
  »Du hast den Wundervogel geholt?«, sagte der Kaiser, »Du bist mein Sohn, den alle für verschollen halten!«
  »So ist's, Vater.« Und nachdem er die Hand des Kaisers geküsst, bat er ihn, Befehl zu geben, dass die Hühnermagd vorgeführt würde.
  Nachdem sie gekommen war, sagte der Hirt: »Dies ist das Mädchen, von dem ich Dir gesprochen habe.«
  »Wie ist das möglich«, entgegnete der Kaiser. »Aber wie ist sie Hühnermagd geworden?«
  »Das wird sie Dir sagen, denn ich weiß es nicht. Und so, wie ich sagte«, fing er wieder zu erzählen an, »nachdem ich den Käfig erhascht, nahm ich Reißaus mit meinem den Drachen entführten Hengst, die andern Pferde begannen zu wiehern und einen Lärm zu machen, dass einem das Haar zu Berge stand, ich aber hielt mich stramm«. Die Drachen mir nach, und sie eilten und eilten, bis ich zu meinem Kameraden gelangte, der an der Grenze auf mich wartete, und wäre er nicht gewesen, hätten die Drachen Hand an mich gelegt, und wer weiß, was dann aus meinem Kopfe geworden wäre; mein Gefährte aber streckte die Hand aus und brüllte: »Haltet ein!« Sie aber schienen plötzlich versteinert gewesen zu sein, seitdem die Welt stand: Keinen Schritt taten sie mehr vorwärts. Nachdem er mich umarmt und geküsst hatte, wunderte er sich auch über die Schönheit des Vogels. Die Drachen aber setzten Stein und Bein in Bewegung, um mir den Vogel zu entreißen, versprachen mir Sonne und Mond; als sie aber sahen, dass sie mich nicht überreden konnten, baten sie mich, ihnen wenigstens das Pferd zu geben. Ich sah ein, dass es nicht recht wäre, sie so ganz betrübt zurück zu lassen, so gab ich ihnen das Pferd und ging mit meinem Kameraden und dem Vogel weiter; den Drachen aber gingen die Augen über nach ihm.
  Als wir an die Paläste der andern Drachen gelangten, erwartete uns das Mädchen am Thor; sie knallte dreimal mit der Peitsche, worauf der ganze Palast sich in einen Apfel verwandelte, den sie einsteckte; ich aber nahm sie in den Arm und machte mich auf mit ihr. Aber o weh! als die Drachen es merkten! Wie kamen sie hinter uns her! Mit einem Kiefer im Himmel und einem auf der Erde und brüllen taten sie, dass einem das Blut in den Adern gerann. Ich fasste mir Mut, gab meinem Pferde die Sporen und floh wie der Wind, mit meinem Gefährten zusammen. Die Drachen aber kamen schnell wie der Gedanke; als mein Gefährte das merkte und auch einsah, dass keine Möglichkeit sei, heil davon zu kommen, blieb er stehen, machte ein Zauberzeichen und sie wurden zu Steinblöcken. Wir aber setzten unsere Reise fort, bis wir wieder an die Flur kamen, von der wir ausgegangen, nämlich auf das Besitztum des Fuchses. Nachdem wir uns ausgeruht, und ich Gott gedankt, dass wir diese Aufgabe gelöst, fragte ich meinen Gefährten, was diese Steinbildsäulen bedeuteten.
  Darauf hat er mir gesagt:
  »Wenn Du es weißt, Du es bereust, wenn Du's nicht weißt, Du's auch bereust!«
  »Ich bitte Dich sage es mir!«
  »Das sind Deine Brüder«, sagte er mir. »Anstatt wie Du freundlich meine Bitte zu erfüllen, haben sie die Windhunde auf mich gehetzt, was mich verdammte, das ekelhafte Fell des Fuchses noch länger zu tragen, darum habe ich sie versteinert.«
  »Mir zu Liebe«, bat ich ihn, »um der Freundschaft willen, die wir geschlossen, mache sie wieder zu Menschen, wie sie waren.«
  »Mir liegt viel an Deiner Freundschaft«, entgegnete er, »darum sei's nach Deinem Willen; – aber Du wirst es bereuen!«
  Und in einem Augenblick machte er ein Zeichen mit der Hand und plötzlich schüttelten sich die Steine, und meine Brüder blieben starr vor Verwunderung, als sie sich uns gegenübersahen.
  Wir nahmen Abschied von meinem Kameraden und machten uns auf den Heimweg. Aber nun merkt auf, meine Brüder brockten mir eine schöne Suppe ein!
  »Bruder«, sagten sie mir, nachdem wir eine Meile fortgeritten, »wir sind von dem langen Weg ermüdet, die Hitze ist groß, lass uns an einen Teich gehen, den wir hier kennen, und lass uns ein jeder ein wenig trinken, um uns abzukühlen.« Ich willigte ein, und wir gingen hin. Trank der Älteste, trank der Zweite, als ich aber auch trinken wollte und am Rande des Teiches auf dem Bauch lag, um mit dem Mund bis ans Wasser zu kommen, wie sie getan, fühle ich plötzlich ein furchtbares Brennen an beiden Füßen, und wie ich mich umdrehe, um zu sehen, woher, konnte ich nicht auftreten, denn meine Brüder hatten mir beide Füße abgeschnitten und sich eilig davon gemacht, ohne auf meine Bitten und Klagen zu hören.
  Drei Tage und drei Nächte habe ich dort am Teiche zugebracht. Wenn mein gutes Pferd irgendeinen Lindwurm auf sich zukommen sah, nahm es mich mit den Zähnen bei den Kleidern auf seinen Rücken, eilte, soweit es mit den Augen sehen konnte, und schlug so mit den Füßen um sich, dass sich uns kein wildes Tier nähern konnte.
  Endlich am vierten Tage traf ich auf einen Blinden, der sich auch so herumtastete.
  »Wer bist Du?«, fragte ich ihn.
  »Ein armer Krüppel,« entgegnete er. Und nachdem er mir erzählt hatte, dass seine Brüder ihm aus Neid die Augen ausgestochen hätten, habe ich ihm erzählt, dass mir die Brüder die Füße abgeschnitten hätten. Darauf sagte er mir:
  »Weißt Du was? Wir wollen uns Brüderschaft zuschwören. Ich habe Füße, Du hast Augen, ich trage Dich auf dem Rücken. Ich gehe für Dich, und Du siehst für mich. Hier in der Nähe ein großer Skorpion haust; mit seinem Blute kann man alle Krankheiten heilen.«
  »Ich nahm sein Anerbieten an und wir gingen bis an die Wohnung des Skorpions. Er war nicht zu Hause. Der Blinde setzte mich hinter der Tür ab und sagte, dass ich ihn mit dem Säbel, sowie er einträte, tot hauen sollte; er aber versteckte sich hinter dem Ofen. Wir warteten nicht lange, bis der Skorpion zornig eintrat, denn er hatte gemerkt, dass ihm jemand ins Haus eingebrochen sei. Als ich ihn erblickte, wurde mein Herz klein wie ein Floh, als er aber eintrat, wartete ich, bis er mir recht kam, dann schlug ich einmal drauf zu, sodass ich ihm mit dem einen Schlag alle drei Köpfe abhieb.
  Ich beschmierte mich augenblicklich mit seinem heißen Blut, und als es die Füße berührte, klebten sie an, als wären sie nie abgeschnitten gewesen. Auch dem Blinden bestrich ich die Augen, sodass ihm das Augenlicht zurückkehrte. Nachdem wir Gott gedankt, machten wir uns jeder auf unsern Weg.
  Ich wollte nicht gleich nach Hause kommen, sondern hielt es für besser, mich als Hirt zu verdingen und es Gott zu überlassen, die Dinge so zu führen, dass die Schuldigen sich als solche erwiesen. Ich habe mich in meiner Zuversicht nicht getäuscht, denn sieh, seine Macht ist groß und sein Urteil gerecht.«
  »Nun sage auch Du«, sprach der Kaiser zur Hühnermagd, »wie bist Du Hühnermagd und Dienerin geworden?«
  »Nachdem die ältesten Söhne Deiner kaiserlichen Majestät ihrem jüngsten Bruder die Füße abgeschnitten hatten, nahm mich der Eine, der Andere nahm den Wundervogel. Ich meinte, ich müsste vor Schmerz zerfließen, weil ich mich von dem jüngsten Sohn Deiner Hoheit, den ich gern angeschaut hatte, weil er so ein ganzer Mann war, trennen sollte. Sie schlugen mir vor, dass ich einen von ihnen lieben sollte, und versprachen mir, dass der mich zur Frau nehmen sollte, sowie wir am Kaiserhof angelangt wären. Nachdem ich mich allem Zwang widersetzt, welchen die Brüder mir antun wollten, zog ich vor, den Dienst als Küchenmagd an Deinem kaiserlichen Hof anzunehmen, als anderswo hinzugehen. Denn ich wusste, dass Gott den nicht umkommen lassen würde, der recht und gut gehandelt, und jetzt danke ich ihm, dass er mir gezeigt hat, wie eine gute Tat nie verloren ist.«
  »Kannst Du mir beweisen«, fragte der Kaiser, »dass Du und keine andere jenes Mädchen bist?«
  »Dieser Apfel«, sagte sie, indem sie ihn aus ihrem Busen hervorholte, »kann jedem den Beweis liefern, dass ich es bin. Deine älteren Söhne haben nichts von ihm gewusst, sonst hätten sie ihn mir fortgenommen.«
  Darauf trat sie heraus, knallte dreimal mit einer kleinen Peitsche über dem Apfel, und was für Paläste erstanden plötzlich! So schön, wie sie sich im ganzen Reich nicht wieder fanden.
  Selbst der Kaiser erstaunte. Er wollte die Heimkehr seines jüngsten Sohnes feiern. Dieser aber sagte: »Vater, ehe wir Gott danken, dass ich gesund zurückgekommen bin, lass uns drei Brüder zum Gottesgericht vor ihn hintreten.«
  Der Kaiser konnte nichts dagegen sagen. Man führte die Brüder vor den Kaiser, der sie niederknieen hieß; sie baten ihren jüngsten Bruder um Verzeihung. Er sagte ihnen: »Wenn Gott Euch verzeiht, so habt Ihr auch meine Verzeihung.«
  Da sie nicht anders konnten, gingen sie vor die Kirche und setzten drei Bienenstöcke hin, jeden gleich weit von dem andern entfernt. Jeder trat mit den Füßen in einen von ihnen und warf mit der Schleuder einen Stein in die Höhe. Die Steine der älteren Brüder kehrten zurück und trafen jeden von ihnen so stark auf den Kopf, dass sie beide tot blieben. Der Stein des jüngsten Kaisersohnes aber fiel vor ihm nieder.
  Viele hatten sich angesammelt, um dieses Gottesurteil mit anzusehen. Nachdem die Hochzeit gefeiert war und der Kaiser seinen Sohn mit der Hühnermagd verheiratet hatte, stieg er vom Thron herab und setzte seinen Sohn darauf, der, wenn er noch lebt, noch heutigen Tags regiert.
  Auch ich war bei diesen Vorfällen zugegen und erzähle sie jetzt denen, die fein aufhorchen.