Die Moskitos

Vietnamesisches Märchen

In unserem Lande sind die Moskitos sehr lästig, zu manchen Zeiten des Jahres sogar unerträglich. Aber obwohl alle Menschen sie verabscheuen, gibt es nur wenige, die ihre Geschichte kennen, die wissen, weshalb diese verwünschten Insekten unaufhörlich um unsere Ohren summen und versuchen, einen Tropfen von unserem Blut zu saugen.
Ngoc Tâm, ein einfacher Landarbeiter, hatte Nhan Diêp geheiratet. Da die jungen Leute gesund waren, schien ihnen ein einfaches, glückliches und arbeitsames Leben bestimmt. Der Mann besaß einige Reisfelder und ein kleines Feld mit Maulbeerbäumen, die Frau eine Seidenraupenzucht. Aber Nhan Diêp war von kokettem, faulem Wesen und träumte nur von Reichtum und Vergnügen. Sie hatte es leicht, ihre Neigungen und ihre Absichten vor ihrem Mann zu verheimlichen, dessen tiefe Liebe weder anspruchsvoll noch vorausschauend war: er glaubte seine Frau zufrieden und glücklich, wenn sie ihm nur helfen konnte. So mühte er sich hart ab, ihr gemeinsames Leben zu verbessern. Plötzlich entriss ihm der Tod Nhan Diêp. Ngoc Tâms Schmerz war ohne Maßen. Er wollte sich nicht vom Körper seiner Frau trennen und widersetzte sich ihrem Begräbnis; dann, nachdem er sein Gut verkauft hatte, hockte er sich neben den Sarg auf einen Sampan und überließ sich der Strömung des Flusses. Eines Morgens fand er sich am Fuße eines grünenden und duftenden Hügels. Als er an Land stieg, sah er Tausende von seltenen Blumen und Bäumen, die mit den verschiedensten Früchten überladen waren. Entzückt lief er bergan, und er fühlte sich so leicht, dass er ziemlich hoch hinaufstieg, ohne es zu bemerken.
Plötzlich traf er einen Alten, der sich auf einen Bambusstab stützte. Seine Haare waren weiß wie Seide, sein runzeliges, kaum von der Sonne verbranntes Gesicht, glänzte vor Jugend und Gesundheit. Unter blonden Augenbrauen strahlten seine Augen wie die eines jungen Menschen. An diesem Strahlen erkannte Ngoc Tâm den Schutzgeist der Medizin, der auf seinem Berg Thiên Thai durch die Welt reist, um seine Weisheit die Menschen zu lehren und ihre Leiden zu erleichtern. Ngoc Tâm warf sich ihm zu Füßen. Der Geist sprach zu ihm:
»Da ich deine Sittsamkeit kenne, hielt ich meinen Berg auf deinem Wege an. Wenn du es wünschst, nehme ich dich unter meine Schüler auf. «
Demütig dankend erwiderte Ngoc Tâm jedoch, dass er sich nicht von seinem Weibe trennen könne. Er könne sich auch kein anderes Leben vorstellen als das, was er bis jetzt mit seinem Weib geführt habe, und er bat ihn demütig, sie wieder zum Leben zu erwecken.
Der Geist betrachtete ihn voller Güte und Mitleid und sagte: »Warum hängst du dich an diese Welt des Grams, wo doch die seltenen Freuden nur Täuschungen sind? Welcher Wahn auch von dir, einem schwachen und flüchtigen Wesen treu zu sein. Nun, ich will deine Wünsche erfüllen, aber hoffentlich bereust du es nicht, wenn es zu spät ist. «
Auf sein Geheiß öffnete Ngoc Tâm den Sarg, schnitt sich in die Kuppe eines Fingers und ließ drei Tropfen Blut auf den Körper von Nhan Diêp fallen. Diese öffnete langsam die Augen, als erwache sie aus einem tiefen Schlaf. Ihre Kräfte kehrten schnell zurück.
»Vergiss nicht deine Pflichten«, ermahnte sie der Geist. »Denke daran, deinem Gatten ergeben zu sein. Werdet glücklich, ihr beiden! «
Während der Rückreise ruderte Ngoc Tâm Tag und Nacht, denn er wollte schnell sein Heim erreichen. Eines Tages stieg er in einem Hafen aus, um einzukaufen. Während seiner Abwesenheit machte eine große Barke neben der seinen fest, und der Besitzer, ein reicher Kaufmann, wurde von der Schönheit Nhan Diêps tief beeindruckt. Er begann, sich mit ihr zu unterhalten, lud sie zu einer Tasse Tee ein, und sobald sie in seiner Barke saß, ließ er die Segel setzen.
Nach einem Monat fand Ngoc sein Weib wieder. Aber sie hatte sich an das neue Leben gewöhnt, das sie ganz befriedigte, und so antwortete sie ohne Umschweife auf sein Fragen. Zum ersten Mal sah er ihr wahres Gesicht. Sofort war er von seiner Liebe geheilt und bedauerte ihren Verlust nicht mehr.
»Du bist frei«, sagte er zu ihr. »Gib mir nur die drei Tropfen Blut zurück, die ich vergossen habe, um dich wieder zu beleben; ich will nicht, dass du auch nur den kleinsten Teil von mir in dir bewahrst. «
Glücklich, so billig davongekommen zu sein, nahm Nhan Diêp schnell ein Messer und schnitt sich in eine Fingerkuppe. Doch kaum floss das Blut, als sie schrecklich erbleichte und zur Erde sank. Man eilte zu Hilfe: sie war tot.
Aber das leichtfertige Weib wollte einfach nicht für immer diese Welt verlassen.
Sie kam in Gestalt eines kleinen Insekts zurück und verfolgte Ngoc Tâm unablässig, um ihm die drei Blutstropfen zu stehlen, die sie wieder zum Menschen verwandeln sollten. Sie plagte ihren früheren Gatten, und sie summte, summte um Verzeihung für ihr Betragen, beteuerte ihm summend ihr Bedauern und ihre Reue…
Später gab man ihr den Namen >Moskito<, und die Rasse vermehrte sich — sehr zu unserem Leidwesen.